Zum zweiten Mal hat ein Team aus Archäologen und Historikern vom Institut für Nationales Gedenken (IPN) aus Poznan Opfer des NS-Arbeitserziehungslagers Schwetig in dem Dorf, das heute Swiecko heißt, gefunden. Zwei Wochen dauerten die Ausgrabungen, vergangene Woche wurden sie beendet. Diesmal wurden 20 Skelette freigelegt, erneut nackt, ohne Textilreste oder Gegenstände, erneut auf dem Terrain des einstigen evangelischen Friedhofs – so wie es einstige Dorfbewohner, aber auch überlebende Häftlingen beschrieben. Denn die Lagerakten selbst sind verschollen. Die Eile und Grausamkeit, mit der die Toten verscharrt worden sind, war noch 75 Jahre später zu erkennen. „In einem Grab lagen sechs Personen eng übereinander geworfen“, erzählt Adam Kaczmarek vom Institut für Nationales Gedenken, der die Suchaktionen leitet. Die anderen lagen allein oder zu zweit in der Erde. Zusammen mit dem Fund der Suchaktion im November 2019 sind nun Gebeine von 41 mutmaßlichen Opfer des Schwetiger Lagers geborgen. Sie sollen in Warschau von Anthropologen untersucht werden.

Rund 2000 Menschen wurden in Schwetig ermordet oder starben an den Haftbedingungen

„Unser Ziel ist, sie zu identifizieren und dem Vergessen zu entreißen“, sagt Adam Kaczmarek. Das ist schwierig. Nur von wenigen Toten des Lagers sind Totenscheine aufgetaucht, die die Lagerverwaltung in Einzelfällen an die Polizei in Frankfurt ausstellte. Von bis zu 2000 Opfern des Lagers gehen Historiker aus. Drei ihm namentlich bekannte polnische Häftlinge, die in verschiedenen Quellen auftauchten, hat Kaczmarek nun im Auge. Sie könnten vielleicht unter den geborgenen Toten sein. „Wir versuchen Familienangehörige ausfindig machen und ihre DNA mit denen der gefundenen Skelette abzugleichen“, sagt er.
Das Lager von Schwetig bestand von 1940 bis 1945 und diente zur Sicherung des Systems Zwangsarbeit, auf dem weite Teile der deutschen Kriegswirtschaft beruhten. Der Frankfurter Gestapo diente Schwetig als erweitertes Polizeigefängnis. Inhaftiert waren vor allem Zwangsarbeiter aus ganz Europa, denen Verstöße vorgeworfen wurden. Mord, Hunger und Folter waren dort an der Tagesordnung, wovon zahlreiche Überlebende berichten, die etwa in den 70er Jahren von einer polnischen Untersuchungskommission zur Aufklärung von NS-Verbrechen interviewt wurden.
Formell gehörte das Lager jedoch zur Reichsautobahndirektion, die die Lagerinsassen zeitweise als Zwangsarbeiter für den Bau der Autobahn nach Posen ausbeutete. Die Trasse verlief, so wie die heutige A2, nur einne Steinwurf vom Lagergelände entfernt. Aber auch viele Frankfurter Unternehmen profitierten von Zwangsarbeitern aus Schwetig. Täglich mussten sie von dem Dorf an der Oder in Kolonnen in Frankfurter Betriebe laufen.
Von den mutmaßlichen Wachleuten des Lagers, die von Überlebenden teils als sadistisch beschrieben werden, hat das Frankfurter Museum Viadrina im Februar ein historisches Foto ersteigert, dass Angehörige der Frankfurter Polizei vor dem Eingang zum Lager zeigt. Zur Verantwortung gezogen wurde nach Kriegsende keiner der Täter.