Wenn das Heimatmuseum in der alten Schule von Rathstock bei Seelow am Freitag, 17. März, um 16 Uhr wiedereröffnet wird, dann wird auch ein neues Kapitel der Dorfgeschichte und des Umganges damit beginnen. Schließlich sind knapp 20 Jahre vergangen, seit zum 650-jährigen Bestehen des Dorfes die Festbroschüre erschienen ist und die Ausstellung erstmals gezeigt wurde.

Neue Exponate und Ausstellungsräume

Die nun zum Museum avancierte Heimatstube ist von rührige Mitglieder des 14-köpfigen Heimatvereins Oberes Oderbruchs mit Eberhard Ulrich, Franka Palasik und Torsten Smyrek und Ehrenamtlichen aus der Gemeinde Alt Tucheband bie Seelow um Ortsvorsteher Marco Schulz auf ein neues Niveau gehoben worden. Fast sinnbildlich steht dafür, dass inzwischen auch die obere Etage des einstigen Schul- und Kita-Hauses für die Ausstellung genutzt werden kann. Rund 670 Jahre, die seit der ersten urkundlichen Erwähnung in einer Landschenkungsurkunde des Markgrafen Ludwig am 6. Juni 1354 vergangen sind, brauchen eben auch ihren Platz.

Windfege aus Alt Tucheband

Die Heimatstube hat zahlreiche Exponate, vor allem Geräte zur Bodenbearbeitung und zum Alltag der Landbevölkerung von Helmut Hulitschke bekommen, der das Dorfmuseum Friedrichsaue betreut. „Er hat diese Leihgaben jetzt unserem Museum übertragen“, ist Eberhard Ulrich dankbar. Hinzu gekommen sind auch die Exponate, die lange Zeit in dem baufällig gewordenen „Haus an der Alten Heerstraße“ in Alt Tucheband aufbewahrt worden waren, als es noch Domizil des Seniorenvereins war.
Rathstocker Schulbank: Eberhard Ulrich (l.) und Marco Schulz können zu vielen Lehrern, die dort erwähnt sind, etliche Geschichten erzählen.
Rathstocker Schulbank: Eberhard Ulrich (l.) und Marco Schulz können zu vielen Lehrern, die dort erwähnt sind, etliche Geschichten erzählen.
© Foto: Ulf Grieger
Dazu gehört zum Beispiel die 120 Jahre alter „Windfege“, mit der die Tuchebander einst die Spreu vom Weizen getrennt hatten und die nun das Foyer des Museums dominiert. Alles kommt besser zur Geltung, da die Räume der Kulturerbestätte renoviert wurden. Die größte Herausforderung aber brachte ein Wasserschaden, der sich von einer geplatzten Leitung aus im Haus ausgebreitet hatte und den die Ehrenamtler größtenteils in Eigeninitiative beseitigt haben.
Ein Foto vom Hartmann-Bergzebra: Das Bild hat Eberhard Ulrich selbst bei seiner Reise nach Namibia gemacht, als er auf den Spuren des Afrika-Geografen aus Rathstock war.
Ein Foto vom Hartmann-Bergzebra: Das Bild hat Eberhard Ulrich selbst bei seiner Reise nach Namibia gemacht, als er auf den Spuren des Afrika-Geografen aus Rathstock war.
© Foto: Eberhard Ulrich

