Für wie gefährlich halten Sie die Auseinandersetzung zwischen Griechenland und Zypern mit der Türkei?
Es gibt die Gefahr einer Eskalation. Alle Seiten sind aufgefordert, Zurückhaltung zu üben und nicht auf ihren Rechtsauffassungen zu bestehen. Gerade weil Griechenland und die Türkei Nato-Partner sind, sind Gespräche der einzige Ausweg. Das kann die Nato selbst tun, aber auch die EU kann durch Vermittlungsangebote zu einer Deeskalation beitragen.
Deeskalation ist nicht das Wort, was einem beim türkischen Präsidenten Erdogan zuerst einfallen würde. In den letzten Jahren hat er in Syrien, Libyen und jetzt im Mittelmeer eher eine aggressive Politik verfolgt.
In der Tat ist das Muster türkischer Außenpolitik dadurch geprägt, dass die Türkei die Auseinandersetzung mit vermeintlichen Gegnern im Ausland sucht, um von fehlenden wirtschaftlichen und sozialen Fortschritten im eigenen Land abzulenken. Gleichzeitig gibt es türkische Interessen, die man zur Kenntnis nehmen muss. Gerade im östlichen Mittelmeer haben sich die Anrainer in den vergangenen Jahren über die Ausbeutung von Gasfeldern abgestimmt – ohne die Türkei. Sie fühlte sich ausgeschlossen. Das hat zur Verstimmung beigetragen.
Hat die EU verschlafen, rechtzeitig einzugreifen?
Die EU steht zu Recht an der Seite ihrer Mitgliedstaaten. Gerade in den letzten Monaten hat die türkische Regierung durch einseitige Schritte die Lage verschärft. Dennoch ist die Türkei mit der EU eng verbunden. Diese Gesprächsebene sollten wir nutzen. Es gibt so viele Probleme zwischen beiden, dass wir einen weiteren Brennpunkt unbedingt vermeiden sollten.
Überfordert Erdogan sein Land nicht mit seinen diversen Aktionen?
Die Kritik an den außenpolitischen Abenteuern Erdogans in Syrien und Libyen nimmt in der Türkei selber zu. Der Problemdruck bei Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit ist enorm. Viele Türken erwarten, dass diese für ihren Alltag ganz wesentlichen Probleme angegangen werden und nicht davon immer abgelenkt wird mit Hau-Ruck-Aktionen, welche die Entwicklung der Türkei schwächen. Der Abbau von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten macht die Türkei für internationale Investoren nicht gerade attraktiver.