Rund achtzig Besucher hatten sich trotz Unwetterwarnung pünktlich eingefunden, nur der Hauptakteur, Jens Spahn, steckte im Verkehr fest. Gegenwind ist der Minister gewohnt, Spahn kam mit Verspätung, nahm sich aber auch nach der Veranstaltung Zeit für die Besucher. Barbara Richstein nutzte die Wartezeit für lobende Worte in Richtung der Feuerwehren, die in diesen Tagen unermüdlich Dienst taten und holte kurzerhand Marcus Welzel (CDU) auf die Bühne. Welzel kandidiert für die Landtagswahl. Er ist Pflegedirektor an einer Klinik, wo er: "den Personalmangel verwaltet", wie er sagt. Für die Stärkung der Pflegeberufe möchte er sich einsetzen und Tarifverträge für die Beschäftigten in der Pflege erwirken.
Dann kam der Minister und legte sofort los. Nur ein kurzes Eingangsstatement, denn Spahn sagte, er wolle lieber mit dem Publikum ins Gespräch kommen. Spahn beklagte einen Vertrauensverlust in die politischen Institutionen. Dieses Vertrauen möchte er mit "besseren" Debatten, denen ein Ergebnis folgt, das in Gegenwart und Zukunft Bestand habe, aufbauen. Er warb für mehr Zuversicht, Freude über das Erreichte im Land und für einen "gesunden" Patriotismus.
"Kulturelle Sicherheit", sagt er, "man will wissen, auf was man sich verlassen kann." Er bekräftigte seine Haltung zur Organspende, will die sogenannte Widerspruchslösung einführen. Das heißt, jeder ist erst einmal Organspender, es sei denn, man entscheidet sich zu Lebzeiten dagegen. "Die Menschen sollen sich mit dem Thema beschäftigen und eine bewusste Entscheidung treffen", so Spahn.
Auch an der Masernimpfpflicht, die er anstrebt, hält er fest. Spahn will ebenso Tarifverträge für Pflegekräfte. Das Altenpfleger weniger Geld bekämen als Krankenpflegerinnen, will er nicht weiter hinnehmen. Mehr Pflegekräfte, das werde auch kosten, sagte der Gesundheitsminister. Gesundheit sei aber nicht nur teuer. Sie sei auch ein Wirtschaftsfaktor - 5,5 Millionen Beschäftigte hat die Gesundheitsbranche in Deutschland.
Die Situation in der Pflege verbessern und die Digitalisierung vorantreiben, sind seine beiden Hauptanliegen, beantwortete er eine entsprechende Frage aus dem Publikum. Die Fragen der Besucher drehten sich in der Mehrheit um das Thema Gesundheit. Und hier noch einmal mit Schwerpunkt auf den ländlichen Raum.
Einige der Besucher wussten gut, von was sie erzählen. Denn bei weitem nicht nur Falkenseer waren gekommen. Einige waren aus Hennigsdorf, Gransee, Neuruppin und sogar Goslar angereist. Ein mehrfach aus dem Publikum genanntes Problem ist die Differenz in den Gehältern zwischen Ost und West, zwischen Berlin und Brandenburg wird dieser Unterschied in der Bezahlung ebenfalls spürbar und hat Auswirkung auf den Arbeitsmarkt. Von einem Ost-West-Gefälle wollte Spahn nichts wissen. Auch in den alten Ländern würden Pflegekräfte oft schlecht bezahlt, sagte er.
Betroffenheit löste eine Frau aus dem Publikum aus, die sich als Pflegefachkraft vorstellte. Weiter kam sie einen Moment lang nicht, allein die Nennung ihres Berufes führte zu anerkennendem Beifall aus dem Publikum. Sie würde gern Vollzeit arbeiten, ihr Arbeitgeber will sie nur in Teilzeit beschäftigen. Sonst wäre das dem Arbeitgeber zu teuer, erzählte sie und auch von regelmäßig zu leistenden Überstunden. Sie sei alleinerziehend und müsse aufstocken. Da muss dann auch der Minister mal tief Luft holen. "Ihr Arbeitgeber hat da offenbar noch nicht verstanden", sagte er und wies auf einen weiteren Mangel hin. Anders als Ärzte seien Pflegekräfte nicht gut organisiert. "Pflegekräfte sind wie kleine Goldsteine, sie werden überall gesucht. Sie sitzen am längeren Hebel", sagte er.
Auch zu Pflegekräften, die aus dem Ausland geholt werden, gab es Fragen. Spahn sagts, diese Maßnahme könne helfen, sei aber nicht die alleinige Lösung. Er sprach sich allerdings gegen ein Anwerben von Pflegekräften aus Ländern, die selbst einen Mangel haben, aus. Ansonsten verwies er auf die Freizügigkeit innerhalb Europas. Gerade was das Beheben des Mangels an Pflegepersonal angeht, muss Spahn immer wieder Kritik einstecken: Gehe nicht schnell genug, die Maßnahmen reichten nicht aus. Spahn warb für eine Schritt-für-Schritt Vorgehensweise. Einen Anfang machen, sagte er. Die Frage, wie wir zukünftig mit den Alten, Kranken und Hilfsbedürftigen in unserer Mitte umgehen wollen, könnten nicht nur Politiker beantworten. Die Frage gehe die gesamte Gesellschaft an. Daran ließ Spahn keinen Zweifel.