Der Kommerz lauert in Berlin an jeder Ecke, auch am Hermannplatz. In einem Späti, in dem eine telefonierende Verkäuferin apathisch die Bezahlung entgegennimmt, läuft „Ich war noch niemals in New York“, eine Liveversion der Sportfreunde Stiller mit dem Gastsänger Udo Jürgens. 2009 hatten sie die CD „MTV Unplugged In New York" (in den Münchner Bavaria Studios) aufgenommen und auch den Schlagerchansonier für eine gemeinsame Nummer gewonnen. „Is extra für euch“, sagt die Späti-Chefin, die natürlich nicht wissen kann, dass man nur beruflich zum Konzert der Sportis geht. Als Einstimmung aufs Konzert am Dienstagabend im benachbarten Huxley's funktioniert's natürlich trotzdem.
Der Laden ist ausverkauft und das Publikum nach der Vorband in freudiger Erwartung. Vom Band läuft Musik, bei der man sofort an Fußball denkt, so wie man bei den Sportfreunden Stiller sofort an Fußball denkt. „54, '74, '90, 2006", der Soundtrack zum WM-Sommermärchen 2006. Blurs „Song 2“, die Einlaufhymne beim FC St. Pauli, und Oasis, die Fans von Manchester City, die an diesem Abend gegen Real Madrid spielen, was von der Nachbarkneipe des Spätis übertragen wird. Auch das erinnert gleich wieder an die Stillers, denn ihr im Jahr 2000 erschienenes Debütalbum hieß „So wie einst Real Madrid“.

Ein Song, ein Statement

Die Sportfreunde Stiller sind eine durch und durch fußballaffine Band, selbst intern gespalten in Bayern- und 1860-Fans, und so musste man fast befürchten, dass sie das Konzert auch mit einem irgendwie in die Fußballrichtung tendierenden Song beginnen würden. Taten sie aber nicht. Der erste Song, mit dem sie das Konzert eröffneten, lautete „Ich scheiß‘ auf schlechte Zeiten“ von ihrem aktuellen Album, zu dem ihrer Plattenfirma die Promo-Überlegung einfiel: „Ein Song. Ein Statement. Und die Antwort auf eine große Frage: Darf man Spaß haben trotz der Pandemie und Putins Krieg?“ Dem implizierten Ja schlossen sich die Besucher des Berliner Konzerts gern an. Die Band sah es, logisch, genauso, wie sie singend klarmachte: „Man kann nicht nur traurige Lieder singen, wenn die ersten Sonnentage Wärme bringen“.
Die Sportfreunde Stiller aus München können gar nicht anders, sie waren immer eine warmherzige Band, mit sehr viel positiver Ausstrahlung. Während sich andere Indiebands, vor allem aus dem kühlen Norden, in runterziehenden Grübeleien verknoteten, aber damit das Popfeuilleton begeisterten, strahlte das Trio aus dem Süden immer eine unbekümmerte Fröhlichkeit aus.

Einfach nur unterhalten und nett sein

Das ist insofern ein Problem, als Frohsinn traditionell eine weniger gute Basis für Indierock ist. Es ist wie im Mediengeschäft: Only Bad News are Good News. Freundlichkeit finden zwar alle gut, aber nicht unbedingt in ambitionierter Kunst. Aber wahrscheinlich sind die Ambitionen der Sportis gar nicht so ausgeprägt. Vielleicht wollen sie einfach nur unterhalten und dabei gern auch nett sein.
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Die Songs dafür haben sie zur Genüge, die Namen der Songs, die sie an diesem Abend spielen, sind Programm: „Frühling“, „Alles Roger“, „Applaus, Applaus“, „Wunderbaren Jahre“. Sie sind die Band der unbeschwerten Nullerjahre, in denen das Wort Krise (bis zur WM 2006) nur für den deutschen Fußball reserviert war. Nicht, dass sie ein Eija Popeija propagieren, im Gegenteil, Sänger Peter Brugger preist sogar die „freie Demokratie“ und das Bemühen ums „Menschlichsein“ in diesen betrüblichen Zeiten. Einfach mal abfeiern an einem Abend wie diesem sei aber auch schön. Sieht das Publikum genauso. Nach rund zwei Stunden sind alle zufrieden und glücklich, für den Moment.