Zwischenrufe, Gelächter, tosender Beifall für Tesla-Gegner und Protestplakate – wenn es um das Thema Tesla-Erweiterung in Grünheide geht, kochen die Gemüter hoch. So war es auch diesmal am Donnerstagabend in der Müggelspreehalle in Hangelsberg. Die aufgepeitschte Stimmung war bereits erwartet worden. Nicht umsonst stand ein Sicherheitsdienst bereit, um die Gemeindevertreter notfalls vor Anfeindungen oder Übergriffen zu schützen.
Letztlich beschied die Grünheider Gemeindevertretung (GV) aber das Ansinnen Teslas, sein Gelände der sogenannten Gigafactory um 100 Hektar zu erweitern, positiv und die Aufstellung des betreffenden Bebauungsplanes Nr. 60 „Service- und Logistikzentrum Freienbrink-Nord“ wurde auf den Weg gebracht. Das alles wurde in namentlicher Abstimmung mit zwölf Ja-Stimmen der Fraktionen SPD-Freiwillige Feuerwehr-ALG-Freie Wählergemeinschaft (kurz: SPD-Fraktion), CDU und Linke zu sechs Nein-Stimmen der Fraktion Bürgerbündnis, AfD und des parteilosen Gemeindevertreters Uwe Werner (SPD-Fraktion) entschieden. Werner begründete sein Ausscheren aus der Fraktion damit, dass er sich „eher für Grünheide als für Tesla“ einsetze, das Gegenteil aber wahrnehme. Kurios: Nach dem Votum meldete sich Daniel Geithe (Linke) zu Wort und gab an, dass er aus Versehen falsch abgestimmt habe. Doch es war zu spät und am Ergebnis hätte es zudem nichts geändert.
Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide präsentiert das Ergebnis einer Unterschriften-Kampagne: Demnach hätten sich 6698 Menschen gegen die Tesla-Erweiterung ausgesprochen.
Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide präsentiert das Ergebnis einer Unterschriften-Kampagne: Demnach hätten sich 6698 Menschen gegen die Tesla-Erweiterung ausgesprochen.
© Foto: Janine Richter
Am Abstimmungsverhalten änderte auch eine Unterschriftensammlung nichts, deren Ergebnis Manu Hoyer von der Grünheider Bürgerinitiative übergab. 6698 Stimmen seien demnach auf der Kampagnen-Plattform innn.it unter dem Motto „Keine Tesla-Erweiterung! Für den Schutz unseres Waldes und Wassers“ zusammen gekommen.

Güterbahnhof und Lagerflächen sollen entstehen

Das US-Unternehmen möchte, wie berichtet, sein 300 Hektar großes Gelände der Fabrik nach Osten vergrößern. Der dort bestehende Kiefern- und Laubwald müsste zum Großteil gerodet werden. Auf dem Areal sollen ein Güterbahnhof mit optimierten Schienen- und Verkehrswegen entstehen. Zusätzlich sind dort Logistik- und Lagerflächen geplant sowie Erholungs- und Schulungsräume und eine Kita. Die Produktionsstätten sollen, so wurde erneut versichert, auf dem Ursprungsgelände konzentriert werden, wo einst der Bahnhof geplant war. Drei weitere Ausbaustufen der Fabrik soll es geben.

Tesla: 1000 Lkw-Fahrten pro Tag auf Schiene bringen

Tesla-Mitarbeiter stellten die Pläne vor mehr als 180 Zuschauern aus Grünheide, Erkner und Strausberg noch einmal vor und beantworteten die Fragen der Einwohner und von Gemeindevertretern. Marlene Mehnert, Leiterin des Tesla-Teams für die Standortentwicklung der Gigafactory, erklärte, dass die vorliegenden Pläne „von besonders hoher Bedeutung für (das) Unternehmen“ seien und führte alle Vorteile an, die diese mit sich brächten.
Wie Tesla erstmals den Gemeindevertretern präsentierte, sehen die planerischen Überlegungen bezüglich der Fläche Folgendes vor. (Stand: Dezember 2022)
Wie Tesla erstmals den Gemeindevertretern präsentierte, sehen die planerischen Überlegungen bezüglich der Fläche Folgendes vor. (Stand: Dezember 2022)
© Foto: Janine Richter
„Mit dem Güterbahnhof können wir 1000 Lkw-Fahrten pro Tag von der Straße auf die Schiene holen“, sagte sie. Zudem bräuchte das Unternehmen weitere Lagerflächen, weil Tesla unabhängiger von Störungen in den Lieferketten werden möchte. Dies hätten äußere Faktoren wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg gezeigt. „Der Platz auf dem bisherigen Gelände reicht mit dem Ausbau der Produktion schlicht nicht aus“, sagte Mehnert. Schon jetzt müsse Tesla deshalb Lagerflächen außerhalb des Geländes mieten.
Außerdem, so Mehnert, wolle man die L386 im Norden (siehe Grafik) optimieren, sodass der Verkehrsfluss zwischen der A10, dem neuen Bahnhof Fangschleuse und der L23 „sicherer und flüssiger“ werde.

