Stephanie Uebel liebt ihren Beruf. Sie betreut die Kunden einer großen Online-Datenbank und ist viel auf Reisen. Was ihr an ihrem Job besonders gefällt: Ihr Arbeitgeber, das Berliner Unternehmen "neugeschaeft GmbH", erlaubt ihr, von zu Hause aus zu arbeiten. Anders könnte sie ihren Job allerdings auch gar nicht erledigen. Denn die 32-Jährige lebt im 600 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Augsburg. Zum Firmensitz fliegt sie etwa einmal im Monat. "Das muss auch sein. Weil man sonst doch ein bisschen den Kontakt verliert", sagt sie dieser Zeitung.
Die Arbeit im Homeoffice wird immer beliebter: Vorreiter in Europa sind Luxemburg und die Niederlande. Aber auch in Deutschland erkennen immer mehr Menschen die Vorteile der neuen Arbeitsmöglichkeiten: Es entfallen stressige Anfahrtswege, Mütter und Väter können sich zwischendurch um die Kinder kümmern, und zu wichtigen Sitzungen in der Firma oder Behörde kann man sich dank Internet ja sowieso jederzeit dazuschalten. Deshalb ist das Arbeiten im Homeoffice in kreativen Berufen wie Grafik und Werbung längst selbstverständlich. Aber auch zum Beispiel im Verkauf und in der IT-Branche bietet sich das Modell an.
Politiker haben erkannt, dass sie für das größer werdende Klientel mehr tun müssen. Die Grünen fordern seit Längerem ein Recht auf Homeoffice. Jetzt hat auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angekündigt, er werde "ein Recht auf Homeoffice auf den Weg bringen, das die Balance von Sicherheit und Flexibilität wahrt". Zuvor hatte sich SPD-Chefin Andrea Nahles für neue gesetzliche Grundlagen ausgesprochen, da Homeoffice bei Millionen Arbeitsplätzen möglich sei.
Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung könnten 40 Prozent der Beschäftigten von zu Hause aus arbeiten. Doch nur zwölf Prozent wird dieser Wunsch von den Vorgesetzten erfüllt. Stephanie Uebel und ihr Mann gehören zu diesen Glücklichen. Das Paar hat in der gemeinsamen Wohnung einen Raum abgetrennt, in dem Schreibtische und Laptops stehen. "Da kann ich die Tür zuziehen, und nichts lenkt mich ab", sagt die ausgebildete Betriebswirtschaftlerin. Ein Recht auf Homeoffice fände sie gut, betont sie. "Weil das einfach gerecht wäre. Jeder, der infrage kommt, sollte diese Möglichkeit bekommen."
Doch die neuen Möglichkeiten im Job werden nicht von jedem so positiv gesehen. Das amerikanische IT- und Beratungsunternehmen IBM gehörte zwar in den 1990er-Jahren zu den Ersten, die sich von der Anwesenheitspflicht verabschiedeten. Doch vor zwei Jahren folgte die Kehrtwende: 2600 Mitarbeiter der Marketingabteilung wurden dazu verpflichtet, ins Büro zurückzukehren. Andere Abteilungen hätten diesen Schritt schon vollzogen, hieß es. Jetzt gehe es darum, wieder "Schulter an Schulter" zu arbeiten, schrieb Marketingchefin Michelle Peluso in einer Rundmail. Denn die Kommunikation habe zuletzt arg gelitten.
Doch die Personalberaterin Barbara Frett sieht außer der mangelnden Kommunikation noch einen zweiten Grund für Unternehmensleitungen, das Thema Homeoffice nur mit spitzen Fingern anzufassen. "Viele Chefs haben einfach Angst, Kontrolle abzugeben", hat sie beobachtet. Ihr Rat: "Sie müssen lernen, ihren Leuten zu vertrauen."
Bei der Deutschen Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitsgeberverbände (BDA) hält man sich zwar etwas darauf zugute, dass man "an allen Stellschrauben für mehr Flexibilität" drehe, wie es BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter ausdrückt. Aber ein Recht auf Homeoffice lehnt die BDA ab. "Zu bürokratisch", lautet das Argument.
Doch genau diese "Bürokratie" – zu der auch Zeiterfassung und Gesundheitsschutz gehören – will der Deutsche Gewerkschaftsbund durchsetzen, um die Arbeitnehmerrechte zu schützen. "Homeoffice muss die nötige Sicherheit bieten, um unsichtbare Mehrarbeit und ständige Erreichbarkeit zu verbieten", fordert das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass es zu unbezahlten Überstunden und zu Dauerstress komme.
Ob sich die schwarz-rote Koalition auf rechtliche Vorgaben zum Homeoffice einigen kann, ist offen. Im Koalitionsvertrag steht nur, dass man "das Zeitalter der Digitalisierung als Chance für mehr und bessere Arbeit" nutzen wolle. Zwar findet auch der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Weiß, das Arbeiten im Homeoffice sei prinzipiell gut. Aber da man die Situation in den einzelnen Betrieben nicht vergleichen könne, sei er anders als die SPD gegen "eine Pflicht zur Genehmigung". Damit liegt er ganz auf der Linie von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der sich ebenfalls gegen eine "starre gesetzliche Regelung" wendet.
"neugeschaeft"-Mitarbeiterin Uebel ist dennoch davon überzeugt, dass das Recht auf Homeoffice bald kommen wird. "Allein schon deshalb, weil das immer mehr Beschäftigte so wollen", sagt sie. Zu Hause könne man sich die Arbeit einfach besser einteilen und sich dabei freier entfalten. "Gerade für die jüngere Generation ist das wichtig."

HintergrundTipps fürs Homeoffice

Wie lässt sich die Arbeit im Homeoffice gut organisieren? Tipps des Buchautoren und Verkaufstrainers Stephan Heinrich.

■Gut planen: Gerade im Homeoffice ist es wichtig, Termine gut zu planen und sich dabei die Fragen zu beantworten: Wie will ich die Zeit nutzen? Welche Pausen mache ich, in denen ich die Nähe zum privaten Haushalt ausnutzen will, um Persönliches zu erledigen?

■ Telefontermine bündeln: Wenn die Kollegen jedes Telefongespräch mithören, empfiehlt Heinrich, solche Termine zu Hause en bloc zu erledigen.

■Auch mal rausgehen: Tätigkeiten, die volle Konzentration verlangen, eignen sich fürs Homeoffice. Oder auch fürs Walking-Office – denn beim Spazierengehen kämen einem oft die besten Ideen, behauptet Heinrich. (mg)