Noch immer sind Nazi-Schmierereien, „Tod für Links“ und „P.* wir kriegen dich“ an der Fassade der ehemaligen Schule V am Platz der Jugend in Eisenhüttenstadt zu sehen – seit nunmehr fast zwei Wochen. Rote Hakenkreuze wurden zum Teil mit schwarzen Vierecken umrandet, erkennbar bleiben sie.
Eine Anfrage bei der Stadtverwaltung, warum die Parolen und Symbole noch erkennbar sind, wird wie folgt beantwortet: „Wir sind davon ausgegangen, dass alle verfassungsfeindlichen Symbole auf dem Platz der Jugend unkenntlich gemacht worden sind.“ Auf Grundlage des Hinweises von moz.de werde man die Lage erneut prüfen. „Die Stadt hat ebenso kurz nach Sichtung der Graffitis einen Tag vor dem Stadtfest die Eigentümer der Immobilien über den Vandalismus informiert.“

Wer kümmert sich um die Graffiti-Beseitigung in Eisenhüttenstadt?

Problem ist, die ehemalige Schule V ist herrenlos, das Land hält die Hand darüber. Die Stadt möchte die denkmalgeschützte Immobilie allerdings gern für den Ausbau der Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe nutzen. Zuständig sieht sie sich für die Entfernung der Schmierereien offensichtlich nicht.
Auch an den gegenüberliegenden leerstehenden Gebäuden, die private Eigentümer haben, hatte es Nazi-Schmierereien und Drohungen gegen P. gegeben. Dort haben sich laut Museum Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt und Eisenhüttenstädter Wohnungsbaugenossenschaft (EWG) Jugendliche vom Club Marchwitza um die Beseitigung gekümmert. Parolen wurden übermalt, genau wie Nazi-Symbole. Die dortige Fassade war im Rahmen des Kulturland-Festivals bereits für Graffiti-Projekte genutzt worden. Dabei entstandene Bilder wurden dabei zum Großteil zerstört.
Die Fassade der einstigen Schule V in Eisenhüttenstadt am 5. September 2023.
Die Fassade der einstigen Schule V in Eisenhüttenstadt am 5. September 2023.
© Foto: Janet Neiser
Die Stadtverwaltung hatte am 24. August 2023 wie folgt reagiert: „Es ist schade, dass die von den Jugendlichen, Vereinen und weiteren Kulturschaffenden gestaltete Kunst mit extremistischen Symbolen und Parolen beschädigt wurde. Wir distanzieren uns ausdrücklich von diesem verfassungsfeindlichen Gedankengut [...] Jeglicher Extremismus darf bei uns keinen Platz haben“, erklärte Bürgermeister Frank Balzer.

Statement vom Museum Utopie und Alltag

Auf die Anfrage, welche Initiativen es in der Stadt gegen Rechts gebe? Oder ob solche in Planung seien, antwortet die Pressestelle des Rathauses wie folgt: „In der Vergangenheit gab es derartige Fälle nicht und auch nicht in der Größenordnung. Dennoch steht Eisenhüttenstadt weiterhin für Vielfalt im gesellschaftlichen Leben, wie es auf dem Stadtfest präsentiert und gelebt wurde.“ Zu den Drohungen gegen die 16-Jährige kein Wort.
Das Museum Utopie und Alltag nimmt dazu klar Stellung: Dort herrsche „Entsetzen über diese rechtsradikale, verfassungsfeindliche Straftat, gegen die bereits Ermittlungen eingeleitet wurden“. Man positioniere sich mit der Museumsarbeit klar „für eine offene, demokratische und vielfältige (Stadt-)Gesellschaft und verurteile diese Tat sowie jede Form rechter Gewalt und Bedrohung aufs Schärfste“. Und weiter: „Das Wichtigste ist jetzt, die bedrohte Jugendliche zu schützen, deren Engagement von unschätzbarem Wert für die Stadt und für eine offene und demokratische Gesellschaft ist.“
Man danke den Mitgliedern des Jugendclubs Marchwitza, die sehr schnell Teile der rechten Sprüche übermalt haben. „Eisenhüttenstadt ist eine Stadt, in der die Welt zu Gast ist.“

Stellungnahme aus Potsdam und von der EWG

Bürgerschaftliches Engagement und diverse Lebensentwürfe müssten geschützt und gefördert werden.
Und auch die Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte, zu der das Kulturland-Projekt gehört, erklärt am 5. September: „Nach Morddrohungen gegen eine Projektmitwirkende des von Kulturland Brandenburg 2023 geförderten Festivals ‚Auf den Platz, fertig, los!‘ und rechten Graffiti-Parolen“ solidarisiere man sich mit der bedrohten Person und allen projektbeteiligten Kulturschaffenden und Künstlern. „Die Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte verurteilt jede Form rechter Gewalt und Bedrohung.“
Die EWG hatte sich bereits am 28. August geäußert: „Wir sind zutiefst schockiert von den Straftaten, die auf dem Platz der Jugend stattgefunden haben, unweit unseres schönen und ruhigen Wohngebiets 5 WK. [...] Diese mutwillige Zerstörung ist in unseren Augen kein dummer Streich, sondern deutet auf stark ausgeprägtes, nationalsozialistisches Gedankengut hin. Hier haben sich Menschen verewigt, deren Gesinnung wir aus tiefster Überzeugung ablehnen und schwer verurteilen.“
*Moz.de hat sich entschieden, den vollen Namen der 16-Jährigen nicht zu nennen. Auch auf den Fotos ist dieser Name unkenntlich gemacht.