Einwohner: „Sie vertreten uns nicht mehr“

In der Fragerunde der Einwohner wurde deutlich, dass das Vertrauen in die Pläne und Aussagen Teslas in der Vergangenheit erschüttert worden ist, als beispielsweise aus einer einst geplanten Lagerhalle plötzlich eine Batteriefabrik wurde. Auch zahlreiche Sorgen vor einer Vergiftung des Grundwassers und der Zerstörung von Flora und Fauna durch neue Rodungen waberten durch den Raum. Schließlich hatte es seit Produktionsstart im März auch einige umweltrelevante Schadstoffaustritte und Brände gegeben.
"Wie sicher ist unser Grundwasser in Elon Musks Händen?" – wurde auf Plakaten im Zuschauerraum während der Gemeindevertretersitzung in Grünheide gefragt.
„Wie sicher ist unser Grundwasser in Elon Musks Händen?“ – wurde auf Plakaten im Zuschauerraum während der Gemeindevertretersitzung in Grünheide gefragt.
© Foto: Janine Richter
Doch auch die Kritik an den Gemeindevertretern der SPD-Fraktion, CDU und Linke, nicht mehr Vertreter der Grünheider zu sein, wurde mehrfach formuliert. So beispielsweise Ur-Grünheider Martin Loyda: „Sie vertreten uns vom Gefühl her nicht mehr. Die Abstimmung heute war bezeichnend: Sie plädieren für Nein bei der Bürgerbeteiligung. Das ist sowas von daneben.“ Dem verwehrten sich Gemeindevertretervorsitzende Pamela Eichmann (SPD): „Ich lasse dem Gremium nicht vorwerfen, wir wären nicht demokratisch.“

Bürgerbündnis scheitert mit Vorstoß zur Einwohnerbefragung

Die Fraktion Bürgerbündnis stemmte sich mit Anträgen gegen die Tesla-Erweiterung: Zum einen wollten sie die Tagesordnung um einen Antrag erweitern, der die Durchführung einer amtlichen Einwohnerbefragung der Grünheider zum Ziel hatte, bevor die Erweiterung auf den Weg gebracht wird. Dies scheiterte an der Rechtsauffassung der Kommunalaufsicht des Landkreises, die vor Ort war, und der Gemeindevertretervorsitzenden, da die „Dringlichkeit“ nicht anerkannt wurde. In der GV im Februar könne der Antrag beraten werden.
Zudem scheiterten zwei Anträge, die Beschlussfassung zurückzustellen. Zum einen verlangte Ulrich Kohlmann, die Pläne im Ortsbeirat zu besprechen, weil dieser nicht gehört worden sei, zum anderen wies er darauf hin, dass die Erschließung für weitere B-Pläne im Gebiet des Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) aufgrund der offenen Wasserver- und Abwasserentsorgung nicht gesichert sei. Doch all dies scheiterte an den Mehrheitsverhältnissen, was Kohlmann mit dem Satz kommentierte: „Sie wollen das mit aller Gewalt gegen jeden Sachverstand durchdrücken.“
Fraktionsvorsitzender Thomas Wötzel bedauerte, dass die Chance einer aktiven Bürgerbeteiligung erst „einmal verwirkt wurde“. Aber er hoffe, dass die Bürger jetzt „aufwachen“ und sich mehr in diesem eingeleiteten Bebauungsplanverfahren mit Stellungnahmen engagieren.

Tesla will in Gemeinde Grünheide Steuern zahlen

Tesla, in Person der Grünheider Standort-Manager Alexander Riederer von Paar, gab an, dass bereits 2019 Interesse vonseiten Teslas an dem Grundstück gegenüber der Landesregierung bekundet worden sei. Ob das für weitere Grundstücke gelte, ließ er auf Nachfrage offen. Er sicherte zu, dass „kein relevanter Wasserbedarf durch die Erweiterung entstehen“ werde, Tesla Steuern schon ab 2021 in der Gemeinde Grünheide zahlen sowie das Unternehmen alle Kosten und Folgekosten dieses B-Plan-Verfahrens übernehmen werde – so auch die Kampfmittelbeseitigung. Dies werde in einem städtebaulichen Vertrag mit der Gemeinde geregelt.

Bürgermeister Christiani sieht keine Spaltung der Gemeinde

Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) war sichtlich erleichtert, dass das B-Plan-Verfahren eingeleitet werden konnte: „Ich sehe das als sehr positiv an. Man gibt dem Investor Tesla jetzt die Möglichkeit, der Gemeinde zu beweisen, dass Sachen optimiert werden können“, sagte er mit Blick auf die Verkehrsflüsse. Trotz hitziger Stimmung und großem Protest glaube er nicht, dass das Thema Tesla-Erweiterung in der Gemeinde zu einer Spaltung führe. „Es ist ja keine Entscheidung gefallen, dass Wald gefällt wird, noch andere Baumaßnahmen passieren. Das muss das Planverfahren ergeben“, sagte er am Rande der Sitzung.