Wenn sich Dr. Mark Benecke an Tatorten an die Arbeit macht, entwickelt er eine außerordentliche Neugier. Spurensuche ist sein Ding. Wenn er als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger nach bestem Wissen und Gewissen seine Ergebnisse kundtut, kann das sowohl ermittelnden Behörden als auch Rechtsanwälten in die Karten spielen oder eben nicht. Anhand einzelner Beispiele und Fälle ging Benecke am Samstagabend vor seinem Rathenower Publikum insbesondere auf Spuren ein, die Blut hinterlassen kann. Daher der Name des Programms: „Blutspuren“. Kleinste Spritzer können viel über den Tathergang und zeitliche Abläufe verraten.
Optisch sehr schönes „Serratia marcescens“
Als Benecke das Bild eines männlichen Leichnams auf die Leinwand im Theatersaal des Kulturzentrums projizierte, näherte er sich einem Thema, das ihn offenbar besonders reizt. In einem Podcast der Thüringer Allgemeinen wurde Benecke im November 2019 danach gefragt, ob er einen Lieblingskeim hätte. Der Kriminalbiologe bezeichnete daraufhin das „Serratia marcescens“ genannte Blutströpfchen-Bakterium als sehr schön. Denn es erzeuge rote Tropfen.
Wie Benecke nun auch live in Rathenow berichtete, hat dieses Bakterium einst für mutmaßliche Wunder gesorgt. Damit legte er am Samstagabend ungewollt eine Blutspur ins Mittelalter, der BRAWO folgte.
Blutströpfchen-Bakterien sorgten für Wunder
„Serratia marcescens“ hat die Geschichte der katholischen Christenheit nachhaltig beeinflusst. Wie vor 1.000 Jahren ist es in dieser noch heute so, das Priester aus Weizenmehl kleine Brote herstellen, die sodann zum Leib Christi (Hostie) werden (Stichwort: Transsubstantiation / lat. für „Wesensverwandlung“). Es gab noch Mitte des 13. Jahrhunderts Zweifel daran, dass ein Brot tatsächlich der Körper des Heilands sein kann. Als sich 1263 das Wunder von Bolsena (Italien) ereignete, war auch ein dortiger Zweifler, ein böhmischer Priester, eines besseren belehrt. Denn die Hostie blutete wie ein Körper. Der Papst verordnete im Jahr darauf das Fronleichnamsfest für die gesamte Kirche im Westen des Kontinents.
Wunderblutkirche in Bad Wilsnack und Wallfahrtskirche in Buckow bei Nennhausen
Zu Blutwundern dieser Art kam es offenbar auch im Havelland und in der Prignitz. Dass Buckow bei Nennhausen im 15. Jahrhundert zum Wallfahrtsort wegen einer blutenden Hostie wurde, kann dort nur vermutet werden. Derweil verdankt Bad Wilsnack seinen spätmittelalterlichen Aufstieg nachweisbar der Wunderblutkirche, wie St. Nikolai noch heute bezeichnet wird. Aus den Trümmern des 1383 niedergebrannten Vorgängerbaus soll der damalige Priester drei unversehrte Hostien geborgen haben, die Blutflecken aufwiesen. Selbst wenn Experten wie Dr. Mark Benecke es heute wollten, könnten sie die Hostien in Bad Wilsnack nicht auf Blutspuren untersuchen. Denn schon 1552 wurden sie durch den ersten dortigen protestantischen Prediger verbrannt.
Auf Sauerteig keine Blutwunder
Dem mutmaßlichen Wunder kam man im Jahr 1819 auf die Spur. Es wurde durch einen Pharmazeuten im italienischen Padua entdeckt, der das Bakterium noch für einen Pilz hielt und es auf den Namen „Serratia marcescens“ taufte. Sonderbar, dass es in christlich-orthodoxen Gegenden nie zu Blutwundern an Hostien kam, die dort ebenso den Leib Christi verkörpern. Wie man inzwischen weiß, liegt das am Sauerteig, aus dem die orthodoxen Hostien gebacken werden. Anders als auf Oblaten aus Weizenmehl kann sich auf Produkten aus Sauerteig „Serratia marcescens“ nicht entwickeln.
Verstorbener Mann hatte defektes Immunsystem
Sehr wohl aber können die Blutströpchen-Bakterien für Probleme im menschlichen Körper sorgen. Bei dem Fall, über den Dr. Benecke in Rathenow auf „Serratia marcescens“ zu sprechen kam, konnte der Experte nachweisen, dass der verstorbene Mann ein defektes Immunsystem hatte, was eine Vergiftung durch Blutströpchen-Bakterien ermöglichte. Eine winzig kleine Blutspur am Torso hatte Dr. Mark Benecke einst zur kriminalbiologischen Erkenntnis verholfen.