Afrika-Forscher hat jetzt eigenes Kabinett

Eberhard Ulrich und der kürzlich verstorbene Klaus Vetter hatten vor 20 Jahren die Namen verdienter Rathstocker Lehrer, Pfarrer und Ärzte zusammengetragen. Und natürlich auch den berühmtesten Rathstocker gebührend gewürdigt: den Afrika-Forscher und Kartografen Dr. Georg Hartmann, dem das namibische Berg-Zebra Entdeckung und Namen verdankt.
Berühmt durch ein Zebra: Wenn das kleine Oderbruchdorf  in wissenschaftliche Beiträgen und Lexika Erwähnung findet, dann meist im Zusammenhang mit dem südwestafrikanischen Bergzebra (lat. Equus zebra hartmannae). Das ist nach dem Rathstocker Dr. Georg Hartmann benannt, der es erstmals wissenschaftlich beschrieben hatte.
Berühmt durch ein Zebra: Wenn das kleine Oderbruchdorf in wissenschaftliche Beiträgen und Lexika Erwähnung findet, dann meist im Zusammenhang mit dem südwestafrikanischen Bergzebra (lat. Equus zebra hartmannae). Das ist nach dem Rathstocker Dr. Georg Hartmann benannt, der es erstmals wissenschaftlich beschrieben hatte.
© Foto: Ulf Grieger
Dr. Hartmann ist auch ein Teil der Ausstellung in der neuen Heimatstube gewidmet, die im schmucken Kabinett in der oberen Etage ihren Platz gefunden hat. Wenn Rathstock in wissenschaftliche Beiträgen und Lexika Erwähnung findet, dann meist im Zusammenhang mit dem südwestafrikanischen Bergzebra (lat. Equus zebra hartmannae). Das ist nach Dr. Georg Hartmann benannt, der es erstmals wissenschaftlich beschrieben hatte. Es gibt mittlerweile wieder etwa 72.000 Hartmann-Bergzebras in Namibia, nachdem sie fast ausgerottet waren.
Ein Schlaglicht auf Hartmann und damit auch auf Rathstock fällt aber auch im Zusammenhang mit dem barbarischen Wüten der kaiserlichen Schutztruppe 1904 unter General Lothar von Trotha gegen die Hereos, Ureinwohner des von deutschen Siedlern, Rohstofffirmen und Handelsgesellschaften beanspruchten Namibia. Nur 15.000 des auf 80.000 Menschen geschätzten Stammes überlebten die Massaker.
In Erinnerung an diesen als ersten Genozid des Jahrhunderts bezeichneten Massenmord hat der Johannisburger Künstler William Kentridge 2005 ganz bewusst das Titelblatt das Hartmannschen Kartenwerks zur Grundlage genommen, um den Weltherrschaftsanspruch Deutschlands zu verdeutlichen.
1908 kaufte Hartmann einen Teil des adligen Gutes von der Familie Sametzki in Rathstock. Er war wissenschaftlich tätig, hielt Vorträge und veröffentlichte viele Schriften auf den Gebieten Staat, Soziologie und Geschichte. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Offizier in Bessarabien, Polen und an der Westfront teil.
Jahrzehntelang war die Erinnerung an Hartmann in Rathstock aus ideologischen Gründen aus dem öffentlichen Gedächtnis getilgt. „Die Älteren sprachen natürlich darüber, vor allem die, die wie Herrmann Tietz mit einem der vier Kinder der Hartmanns befreundet waren“, erzählte der heute 78-jährige Ortschronist Eberhard Ulrich bereits 2008 gegenüber MOZ.de.

Trophäen-Sammlung kam ins Schloss Reitwein und ist verschollen

1991 hatte sich das Ehepaar Bauer aus Grootfontein an Eberhard Ulrich mit der Bitte um Unterstützung gewandt. Bauers, die das dortige Fort-Museum betreuten, wollten mehr über jenen Ort wissen, in dem Georg Hartmann mehr als 30 Jahre lang gelebt hat. Auch wenn Eberhard Ulrich inzwischen viel Material darüber zusammengetragen hat, was Hartmann zwischen 1893 und 1908 in der damaligen deutschen Kolonie getan hat, und sogar die Wirkungsstätten bereist hat, sind viele Fragen offen geblieben: Was veranlasste den damals erst 43-Jährigen und offenbar hochgeachteten Offizier und Abgesandten des Auswärtigen Amtes, nach Deutschland heimzukehren? Wovon lebten Hartmanns in Rathstock? Denn von den Erlösen des nur zehn Hektar großen Restgutes konnte er seine Familie nicht standesgemäß ernähren. „Das Geld hatte seine Frau in die Ehe gebracht. Ihr Vater Adolph Woermann war zu seiner Zeit der größte Privatreeder der Welt. Merkwürdigerweise haben Woermanns den fast 80-jährigen Hartmann nach dem 2. Weltkrieg, als er bei ihr in Hamburg um Zuflucht nachsuchte, nicht unterstützt. So starb Hartmann als Kriegsflüchtling am 12. Juli 1946 in Grammersdorf. Was da vorgefallen ist, wissen wir nicht“, benannte Ulrich ein weiteres Rätsel. Und was ist auch der legendären Trophäen-Sammlung geworden? Als die Familie wegen einer schweren Erkrankung Anna Hartmanns 1939 umzog, war die Sammlung im Schloss Reitwein deponiert worden. Seit Kriegsende fehlt jede Spur.
Rathstock-Museum: Die Tafel am Eingang zur Alten Schule erzählt bereits die Geschichte des Hauses am Park des einstigen Herrenhauses.
Rathstock-Museum: Die Tafel am Eingang zur Alten Schule erzählt bereits die Geschichte des Hauses am Park des einstigen Herrenhauses.
© Foto: Ulf Grieger