Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht nach dem Flüchtlingsgipfel die Forderungen der Länder bei der Finanzierung noch nicht erfüllt. Das sagte er laut Mitteilung am Mittwochabend nach dem Treffen im Kanzleramt. Die Bund-Länder-Beschlüsse bezeichnete er zugleich als „weiteren Zwischenschritt zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik in Deutschland“.
Woidke unterrichtete am Donnerstag die brandenburgischen Landräte und Oberbürgermeistern in einer Telefonkonferenz über die Ergebnisse in einer Telefonkonferenz. Er kündigte ein weiteres Treffen mit der kommunalen Ebene an, um kurzfristige Maßnahmen zu bereden.

Eine Milliarde Euro zusätzlich

Es sei ein gutes Zeichen, dass der Bund den Ländern für dieses Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung stellen werde, sagte der Regierungschef. Brandenburg werde die auf das Land entfallenden etwa 30 Millionen Euro nutzen, um die Kommunen weiter zu entlasten. „Die Länderforderungen sind damit noch nicht erfüllt. Dieser Betrag muss fortlaufend auf den Prüfstand.“
Der Bund hatte bei dem Treffen am Mittwochabend eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll aber zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten und erst im November entschieden werden. Mit der Milliarde sollen die Länder dabei unterstützt werden, ihre Kommunen zusätzlich zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren.

Konsequentere Abschiebung

Der Bund hatte zuvor bereits 1,5 Milliarden Euro für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in diesem Jahr zugesagt sowie 1,25 Milliarden Euro für andere Geflüchtete. Nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verständigten sich Bund und Länder unter anderem auch darauf, die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage zu verlängern, um Abschiebungen konsequenter durchzusetzen. Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt hielten in einer Protokollerklärung Vorbehalte gegenüber den Ergebnissen fest.
Woidke erklärte, neben den finanziellen Aspekten ging es um eine stärkere Steuerung des Zugangs von Geflüchteten, eine bessere Verteilung und die Regeln für geordnete Migration. Brandenburgs Ministerpräsident sprach sich erneut für die Rückführung von Menschen aus, die kein Bleiberecht haben, und für die Anerkennung weiterer Staaten als sichere Herkunftsländer.

Arbeitsermöglichen für geduldete Flüchtlinge

Die konsequente Rückführung sei entscheidend für die Akzeptanz der Integration. Vor allem Länder, die eine Aufnahmeperspektive in die Europäische Union haben, müssen Flüchtlinge zurücknehmen, forderte Woidke. Andererseits müssten Menschen, die mit Bleiberecht hier leben, „dringend die Möglichkeit bekommen, arbeiten zu können. Das wollen die meisten von ihnen und damit ihr Leben selbst finanzieren. Diese Arbeitskräfte brauchen wir dringend. Arbeit ist der beste Weg für Integration.“ So konnten bis Oktober 2022 insgesamt rund 4.200 Ukrainerinnen und Ukrainer in Arbeit gebracht werden. Aus anderen Herkunftsländern arbeiteten zur selben Zeit rund 9.450 Menschen in Brandenburg. In einer Erklärung im Landtag sagte der Regierungschef, dass Menschen, die vor Krieg flüchten und nach Deutschland kommen, keine Gefahr für das Land darstellen, wohl aber Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus.
Die Linke im brandenburgischen Landtag forderte einen Paradigmenwechsel im Umgang mit geduldeten Flüchtlingen. Sie sollten einen leichteren Zugang zu Arbeitserlaubnissen erhalten. „Das Chancen-Aufenthaltsrecht sollten auch Menschen nutzen können, die seit drei Jahren geduldet sind oder mit Aufenthaltsgestattung als Asylbewerber in Deutschland leben“, hieß es in einem entsprechenden Antrag. Fraktionschef Sebastian Walter warf Woidke vor, mit der Forderung nach einer Stärkung der europäischen Ausgrenze sich von den Grundlagen der Asylpolitik zu verabschieden.

Kritik von den Kommunen

Bei den Kommunen und bei der Opposition im Bundestag stießen die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels auf Kritik. „Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stößt bei den Kommunen auf große Enttäuschung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Er äußerte sich mit Blick darauf, dass eine dauerhafte Lösung zur Finanzierung der Flüchtlingsunterbringung auf den Herbst vertagt worden war. „Das ist ein schlechtes Signal an die Städte“, sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der Zeitung. Brandenburgs Innenminister zeigte am Donnerstag (11. 05) Verständnis für die Unzufriedenheit der Kommunen mit den Gipfelergebnissen. „Was wir jetzt brauchen, ist schnelles und entschlossenes Handeln. Grenzkontrollen einführen, die Zurückweisungen ermöglichen. Rücknahmeabkommen mit Herkunftsländern erzwingen, notfalls durch die Kürzung der Entwicklungshilfe, damit Abschiebungen möglich werden“, forderte er in einer Pressemitteilung. Außerdem sollten Bauverfahren vereinfacht werden, damit schneller neue Unterkünfte geschaffen werden können.
AfD-Fraktionsvorsitzender Hans-Christoph Berndt warf Regierungschef Woidke im Landtag Versagen vor. Die Zusage des Bundes über eine Milliarde Euro reiche bei weitem nicht aus.
„Mit einer Vertagung drängender Probleme können die Landkreise nicht wirklich zufrieden sein“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Vertreter der Kommunen waren zu dem Treffen nicht eingeladen worden.