60 zusätzliche Blitzer für Berlin wurden im Koalitionsvertrag 2021 vereinbart. Trotz Wiederholungswahlen hat das Vorhaben des rot-grün-roten Senats weiter Bestand. „Wir sind jetzt dabei, die Blitzer bis 2026 sukzessive anzuschaffen“, sagt Oliver Woitzik, Hauptkommissar vom Fachstab Verkehr. Allerdings müsse dazu auch jedes Jahr wieder Geld freigegeben werden.
Für 2023 sind im Haushalt die Mittel für erst einmal sieben neue stationäre Anlagen gesichert. „Wir haben dazu schon die Standort-Sondierungen durchgeführt“, berichtet Woitzik.
Neue Blitzer an Unfallschwerpunkten
Anders als in Brandenburg, wo auch die Kommunen selbst Radargeräte aufstellen und betreiben, ist es in der deutschen Hauptstadt einzig die Polizei, die die Blitzer-Orte bestimmt und die Geräte bedient. „Uns geht es dabei alleine um die Verkehrssicherheit, deswegen wählen wir Unfallschwerpunkte und Raser-Hotspots aus“, betont der Landespolizist.
So wird in den kommenden Monaten unter anderem ein neuer Blitzer an der Straße Am Treptower Park in der Nähe der Elsenstraße installiert, wo die B96a quasi zur dreispurigen „Einbahnstraße“ wird und als Raserstrecke bekannt ist. 2021 kam es dort unter anderem zu einem Horror-Unfall, nachdem ein Autofahrer mit Tempo 150 die Gewalt über seinen Wagen verloren hatte. Drei Menschen starben teilweise noch vor Ort an ihren schweren Brandverletzungen.
Aber auch die Bundesstraße 2 in Höhe der Stadtrandsiedlung Malchow, auf der ein 81-jähriger Fahrradfahrer von einem Auto tödlich erfasst wurde, wird als künftiger Standort für einen neuen stationären Blitzer gehandelt. Weitere stationäre Radarmessgeräte sind am Sterndamm in Treptow sowie am Blumberger Damm in Marzahn-Hellersdorf geplant.
Auch auf dem Kurfürstendamm, auf dem schon eine ständige Anlage in Höhe Lehniner Platz Autofahrer fotografiert, die zu schnell unterwegs sind, wolle man noch eine zweite Anlage in die Gegenrichtung errichten, so Woitzik. „Über den genauen Standort müssen wir uns aber noch mit dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf abstimmen.“
Denkmalschutz und fehlende Stromanschlüsse
Beim Installieren neuer Anlagen muss die Polizei häufig nicht nur Denkmalschutz-Belange beachten, sondern auch geeignete Stromanschlüsse finden. Derzeit gibt es in Berlin 36 stationäre Anlagen, 21 mobile Radarwagen und sechs Messanhänger.
Letztere, die sogenannten Enforce-Trailer, kosten mit rund 200.000 Euro in der Anschaffung etwa das Doppelte wie ein stationärer Blitzer, gelten aber als sehr effektiv. Denn sie lassen sich auch mal eine Zeit lang aufstellen, ohne dass die Polizei, wie zum Beispiel bei der Laser-Schwerpunktkontrolle, zusätzlich Personal bereitstellen muss.
Raser müssen wegen Verjährung keine Bußgelder zahlen
Denn mit dem Personal ist es so eine Sache in Berlin. Um die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen und alle alten und neuen Geräte regelmäßig zu betreiben, fehlten derzeit rund 200 Mitarbeiter, heißt es in dem Fachbereich Verkehr. „In der Bußgeldstelle kommt man aufgrund Personalmangels und der nostalgischen Technik, die immer mal ganz gern die Beine hochlegt, jetzt schon bei der Abarbeitung kaum hinterher“, betont auch Benjamin Jendro, Sprecher der Polizeigewerkschaft GdP im Landesbezirk Berlin.
So mussten alleine vom 1. Januar bis zum 30. September 2022 rund 20.000 Verfahren im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsverstößen eingestellt werden. Dem Land Berlin entgingen dadurch Einnahmen in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro. Die Zahlen gehen aus einer schriftlichen Antwort der Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport auf eine Anfrage der Grünen vom vergangenen November hervor.
Denn zwischen Tattag und Zustellung des Bußgeldbescheids dürfen nicht mehr als drei Monate liegen, sonst gilt die Sache rechtlich als „verjährt“. Trotz der Personalnot wurden in den ersten zehn Monaten des vergangenen Jahres aber insgesamt 692.675 Bußgeldbescheide noch rechtzeitig verschickt und bescherten der Stadt Einnahmen von rund 25 Millionen Euro. Laut Innenverwaltung rechnet der Senat in diesem Jahr sogar mit rund 81 Millionen Euro, die durch Verwarngelder und Bußgeldbescheide wegen zu schnellen Fahrens in die Landes-Kasse gespült werden.
Mit Tempo 120 über die Frankfurter Allee
Die größte Geschwindigkeitsübertretung wurde im genannten Zeitraum auf der Avus mit 186 km/h gemessen, obwohl dort nur 80 erlaubt sind. Aber auch auf dem Adlergestell, dem Mehringdamm und der Frankfurter Allee, wo Tempo 50 herrscht, waren Autofahrer mit Geschwindigkeiten bis um die 120 km/h und mehr unterwegs.
Am meisten mobil geblitzt wurde vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Oktober 2022 im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf (348 Mal), gefolgt von Mitte (312), wo mit 196 Einsätzen auch verhältnismäßig viele Geschwindigkeitskontrollen in Tempo-30-Zonen zum Beispiel vor Schulen stattfinden. Auf den unteren Rängen liegen dagegen Lichtenberg mit insgesamt 84 und Marzahn-Hellersdorf mit 125 Blitzer-Einsätzen.
Dabei waren die mobilen Messgeräte viel effektiver und erwischten durchschnittlich 2.491 Verkehrssünder am Tag, während bei stationären Anlagen durchschnittlich 833 Verkehrsverstöße pro Tag gezählt wurden.
„Der nachhaltige Effekt bei den stationären Anlagen ist nur von kurzer Dauer“, erklärt Woitzik. Denn wenn sich ein Standort erst einmal herumgesprochen und in den Köpfen verfestigt habe, gingen die Autofahrer häufig 20 Meter vor dem Blitzer auf die Bremse und treten nach 50 Metern wieder auf Gas.
75 Euro Strafe für das Nutzen einer Blitzer-Warn-App
Eine Blitzer-Warn-App zu benutzen, sei allerdings verboten, so der Verkehrsfachmann. „Wenn wir das mitbekommen, kostet das 75 Euro und einen Punkt in Flensburg.“ Doch es gibt auch Beispiele, wo stationäre Anlagen langfristig die Verkehrssicherheit sowie den Verkehrsfluss erhöhen.
Im Flughafentunnel zum BER zum Beispiel seien jährlich rund 20 Autofahrer mit überhöhter Geschwindigkeit gegen die Tunnelmauer gecrasht. Häufig kam es nach den Unfällen zu zwei bis dreistündigen Totalsperrungen. „Nachdem wir dort einen festen Blitzer installiert haben, kommt es nicht mehr zu derartigen Unfällen“, berichtet Woitzik. „So konnten wir uns sogar erlauben, das Tempolimit in der Kurve von 40 auf 60 Km/h anzuheben, und der Verkehr fließt jetzt sogar besser.“