An Sheraldo Becker konnte man ganz gut erkennen, wohin es führt, wenn man das letzte Hemd für den 1. FC Union Berlin gibt. Trotz empfindlicher Kühle im weiten Rund des Olympiastadions war der Stürmer nach dem Schlusspfiff nur noch in T-Shirt und Boxershorts unterwegs. Den Rest seiner Spielkleidung hatte Becker an die Fans der Eisernen verschenkt.
Kein Hemd und keine Hose mehr – dafür aber 36 Punkte auf dem Konto und Tabellenplatz zwei hinter Bayern München. Union Berlin setzt mit dem 2:0-Sieg im Derby bei Hertha BSC nicht nur seinen Höhenflug in der Fußball-Bundesliga fort, sondern zeigt im Duell mit dem Stadtrivalen einmal mehr: Es ist nicht alles Gold, was glänzt, aber es ist eben der 1. FC Union.

Union Berlin mit Effizienz

„Es war ein Sieg der Effizienz. Wir haben zweimal zum richtigen Zeitpunkt getroffen“, fasste Rani Khedira den Unterschied gegenüber Hertha BSC zusammen. Danilho Doekhi in der 44. Minute und Paul Seguin (67.) sorgten für den fünften Derby-Sieg der Köpenicker in Folge vor 74.667 Zuschauern im ausverkauften Olympiastadion.
Union-Trainer Urs Fischer sprach anschließend völlig zurecht von einem „glücklichen Sieg“ seiner Mannschaft. Denn Fischer sah natürlich auch die Mängel über weite Strecken der 1. Halbzeit. Die Gäste schienen von der Aggressivität der abstiegsbedrohten Hertha durchaus ein wenig beeindruckt zu sein.
Das Tor von Doekhi brachten den Favoriten dann aber in die Spur. Union hatte sich das Spiel nun so zurechtgelegt, wie es Union braucht: Mit Kontern über den pfeilschnellen Sheraldo Becker wurde die Abwehr immer wieder ausgehebelt und letztlich mit dem zweiten Treffer auch spielentscheidend bezwungen.
Das alles klingt nicht sonderlich neu aus Sicht der Gegner von Union Berlin. Aber es funktioniert halt immer wieder, weil die Mannschaft von Urs Fischer dieses System bis in den Tiefschlaf verinnerlicht hat. Dazu kommt, dass das System mittlerweile durch eine weitere Facette bereichert wird: die ungeheure Wucht von Innenverteidiger Danilho Doekhi bei Standardsituationen im gegnerischen Strafraum. Der „Leuchttturm“, wie Kapitän Christopher Trimmel den Niederländer bezeichnete, erzielte gegen Hertha BSC schon sein viertes Saisontor – natürlich per Kopf.
Kein Wunder, dass die Euphorie in Köpenick immer weiter wächst. Auch in der mittlerweile vierten Saison in der Bundesliga setzt sich der kontinuierliche Aufwärtstrend Woche um Woche fort. Das Momentum ist derzeit auf Seiten der Eisernen, konstatierte Rani Khedira. „Das haben wir uns erarbeitet. Wir müssen demütig bleiben und weiter Union-Berlin-like spielen“, erklärte der Chef im Mittelfeld.
Union-Berlin-like bedeutet in diesen Tagen auch, nicht die Bodenhaftung zu verlieren. Khedira wurde am Samstag gefragt, ob Union Berlin denn schon eine Spitzenmannschaft sei. Trotz Platz zwei hinter Bayern München ließ sich der Mittelfeldspieler viel Zeit für seine Antwort. Das Motto: Euphorie ja, Überschwang nein. Oder eben auch Demut genannt. „Eine Spitzenmannschaft bist du, wenn du am Ende oben stehst, aber nicht schon nach 18 Spieltagen“, lautete die Union-like Antwort von Khedira.

Union Berlin feiert mit den Fans

Nach dem Abpfiff am Samstag im Olympiastadion feierten Mannschaft und Fans eine weitere rot-weiße Party. Torschütze Paul Seguin sprach angesichts der Unterstützung auf den Rängen von einer „krassen Kulisse“. Wie wichtig die Fans auch in diesem Derby waren, machte Khedira am Beispiel der durchwachsenen 1. Halbzeit deutlich. „Wenn du 10 000 bis 12 000 verrückte Unioner hier hast, dann gibt dir das in schlechten Phasen trotzdem noch ein gutes Gefühl“, erkläre er. „Und nach dem Spiel vor so vielen verrückten Leuten zu stehen und sich feiern zu lassen – es gibt Schlechteres am Samstagnachmittag.“
Dass bei solchen Partys schon mal das eine oder andere Kleidungsstück verloren gehen kann, ist ja auch nichts Neues.