Brandenburg führt drei Jahre nach der Abschaffung sämtlicher Waffen für Bedienstete in den Gefängnissen wieder Stöcke für bestimmte Einsatzteams ein, um die Sicherheit zu erhöhen. „Neue gesellschaftliche Herausforderungen wie etwa eine allgemein zunehmende Gewaltbereitschaft sowie das verstärkte Aufkommen synthetischer Drogen wirken sich auch auf den Justizvollzug aus“, teilte Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) am Dienstag zur Begründung mit. Sicherheit und Ordnung seien unabdingbar, um Strafgefangene zu resozialisieren und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Der Einsatz von Stöcken stößt allerdings auf Bedenken auch innerhalb der rot-schwarz-grünen Koalition.
Zunahme an Körperverletzungen
Das Ministerium verweist auf eine steigende Gewaltbereitschaft der Gefangenen. Die Körperverletzungen der Gefangenen untereinander nahmen demnach von 2014 bis 2019 von 51 auf 74 zu. Tätlichkeiten gegen Bedienstete im Justizvollzug stiegen im gleichen Zeitraum von 6 auf 13. Die Strafanzeigen gegen Gefangene oder Dritte wegen des Verdachts auf Drogendelikte nahmen von 36 im Jahr 2014 auf 86 im Jahr 2019 zu - diese Zahlen schwanken allerdings. Die Belegung der Gefängnisse ging jedoch im Durchschnitt von 1417 im Jahr 2014 auf 1306 im Jahr 2019 zurück - also um fast zehn Prozent.
Ein Teil der Beschäftigten soll deshalb wieder sogenannte Einsatzstöcke erhalten. Das neue Sicherheitskonzept für die vier Justizvollzugsanstalten sieht vor, dass es mehr Einsatzgruppen mit speziell für den Konfliktfall ausgebildeten Bediensteten geben soll. Diese Gruppen sollen die Einsatzstöcke tragen. Hintergrund sei die steigende Zahl gefährlicher und gewaltbereiter Gefangener, teilte das Justizministerium am Dienstag mit.
Körperschutzanzüge und Helme für Einsatzgruppen
Das Konzept sei in der vergangenen Woche in Kraft gesetzt worden. Es beinhalte auch neue Körperschutzanzüge und Helme für die Einsatzgruppen, die im Wesentlichen schon beschafft seien. Vorgesehen sind zudem sogenannte Sicherheitsstationen für gefährliche und gewaltbereite Gefangene, der Einsatz von Rauschgift- und Handyspürhunden sowie von Detektionsgeräten für psychoaktive Substanzen.
Den Angaben zufolge untersagt Brandenburg als einziges Bundesland Waffen im Justizvollzug. 2017 waren Schusswaffen abgeschafft worden, 2018 auch Hiebwaffen. Von 2009 bis 2019 stellte die Linke den Justizminister. Linksfraktionschef Sebastian Walter warf der ehemaligen Generalstaatsanwältin Hoffmann ein populistisches Wahlkampfmanöver vor. „Es ist mitnichten so, dass die Gewalt steigt in den Justizvollzugsanstalten“, sagte Walter. „Es ist so, dass (…) die psychischen Erkrankungen steigen. Die bekämpfe ich ganz sicher nicht mit einem Knüppel in der Hand.“
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke zeigte sich ebenfalls skeptisch. „Das Thema Schlagstöcke ist von der Belegschaft schon lange gewünscht worden“, sagte er. „Da bin ich aber überaus skeptisch, ob wir das tatsächlich brauchen.“ In Brandenburg gebe es ein vorbildliches Justizvollzugssystem mit einem sehr starken Ansatz zur Resozialisierung. Positiv am Sicherheitskonzept sei aber, dass die Einsatzteams geschult werden sollen.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Redmann verteidigte das Konzept gegen Kritik. Brandenburg sei das einzige Bundesland, in dem die Bediensteten der Gefängnisse keine Verteidigungsmöglichkeit hätten. Auch die AfD-Fraktion hält den Einsatz von Schlagstöcken für sinnvoll, damit sich die Justizvollzugsangestellten wehren können. „Im Zweifel muss man auch über die Einführung von Schusswaffen diskutieren“, sagte die Abgeordnete Lena Duggen. Der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler, Péter Vida, vermutet auch Wahlkampf: „Es ist schon auffällig, dass diese Maßnahmen so kurz vor der Bundestagswahl verkündet werden.“