Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnt stationäre Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze weiter ab. Sie hatte sich am Dienstag mit einem Kollegen aus dem polnischen Innenministerium im Gemeinsamen Zentrum der Deutsch-Polnischen Polizeizusammenarbeit am Grenzübergang in Świecko bei Frankfurt (Oder)/Słubice getroffen. Thema war das seit Jahresbeginn steigende Migrationsgeschehen über die sogenannte Belarus-Route.
Sachsen und Brandenburg fordern deswegen stationäre Grenzkontrollen. Faeser sprach mit Innen-Staatssekretär Bartosz Grodecki, der für grenzüberschreitende Kooperation zwischen Deutschland und Polen zuständig ist, der Innenminister Mariusz Kamiński selbst nahm nicht teil.

Deutschland und Polen wollen Verstärkung an gemeinsame Grenze schicken

Wie Faeser und Grodecki nach dem Gespräch vor den Mikrofonen mitteilten, sollen Kontrollmaßnahmen an der gemeinsamen Grenze intensiviert werden – so sollen mehr gemeinsame Streifen der Bundespolizei und des polnischen Grenzschutzes sowie Kontrollen in Zügen stattfinden. Außerdem solle das Personal in gemeinsamen Büros so wie in Świecko, sowie der Informationsaustausch bei Ermittlungen verstärkt werden. „Für die Rückkehr zu regulären Grenzkontrollen sehe man angesichts der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit der Polizeien und Grenzschutzdienste keine Grundlage“, hieß es in einer später auf dem Twitter-Kanal des polnischen Innenministeriums veröffentlichten gemeinsamen Erklärung beider Seiten.
Faeser kündigte an, das Personal der Bundespolizei in der deutsch-polnische Grenzregion zu verstärken. Auf die Frage, in welchem Umfang es denn personelle Verstärkung geben soll, sagte die Innenministerin „mehrere Hundertschaften“.
Gewerkschafter der Bundespolizei zu stationären Grenzkontrollen
Flüchtlinge an Grenze zu Polen
Gewerkschafter der Bundespolizei zu stationären Grenzkontrollen
INTERVIEW
Frankfurt (Oder)
Sachsens Innenminister, Armin Schuster (CDU), der ebenfalls an dem Treffen teilnahm, hatte für stationäre Grenzkontrollen plädiert. Doch die wollten weder Faeser noch Grodecki einführen. „Ich habe den polnischen Freunden gesagt, dass es keine konfrontative Idee ist, dass wir die Grenzkontrollen gemeinsam machen müssen.“ Schuster hatte für stationäre Grenzkontrollen geworben, wie sie an der bayerisch-österreichischen Grenze stattfinden. „Unsere Polizei beherrscht das dort sehr gut. Es ist ja keine Vollkontrolle, sondern Verdachtsfälle werden angehalten und zurückgewiesen, etwa, wenn Menschen ohne Papiere in ein anderes EU-Land reisen wollten oder bereits ein Asylverfahren in einem EU-Land begonnen hätten“, erklärte Schuster.

Brandenburger Innenministerium rechnet mit 10.000 Flüchtlingen in diesem Jahr

Brandenburgs Innen-Staatssekretär Markus Grünewald ist der Meinung, man habe zwischen Brandenburg und Polen dieselbe Situation, in der 2015 zwischen Bayern und Österreich stationäre Grenzkontrollen eingeführt worden waren. Er rechne mit 10.000 irregulären Migranten und Asylsuchenden, die in diesem Jahr über die Brandenburger Erstaufnahme gehen würden.
Polizei fordert Kontrollen an Grenzen zu Polen und Tschechien
Flüchtlinge in Brandenburg
Polizei fordert Kontrollen an Grenzen zu Polen und Tschechien
Potsdam
Innenministerin Nancy Faeser verwies hingegen auf die Grenze zu Tschechien, wo jüngste personelle Verstärkung positive Effekte gezeitigt hätten. „Personelle Verstärkung hilft viel mehr als stationäre Kontrollen, um dem Migrationsdruck entgegen zu treten“, sagte die SPD-Ministerin. Zudem bestehe zwischen Deutschland und Polen viel mehr grenzüberschreitender Handelsverkehr und Austausch, der durch stationäre Kontrollen gestört würde. Sie sei Sachsen dankbar, dass es die Forderung nun nicht mehr aufrechterhalte.

Polizei-Gewerkschafter: Feste Grenzkontrollen helfen Schleusern

Vertreter der Gewerkschaft für Bundespolizei und Zoll (GdP) sehen stationäre Kontrollen ebenfalls skeptisch. GdP-Gewerkschafter Lars Wendland sagte, professionelle Schleuser würde stationäre Kontrollen in kürzester Zeit umgehen. Es gebe auch starke Verdrängungseffekte durch die Kontrollmaßnahmen in Österreich. Ähnlich äußerte sich der GdP-Vorsitzende Andreas Roßkopf. Im rbb-Inforadio bezeichnete er zudem die Lage an den Grenzen als besorgniserregend. Die Grenze nach Österreich bleibe aber der „Hotspot“, so Roßkopf.

Am Grenzzaun zu Belarus harren seit Tagen Familien mit Kleinkindern aus

Wie der polnische Grenzschutz auf Nachfrage mitteilt, hat es in diesem Jahr bereits rund 10.000 Versuche gegeben, die Grenze aus Belarus nach Polen ohne Einreisepapiere zu überschreiten. Das heißt jedoch nicht, dass es 10.000 Personen sind, denn oft versucht eine Person mehrfach die Grenze zu überqueren. Tatsächlich Asyl in Polen beantragt hätten seit Jahresbeginn lediglich 222 illegal eingereiste Migranten, so die Sprecherin des Grenzschutzes.
In den vergangenen Tagen machen in polnischen Medien neue Berichte und Bilder die Runde, wonach seit Tagen mehrere Familien mit Kleinkindern aus Syrien, dem Irak und Kongo am neu errichteten Grenzzaun stehen und explizit um Schutz ersuchten, damit jedoch von den dort wachenden polnischen Beamten ignoriert würden. Von belarusischer Seite würde sie von Miliz mit Hunden bedrängt. In dem Fall hat sich inzwischen der Menschenrechtsbeauftragte der polnischen Regierung eingeschaltet.