Brachiale Musik, teutonische Härte und gezielte Provokation – die Kontroverse ist ein ständiger Begleiter von Rammstein. Doch die jüngsten Vorwürfe, mit denen sich die Band, namentlich ihr Frontmann Till Lindemann, konfrontiert sieht, drehen sich nicht bloß um Deutschtümelei oder skandalöse Musikvideos. Sie wiegen schwer. Sehr schwer sogar. Die Rede ist von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch.
Medienberichten zufolge haben sich mehrere Frauen gemeldet und von sexuellen Handlungen erzählt, denen sie teils nicht zugestimmt hätten. In den eidesstattlich versicherten Ausführungen wird ein regelrechtes System geschildert, bei dem Frauen am Rande von Konzerten gezielt rekrutiert worden seien, um sie dem Sänger der Band für Sex zuzuführen. Ein System, das unter der Bezeichnung „Row Zero“ zusammengefasst wird.

Was ist die „Row Zero“?

Bei der „Row Zero“ (zu Deutsch: Reihe Null) soll es sich um einen Bereich unmittelbar vor der Bühne bei Rammstein-Konzerten handeln. Tickets gibt es dafür nicht. Recherchen des NDR und der Süddeutschen Zeitung zufolge, die sich auf zahlreiche Schilderungen mutmaßlich Betroffener stützen, soll dem Zugang eine Art Auswahlverfahren vorangehen.
Rammstein – die Karriere der Band in acht Kapiteln
Rockmusik
Rammstein – die Karriere der Band in acht Kapiteln
Berlin
Frauen sollen demnach nach optischen Kriterien ausgewählt und während oder noch vor dem Konzert in die „Row Zero“ eingeladen worden sein. Einige von ihnen sollen auch Zugang zu Aftershow-Partys speziell für Lindemann erhalten haben und mit Alkohol versorgt worden seien. Die Partys hätten als Anbahnung für Sex mit dem Sänger gedient. Zwei Frauen sprachen den Berichten zufolge von nicht einvernehmlichem oder gewaltvollem Sex. Auch Betäubungen durch Drogen hätten den Ausführungen einiger Frauen zufolge eine Rolle gespielt.

Rammstein veröffentlichtes weiteres Statement

Vorangegangen war den Berichten der durch eine junge Irin geäußerte Verdacht, bei einem Konzert der Band vergangene Woche in Vilnius unter Drogen gesetzt worden zu sein. Zwar stellte sie später klar, nicht von Lindemann angefasst worden zu sein, die Entwicklungen in Medien und sozialen Netzwerken überschlugen sich da aber bereits. Auch die Band selbst gab ein erstes Statement ab: „Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat. Uns sind keine behördlichen Ermittlungen dazu bekannt“, schrieb Rammstein knapp auf Twitter.
Empfohlener Inhalt der Redaktion

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Instagram, der den Artikel ergänzt. Sie können sich diesen mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.

Externer Inhalt

Sie erklären sich damit einverstanden, dass Ihnen externe Inhalte von Instagram angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.

Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Nach zahlreichen Berichten und weiteren Anschuldigungen äußerte sich die Band am Sonntag schließlich erneut. „Wir verurteilen jede Art von Übergriffigkeit“, heißt es in dem Statement unter anderem. Die eigenen Fans ruft Rammstein darin auf, sich nicht an Vorverurteilungen denen gegenüber zu beteiligen, die Anschuldigen erhoben haben. „Sie haben ein Recht auf ihr Sicht der Dinge“, so die Gruppe.
Etwas, das Rammstein auch für sich selbst in Anspruch nimmt: „Wir, die Band, haben aber auch ein Recht – nämlich ebenfalls nicht vorverurteilt zu werden.“ Auch wenn sie die Vorwürfe nicht mehr bestreiten, inhaltlich äußerten sich die Bandmitglieder oder ihr Management zu den Vorwürfen bislang nicht.

Welche Konsequenzen haben die Vorwürfe?

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch (Kiwi) hat im Zuge der Vorwürfe die Zusammenarbeit mit Lindemann beendet. Der Sänger hatte in dem Verlag zwei Gedichtbände veröffentlicht.
So lief das Konzert im Olympiastadion Berlin mit Hinweisen auf die Zukunft – wo gibt es noch Tickets für Rammstein?
Rammstein Stadium Tour
So lief das Konzert im Olympiastadion Berlin mit Hinweisen auf die Zukunft – wo gibt es noch Tickets für Rammstein?
Berlin
Auch mit Blick auf Rammstein-Konzerte könnten die gemachten Anschuldigen Folgen haben. Die Band befindet sich gerade auf großer Stadion-Tournee. Allein in München spielt sie diese Woche vier Shows im Olympiastadion. Wie unter anderem die Süddeutsche Zeitung berichtet, will die dortige Stadtratsfraktion der Grünen im Verbund mit der Roten Liste einen Antrag einbringen, der auf das Untersagen der sogenannten „Row Zero“ abzielt – aus Sicherheitsgründen. Zudem soll die Ermöglichung von Safe Spaces für Konzerte sowie der verpflichtende Einsatz von Awareness-Teams und der App „SafeNow“ auf Kosten der Veranstalter geprüft werden.
Bekannt für Shows mit viel Pyro und Flammen: derzeit befinden sich Rammstein auf Tour
Bekannt für Shows mit viel Pyro und Flammen: derzeit befinden sich Rammstein auf Tour
© Foto: Malte Krudewig/dpa
Eine vollständige Absage der Konzerte ist allerdings unwahrscheinlich. Das legen Äußerungen der SPD-Fraktionschefin im Münchner Stadtrat, Anna Hübner, gegenüber der BILD nahe: „Wir können die Konzerte nicht absagen, sonst sehen wir uns hohen Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe gegenüber. Deshalb haben wir darüber auch bisher nicht nachgedacht“, erklärte die Kommunalpolitikerin.
Auch in Berlin will Rammstein in diesem Jahr Konzerte spielen. Am 15., 16. und 18. Juli stehen Shows im Berliner Olympiastadion auf dem Tourplan. Die Tickets für die Konzerte gingen bereits vor einem Jahr in den Vorverkauf und waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.