Herr Kohlschmidt, 40 Jahre Sandow, Glückwunsch zum Jubiläum! Würden Sie die Uhr gern noch einmal zurückdrehen? Und wenn ja, in welches Jahr?
Mich würde noch einmal das Jahr der Wende interessieren. Wir waren alle so euphorisch, aber immer nur bei uns selbst. Wir haben völlig übersehen, wie das Land auch von außen gewendet wurde. Jeder war nur Schmied des eigenen Glückes. Das große Ganze konnte keiner überblicken.
Können Sie noch etwas genauer ausführen, warum ausgerechnet in diese Zeit?
Ich glaube inzwischen, dass wir eine Implosion der staatlichen Ordnungen mit einem begleiteten Regime-Change beigewohnt haben. Die Oberfläche ist immer trügerisch. Aber wer Daniela Dahns Schriften darüber gelesen hat, die einzelnen Akteure und deren Verbindungen untersucht, erkennt auffällige Muster. Ich brauche keine DDR zurück. Aber mich interessiert immer die historische Genauigkeit. Und die gipfelt in der Orwellschen Formulierung einer friedlichen Revolution. Das ist ja ein Widerspruch in sich. Mich würde interessieren, was Bärbel Bohley in ihrem englischen Exil 1988 gemacht hat. Eine ungewöhnliche, mutige Frau. Und warum durfte sie in die DDR zurückkehren und dann das Neue Forum gründen? Alles sehr seltsame Dinge, von denen ich mehr wüsste.
Was hat sich in den Jahrzehnten an der Musik von Sandow am meisten geändert?
Die Musik von Sandow hat sich ständig geändert, bis heute. Sie durchlief sehr verschiedene Phasen. Es begann mit der Selbstfindung. Bis wir wirklich nach Sandow klangen, brauchte es fünf Jahre und fast 100 eigene Stücke. Dem folgten dann sehr expressive Phasen, die von experimentellen abgelöst wurden.
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Und wie häufig haben Sie sich an neue Bandmitglieder gewöhnt?
Bis 1987 gab es häufige Wechsel. Nur Chris Hinze und ich waren als Gründungsmitglieder immer dabei. Das gehörte zur Selbstfindungsphase dazu, auch wenn das schmerzlich und unangenehm war, befreundeten Musiker den Abschied zu verkünden. Ab 1987 stand dann aber die Grundformation, die sich nur noch zweimal variieren sollte.
Wenn Sie ein Teenager nach der Musik von Sandow fragt, wie würden Sie diese beschreiben?
Das würde mir schwerfallen, da Sandows Musik sich so vielen Stilistiken offengehalten hat und dennoch eine sofortige Erkennung möglich macht. Ich würde vielleicht von Avantgarde-Rock sprechen.
Wie alt sind die Menschen, die auf Ihre Konzerte kommen?
Die meisten Leute sind in unserem Alter, also in ihren Fünfzigern. Aber langsam kommt eine neue, jüngere Generation hinzu, die das für sich entdeckt.
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Können Sie sagen, in welcher Ecke der Republik Sie die meisten Fans haben? Also außerhalb von Cottbus?
Die meisten Fans wohnen im Osten. Im Westen sind es dann auch eher Ex-Ossis.
Waren Sie schon mal in Eisenhüttenstadt und im Friedrich-Wolf-Theater?
Ich habe schon einmal einen Vortrag über unsere Nanga-Parbat-Expedition im Friedrich-Wolf-Theater gehalten. In Eisenhüttenstadt war ich schon recht oft. Einmal für eine Interview-Serie für den Deutschlandfunk im BAMF. Aber auch mit Booten den Kanal in die Oder hinein. Ich finde die Architektur einfach faszinierend. Eine echte Zeitreise.
Können Sie und die Bandmitglieder von der Musik leben?
Von unserer Band können wir nicht leben. Aber wir haben alle verschiedene Jobs, die mit der Kunst zu tun haben. Chris ist bildender Künstler, und ich schreibe Filmmusik und produziere Dokumentarfilme.
Welcher ist gerade Ihr absoluter Lieblingssong?
Der Song ist schon recht alt. Er stammt von Nick Cave und heißt „The Mercy Seat“.
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Was ist Ihr Geheimnis, als Band so lange erfolgreich zu sein?
Es ist wohl unsere nicht versiegende Neugier und gemeinsame Leidenschaft, die Rätsel der Musik immer wieder neu zu bereisen. Wir können uns mit dem Ruhm von großen Stars nicht messen, aber wir haben ein beachtliches Werk erschaffen, dass auch im Ausland nicht unbekannt ist.
Wenn man 40 Jahre auf der Bühne steht, mag man dann bestimmte Songs nicht mehr singen?
Das ist ganz natürlich so. Aber man schreibt ja ohnehin neue Stücke, sodass die Auswahl bei uns schon sehr groß ist. Natürlich erwarten die Fans immer wieder ihre Lieblingslieder, aber wir versuchen immer, eine ausgewogene Mischung zusammenzustellen.
Wie sieht es mit „Born in the GDR“ aus?
Unseren alten Hit haben wir selbstverständlich im Repertoire. Wir haben ihn auch neu aufgenommen und eine prominente Stimme dafür gewinnen können, es zu singen. Wir sind sehr stolz, dass Bela B. von den Ärzten uns diese Ehre erweist. (Anm. der Red.: Bela Bs Stimme erklingt auf der Best-of-Platte „Kinder des Verbrechens – 40 Jahre Sandow“, er ist nicht bei den Tourkonzerten dabei.)
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Was sagen Sie eigentlich, wenn Sie jemand fragt, in welchem Land Sie geboren wurden?
Ich sage natürlich, dass ich in der DDR geboren wurde. Eine andere Antwort wäre absurd.