Eigentlich wurde der Breitenbachplatz im Südwesten Berlins mal recht herrschaftlich angelegt. Sicherlich würden Menschen dort gerne länger verweilen, wenn nicht ein graues Ungetüm den Platz seit Ende der 1970er Jahre in der Mitte zerschneiden würde.
Die trostlosen breiten Spannbeton-Überführungen, die Autofahrer auf der ehemaligen A104 zwischen Wilmersdorf und Steglitz schneller ans Ziel bringen, sind für Anwohner längst schon nicht mehr nur Ärgernis, sondern Hindernis. Bürgerinitiativen kämpfen seit Jahren dafür, sie zurückzubauen. Die Autobahnbauwerke sind Teil des Steglitzer Abzweigs vom Berliner Ring, der ein paar hundert Meter weiter an der Schildhornstraße in der Nähe der Schlosstraße endet.

Zwei verschiedene Varianten realisierbar

Der Rückbau der Autobahnbrücken über dem Breitenbachplatz sei verkehrlich zu bewältigen, ist das Ergebnis einer aktuellen Machbarkeitsstudie. Mehr als zehn Varianten wurden dabei in den vergangenen Monaten untersucht. Zwei seien als realisierbar eingestuft worden, heißt es aus der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz.
Bei der ersten würde der Verkehr nach dem Abriss der 500 Meter langen, insgesamt vierspurigen Doppelbrücken ebenerdig über den Breitenbachplatz und dann weiterhin durch den Tunnel weiter nördlich unter der Wohnanlage Schlangenbader Straße geführt.
Bei der anderen würde auch diese Tunnelverbindung geschlossen. „Wir wollen die autogerechte Stadt Stück für Stück zurückbauen – und zu einer menschenfreundlichen Stadt umbauen“, sagt Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne). Für sie seien die Brücken am Breitenbachplatz ein besonders drastisches Relikt der autogerechten Stadtplanung.
Ihr Abriss werde den Platz und seine Umgebung enorm verbessern, betont Jarasch. „Es wird mehr Platz gewonnen für Grün, mehr Platz für Kinder, mehr Platz zum Sitzen, Spielen, Draußensein und auch zum Wohnen. Die Menschen können ihren Breitenbachplatz nach fast einem halben Jahrhundert zurückerobern.“
Die ehemalige A104 (links im Bild) führt vom Stadtring über den Breitenbachplatz in die Steglitzer Schildhornstraße. Die Trasse könnte laut einer neuen Machbarkeitsstudie in den kommenden Jahren zurückgebaut werden.
Die ehemalige A104 (links im Bild) führt vom Stadtring über den Breitenbachplatz in die Steglitzer Schildhornstraße. Die Trasse könnte laut einer neuen Machbarkeitsstudie in den kommenden Jahren zurückgebaut werden.
© Foto: Grafik: Jörn Sandner/MOZ
Der Breitenbachplatz an der Grenze der Doppelbezirke Bezirke Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf wurde vor über 100 Jahren von Georg Kuphaldt (1853 – 1938) – der als bedeutendster Gartenarchitekt des Russischen Reiches vor dem Ersten Weltkrieg gilt – als Schmuckplatz angelegt. Seinen heutigen Namen erhielt das Areal 1913 mit der Eröffnung der gleichnamigen U-Bahn-Station zu Ehren des früheren, für die Staatsbahnen zuständigen Ministers Paul Justin von Breitenbach (1850-1930).
Mit der Bahn kamen bis zum Zweiten Weltkrieg viele Berliner, vor allem auch, um im Frühling die berauschende Fliederblüte rund um den Platz zu bewundern und sich dort in Cafés zu treffen.

Breitenbachplatz schon früher interessant für Verkehrsplaner

Rund um den Platz prägen bis heute Bauten des Bauhaus- sowie des Landhausstils das Bild. Eine große Wohnanlage von Hermann Muthesius (1861 – 1927) ist mit zahlreichen Erkern geschmückt. Denkmalgeschützt ist auch die „Ministerialbeamtensiedlung“, die ursprünglich zum Landgut Domäne Dahlem gehörte.
Doch schon die Nazis wollten den Breitenbachplatz für ihre überdimensionierten Verkehrsachsen im Zuge ihrer „Germania“-Pläne opfern. Und auch schon vor ihrer Machtergreifung notierten 1925 Vertreter der Stadtplanungs- und Tiefbauverwaltungen des Magistrats: „Es bestand Einvernehmen darüber, dass der Verkehr über den Breitenbachplatz bald große Bedeutung erreichen werde und es daher notwendig sei, die Umgestaltung des Platzes ohne besondere Rücksicht auf seinen bisherigen Hauptzweck als Schmuckplatz durchzuführen.“
Ein Abriss der Autobahnbrücke am Berliner Breitenbachplatz (Steglitz-Zehlendorf) ist möglich. Das ist das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie der grün geführten Senatsverkehrsverwaltung.
Ein Abriss der Autobahnbrücke am Berliner Breitenbachplatz (Steglitz-Zehlendorf) ist möglich. Das ist das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie der grün geführten Senatsverkehrsverwaltung.
© Foto: Maria Neuendorff
Geplant wurde eine Schnellverkehrsverbindung zum Südwestkorso. Laut Verkehrszählung passierten damals bis zu 1500 Fahrzeuge am Tag den Platz. Heute sind es 15 Mal so viele.
Doch die Pläne zerschlugen sich wieder. In den 1960er-Jahren gab es am Breitenbachplatz, an dem die letzte westberliner elektrische Oberleitungs-Buslinie 32 endete, neben mehreren Lokalen, zwei Banken, Butter Hoffmann, einen Fleischer, eine Drogerie, einen Juwelier, ein Kino und einen beliebten Jazzkeller.

