Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnt stationäre Kontrollen durch die Bundespolizei an den Grenzen zu Polen und Tschechien zum jetzigen Zeitpunkt ab. Eine entsprechende Forderung hatten die Innenminister von Brandenburg und Sachsen, Michael Stübgen und Armin Schuster (beide CDU), in einem Schreiben an Faeser formuliert.
Im Antwortschreiben aus Berlin heißt es, die Einführung von Binnengrenzkontrollen setze die ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und der inneren Ordnung voraus. Während die Ministerin das an der deutsch-österreichischen Grenze für gegeben ansieht, sei ihrer Einschätzung nach die Zahl der illegalen Grenzübertritte an der Grenze zu Tschechien rückläufig und in Bezug auf die polnische Grenze stark schwankend. Die SPD-Politikerin verweist darauf, dass die Zahl der Bundespolizisten in Ostdeutschland erhöht wurde und verstärkt Schleierfahndungen durchgeführt werden.
Laut Polizeigewerkschaft ist die Situation außer Kontrolle
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Bundespolizei (DPolG), Heiko Teggatz, erklärte am Dienstag (23.05.) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit CDU-Fraktionschef Jan Redmann, dass nur mit den entsprechenden Maßnahmen die Kontrolle über die Situation zurückgewonnen werden könne. Die, so der Gewerkschafter, sei zurzeit völlig verloren gegangen. Obwohl die Bundespolizei mit einer zusätzlichen Hundertschaft an ihren Standorten in Angermünde, Frankfurt (Oder) und Forst unterwegs ist, sei es rechtlich nicht möglich, illegal Einreisenden an der Grenze den Zutritt zu verweigern oder, wenn sie hinter der Grenze aufgegriffen werden, sie wieder zurückzuschieben. Dafür müsste Faeser die EU informieren, dass auch an dieser Grenze Binnengrenzkontrollen innerhalb des Schengenraumes wieder aufgenommen werden. So wie es Frankreich und andere europäische Länder auch getan haben. Es gehe nicht um Schlagbäume, sondern um eine Kombination aus stationären Grenzkontrollen und Schleierfahndungen, betonte der Polizeibeamte.
Aktuell sei die Bundespolizei laut Teggatz nur ein „besseres Transportunternehmen“, das selbst Personen mit einer Einreisesperre nicht die Einreise verwehren dürfe. Sie müssen nach jetziger Rechtslage von der Bundespolizei in die Erstaufnahme begleitet werden, wo sie erneut ins Aufnahmesystem kommen. Redmann sprach gar von einem uniformierten Begrüßungskommando.
Ostroute nimmt wieder an Bedeutung zu
Der CDU-Politiker berichtete, dass nach Zahlen des brandenburgischen Innenministeriums allein am vergangenen Wochenende mehr als 100 illegal Einreisende aufgegriffen wurden. Laut Teggatz ist aktuell eine verstärkte Wiederbelebung der sogenannten Ost-Flüchtlingsroute über Russland und Belarus zu verzeichnen. Aktuell untersuche die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex, welche Staaten darüber noch an den entsprechenden Schleusungen beteiligt sind.
SPD sieht keine Voraussetzungen für verstärkte Kontrollen
SPD-Fraktionschef Daniel Keller lehnte die Forderung der CDU und der Gewerkschaft ab. Er teilte die Ansicht der Bundesinnenministerin, dass verschärfte Grenzkontrollen derzeit noch nicht erforderlich seien. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) müsse sich fragen lassen, ob er mit den polnischen Nachbarn überhaupt schon über die Konsequenzen gesprochen habe, wenn die Bundespolizei Flüchtlinge zurück nach Polen bringt. Keller warf dem Koalitionspartner vor, auf schnelle Schlagzeiten aus zu sein. Außerdem seien bei Grenzkontrollen Beeinträchtigungen der Pendelströme zu befürchten. Petra Budke, Fraktionschef der Grünen im Landtag, äußerte sich ähnlich wie Keller.
Stübgen geht auf Konfrontationskurs zu Faeser
Innenminister Stübgen meldete sich kurz darauf mit einer Pressemitteilung zu Wort. Darin schreibt er, dass er kein Verständnis für die Sicht der Bundesinnenministerin habe. Tag für Tag greife die Bundespolizei dutzende illegal eingereiste Personen auf. „Viele von ihnen würden gezielt vom russischen Regime über die Route Belarus und Polen geschleust, um unser Land zu destabilisieren. Bleibt es bei den aktuellen Zugangszahlen, müssen wir bis zum Jahresende in Brandenburg mit über 10.000 illegalen Einreisen rechnen“, heißt es in der Pressemitteilung. Aber anders als in Bayern, wo jedes Jahr tausende Personen zurückgewiesen werden, seien der Bundespolizei an der Grenze zu Polen die Hände gebunden. Das, so Stübgen, sei er nicht bereit, hinzunehmen.