Paco heißt die vierjährige französische Bulldogge, die seit einigen Wochen im Schwedter Tierheim lebt. Der quirlige Rüde wurde von seinen Besitzern abgegeben, über das Warum wird jedoch geschwiegen. Offenkundig ist jedoch, dass Paco Hilfe braucht. Und das in mehrfacher Hinsicht. Denn die Tierschützer sind nicht nur auf der Suche nach einem neuen Zuhause für ihr „Speckböhnchen“, wie sie ihn liebevoll nennen.
Rüde kommt aus einer Qualzucht
Weil Paco aus einer sogenannten Qualzucht kommt, benötigt er medizinische Hilfe. Eine Operation in der kommenden Woche soll ihm sein Leben wieder lebenswerter machen. Eine zu korrigierendes Gaumensegel und eine Vergrößerung der Nasenlöcher sollen dem Tier künftig die Atmung erleichtern. Und so die Voraussetzung schaffen, dass Paco länger als einen kurzen Augenblick seinen Bewegungsdrang ausleben kann, ohne eine lebensbedrohliche Atemnot zu riskieren. Ein Umstand, den viele Besitzer von französischen Bulldoggen kennen, wenn sie ebenfalls ein Tier aus solch einer Qualzucht ihr Eigen nennen.
Große Augen sind anfällig für Grauen Star
Durch die flache Nase und kurze Schnauze haben Französische Bulldoggen oft Schwierigkeiten beim Atmen, leiden häufig unter Atemnot, Überanstrengung und Schnarchen. Die großen hervortretenden Augen sind anfällig für verschiedene Erkrankungen wie Hornhautgeschwüre, das Einrollen der Augenlider und Grauen Star.
Selbst ihr breiter Kopf bereitet in der Zucht Schwierigkeiten bei der natürlichen Geburt. Kaiserschnitte sind längst keine Seltenheit mehr.Dass Paco aufgrund der charakteristischen Rassemerkmale von all den genannten gesundheitlichen Problemen betroffen sein wird, ist nicht gesagt.
Vermittlung erst nach der Operation
„Es bedarf aber der Beobachtung. Wir geben unser Speckböhnchen auch erst nach dem medizinischen Eingriff ab“, erklärt Jasmin Rohde vom Tierheim Schwedt. Allerdings sei eine Vermittlung auch an die Bedingung geknüpft, dass sich die künftigen Besitzer schon etwas mit der Rasse auskennen. „So kann eine ungewollte Überforderung des Hundes besser vermieden werden. Zudem wissen die ‚Kenner‘ um die Eigenarten der Tiere und reagieren entsprechend besonnen.“
Paco selbst ist verträglich mit Katzen, auch mit Artgenossen im Umfeld, allerdings nicht im eigenen Revier, weshalb er als Einzelhund gehalten werden sollte. Ansonsten beschreibt Jasmin Rohde ihn als Sportskanone, die es liebt zu baden, zu spielen und spazieren zu gehen, leider aber noch ständig ausgebremst werden muss, weil es mit seiner Atmung nicht so klappt.
Auch andere Rassen haben hausgemachte gesundheitliche Probleme
„Es ist ja längst nicht allein ein Problem der Französischen Bulldogge“, macht Rohde auf die breit gefächerten Schicksale aufmerksam. „Die Ähnlichkeiten zur Englischen Bulldogge sind unverkennbar, genauso sind Mops und Boston Terrier betroffen“, nennt Rohde weitere Rassen. Dabei merkt die Hundefachfrau aber auch an, dass nicht alle Vertreter dieser Rassen zwangsläufig unter Qualzucht leiden. „Es gibt Züchter, die sich bemühen, gesündere Linien zu züchten und die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere an oberste Stelle setzen.
Beim Kauf eines Hundes ist es ratsam, sich an seriöse Züchter zu wenden, die auf eine verantwortungsvolle Zucht und die Gesundheit ihrer Tiere achten.“Die Qualzuchtpraktiken, die zu gesundheitlichen Problemen führen, sind umstritten und fragwürdig. Es sei wichtig, dass Züchter und Käufer verantwortungsbewusst handeln, indem sie auf die Gesundheit und das Wohlergehen der Hunde achten und sich für Zuchtlinien entscheiden, die auf eine Verbesserung der Rassegesundheit abzielen, so Rohde.
Strenge Gesetze beim Nachbarn Niederlande
Verbote und Einschränkungen von bestimmten Zuchtpraktiken variieren von Land zu Land. Während in Deutschland eher Zuchtverbote „gefährlicher“ Rassen verabschiedet werden, gibt es auch Länder, die bestimmte Formen der Qualzucht ganz oder teilweise verboten haben, darunter auch Norwegen, Schweden, Großbritannien und Australien. Aber auch in direkter Nachbarschaft.
Die Niederlande haben eine der strengsten Gesetzgebungen gegen Qualzucht. „Die Zucht von kurzköpfigen Hunderassen ist verboten. Nach der neuen Vorschrift für Züchtungen muss die Schnauze eines Hundes ab sofort mindestens ein Drittel des Kopfes betragen. Dieses Gesetz trifft somit nicht nur Mops-Züchter, sondern auch die Zucht von Französischer Bulldogge, Boston Terrier, Englische Bulldogge, Shih Tzu, Chihuahua, Pekinese, Boxer oder Amerikanische Bulldogge“, informiert der Bund gegen Missbrauch der Tiere (bmt) auf seiner Webseite und zeigt auf, dass man in Deutschland weiterhin klare bundesweit geltende Zuchtverbote scheut.Tierschutzgesetz mit Lücken
„Der ‚Qualzuchtparagraf‘ im Tierschutzgesetz ist, trotz einer Überarbeitung vor 10 Jahren, zu unbestimmt, sodass für die zuständigen Veterinärbehörden nur ein überaltertes Sachverständigengutachten als Orientierhilfe zur Verfügung steht.“ Aus Sicht des bmt ist es Zeit, dass die Bundesregierung endlich Farbe bekennt und bestimmte Extremzuchten in der Heim- und Nutztierzucht untersagt.
Doch Paco schert sich nicht um Verbote und schlecht überarbeite Gesetze. Für den liebenswerten Rüden zählt das Hier und Jetzt. Er braucht eine neue Familie, die ihm die Zuneigung gibt, die er verdient.
Wer sich dieser Verantwortung stellen und „Speckböhnchen“ zu einem Teil seines Lebens machen möchte, kann sich direkt im Schwedter Tierheim melden.
Kontakt zum Schwedter Tierheim unter 03332 523933