Schon 1980 gab es Proteste gegen die Autobahn

Schon die Einweihung der Autobahn-Brücke am 10. Juni 1980 fand unter Protesten statt. „Die Menschen am Breitenbachplatz haben sich mit dem Monstrum nie abgefunden“, heißt es in einer historischen Broschüre der Initiative Breitenbachplatz, die sich seit 2012 für eine fußgängerfreundliche Umgestaltung starkmacht. „Jene, die es zum ersten Mal mit wachem Blick sehen, fragen sich, ob es sich ,bei der einzigen Autobahn, die direkt in eine Tempo-30-Zone übergeht‘ um einen Schildbürgerstreich handele“, heißt es in dem geschichtlichen Abriss, den man auch im Internet nachlesen kann.
Heute ist der Breitenbachplatz eigentlich nicht viel mehr als eine große Verkehrsinsel. Außer einem sonntäglichen Textil- und Kinderflohmarkt und Boule-Runden gebe es dort keine Veranstaltungen, schreibt die Initiative. „Das liegt nicht nur an der verunglückten Neugestaltung der letzten Jahre, sondern vor allem daran, dass die Betonmassen des Autobahnzubringers dem Platz jeden Charme und damit die Aufenthaltsqualität rauben.“
Mitglieder der Bürgerinitiative, Anwohner, aber auch Architekturstudenten haben sich im Rahmen von Kiezrundgängen und einer Online-Bürgerbeteiligung in den vergangenen Monaten Gedanken darüber gemacht, wie man den Platz und seine Umgebung zukünftig gestalten könnte.
Durch den Abriss entsteht nördlich der Schildhornstraße unter anderem ein 40 bis 50 Meter breiter Streifen mit einer Gesamtfläche von etwa 8500 Quadratmetern. Ein Vorschlag der Bürgerinitiative ist, einen Teil dieser Fläche für den Bau eines Studentenwohnheims zu nutzen. Die Fläche sei groß genug, um gleichzeitig die Grünflächen und Parkanlagen in diesem Abschnitt wesentlich zu erweitern und neu zu gestalten, heißt es.

A104 schon seit 2006 nur noch Autostraße

Sollte auch der Tunnel unter der Wohnanlage „Schlange“ stillgelegt werden, würde dort durch den Abriss der Rampen eine ebenso große Fläche frei werden. Auch dort bevorzugen Anwohner Grünanlagen, um die verbleibenden Betonmassen aufzulockern und den Wohnwert zu verbessern.
Die sogenannte A104 hat ihre Berechtigung als Bundesautobahn schon 2006 verloren. Der rund drei Kilometer lange Ast der A 100 zwischen den Anschlussstellen Mecklenburgische Straße und Schildhornstraße gilt heute offiziell als Autostraße und ist für den Lkw-Verkehr mit gefährlichen Gütern gesperrt.
Wer nach ihrem Abriss im Südwesten der Stadt schneller als 50 fahren will, kommt aber auch über das Dreieck Schöneberg und den Abzweig A103 nach Steglitz, was allerdings mehr Zeit in Anspruch nimmt.

So geht es weiter

Die Ergebnisse der Verkehrs- und Machbarkeitsuntersuchung werden zunächst in den Senat eingebracht. Auch das Abgeordnetenhaus erhält detaillierte Kenntnis. Nach einem entsprechenden Senatsbeschluss können die Planungen zum Rückbau der Brücken starten, das weitere Vorgehen, Zuständigkeiten sowie die Finanzierung werden zwischen den betroffenen Verwaltungen abgestimmt.
Ziel sei es, ein verwaltungsübergreifendes Projektteam zur Entwicklung des Breitenbachplatzes und seiner Umgebung einschließlich der notwendigen Untersuchungen zu bilden, heißt es von der Verkehrsverwaltung. Wie im bisherigen Prozess kooperiere man bei den Planungen eng mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sowie mit den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf.