Der Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg für das Jahr 2021 spricht Klartext: „Mit Blick auf die Einwohnerzahl kommt aus Brandenburg die wohl umtriebigste rechtsextremistische Hassmusik(er)szene Deutschlands.“ Über Musik kommt schließlich schnell der Kontakt zu Gleichgesinnten. Oder?
In Brandenburg trifft sich Deutschlands Rechtsrock-Szene. Die Zahl an Rechtsrock-Bands ist hoch und die Szene findet hier eine breite Vertriebsstruktur vor. Die auf lokaler und nationaler Ebene gut vernetzten Musiklabels sorgen unablässig für Tonträger-Nachschub. Die Wurzeln dieser Infrastruktur reichen viele Jahrzehnte zurück.

Rechtsrock in Brandenburg seit den 90ern präsent

„In den 90er Jahren erlebte der Rechtsrock in Brandenburg seine Hochphase. Das Publikum dafür gab es schon zu DDR-Zeiten. Mit den rassistischen und nationalistischen Tendenzen der Nachwendejahre hat sich das vervielfacht. Dieses Publikum wurde damals schnell von Akteuren der internationalen Rechtsrock-Szene und den entsprechenden Vertretern aus den alten Bundesländern bespielt“, sagt Christoph Schulze, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Rechtsextremismusforschung am Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam. „In den 2000er-Jahren professionalisierte sich das Ganze. Aus den ostdeutschen Hörern und Fans sind selbst Produzenten geworden. Die Szene hat sich auch stilistisch für andere Musikrichtungen geöffnet.“
Kann in dem Zusammenhang überhaupt noch von „Rechtsrock“ gesprochen werden? „Ja, es wird weiterhin hauptsächlich Rockmusik gehört. Es gab einige Interpreten, die sich in den Richtungen Heavy Metal und Rap versuchten, aber die sind eher als Randphänomen zu betrachten“, so Christoph Schulze.
Die Behörde geht gegen diese Akteure vor. „Das brandenburgische LKA ist seit mehreren Jahren die bundesweit aktivste Polizeidienststelle im Bereich der Indizierungen von jugendgefährdenden Tonträgern. Das belegen die bislang über 1100 Tonträger, die in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen worden sind“, sagt Josefin Roggenbuck, Sprecherin des brandenburgischen Innenministeriums.

Musik erhält für Rechtsextremismus in Brandenburg neue Funktion

Im neuen Jahrtausend habe sich die Szene in Brandenburg immer weiter kommerzialisiert: Bekleidungsmarken wie „Thor Steinar“ und „Black Legion Wear“ wurden gegründet, ein Versandhandel aufgebaut, die professionelle Vermarktung der Musik begann. Diese Entwicklung veränderte auch das Wesen der Szene. „In den 90er-Jahren handelte es sich hier um eine Jugendkultur. Die Musik einzusetzen, um junge Menschen anzuziehen, funktioniert heute weniger. Es geht eher darum, der erwachsenen Klientel weiterhin ein musikalisches Angebot zu machen, dem sie seit ihrer Jugendphase treu geblieben sind“, erklärt Christoph Schulze.
In den zeitgenössischen rechtspolitischen Bewegungen, unter anderem in der Querdenker-Szene, werden neonazistische Tendenzen verdeckt gehalten. Der Rechtsrock biete ein Refugium diese Haltungen auszuleben, so Christoph Schulze. „Das Landeskriminalamt des Landes Brandenburg erfasste für das Jahr 2019 insgesamt 21 rechtsextremistische Konzerte“, sagt Stefanie Klaus, Sprecherin der Polizei Brandenburg. Drei dieser Veranstaltungen wurden durch die Polizei verboten und fanden nicht statt. Im Jahr 2020 wurden sechs geplante Konzerte registriert; fünf wurden durchgeführt. Es gab keine aufgelösten Veranstaltungen.

Konzerte in Sachsen statt in Brandenburg?

2019 fanden in Sachsen 24 Konzerte, 22 Liederabende und 27 weitere rechtsextremistische Musikveranstaltungen statt. Ein Jahr später waren es 14 Konzerte, elf Liederabende und elf sonstige Events. Der Großteil davon fand in Torgau, Riesa und Staupitz statt.
Ein Mann hebt die Arme zur Musik, die auf der Bühne des Rechtsrockfestivals "Schild und Schwert" 2018 in Ostritz gespielt wird. Dort traten unter anderem die Brandenburger Band "Sons of Odin" sowie die Gruppe "Die Lunikoff-Verschwörung", ein Nachfolgeprojekt der Berlin-Brandenburger Gruppierung "Landser", auf.
Ein Mann hebt die Arme zur Musik, die auf der Bühne des Rechtsrockfestivals „Schild und Schwert“ 2018 in Ostritz gespielt wird. Dort traten unter anderem die Brandenburger Band „Sons of Odin“ sowie die Gruppe „Die Lunikoff-Verschwörung“, ein Nachfolgeprojekt der Berlin-Brandenburger Gruppierung „Landser“, auf.
© Foto: Daniel Schäfer/dpa
Die Corona-Pandemie habe in Brandenburg auch den Rechtsrock-Konzertbetrieb stark eingeschränkt, so Christoph Schulze. Einen weiteren Grund führt der brandenburgische Verfassungsschutzbericht von 2020 an: „Brandenburg ist mit seinen Bands, Liedermachern und Labels quasi zentraler Taktgeber für das Hassmusik-Geschehen, während Sachsen die Locations stellt.”

Nazi Musik: Die meisten indizierten Tonträger in Brandenburg

Welche Rock-Bands vom brandenburgischen Innenministerium als rechtsextremistisch eingestuft werden, sehen Sie in der folgenden Karte:

Bands und Musiker in Brandenburg mit rechtsextremistischen Inhalten

Rock/Hardrock (blau in der Karte): Aryan Brotherhood, Confident of Victory, Die Weißen Jäger, Exempel, Exzess, Frontfeuer, Frontalkraft, Feuer Frei, Handstreich, Hassgesang, Hausmannskost, Jungvolk, Preussen Standarte, Oldchool Rockerz, Raritäten, Senfheads, Skindogs, Skrew You, SPN-S, Stahlhelm, Stonehammer, Sons of Odin, Sturm und Drang, Tätervolk, Uwocaust, Volkstroi, Weor, Wolfskraft, Wutbürger
Hardcore (schwarz): Burn Down, Outlaw
Liedermacher (grün): AK – Solingen, Anna, Annett, Björn, Brenner, Fylgien, Griffin, Hotte, Jörg Hähnel, Martin, Der M., Paladin, Paul, Son of the Wind, Sten
Rap/Hip-Hop (rot-orange): Bloody 32, Natürlich, Rapvolution
Black Metal (grau): Division Hagal, Mogon
„Auch wenn nicht jeder Bürger all diese Namen kennt, so erschließt sich aufmerksamen Hörern in der Regel doch recht schnell, ob entsprechende Musik gespielt wird, da die Texte meistens einschlägig sind”, so Josefin Roggenbuck. „Wenn Lieder mit strafbaren Inhalten öffentlich wiedergegeben werden, sollte immer die Polizei eingeschaltet werden. Im Zweifelsfall kann sich jeder auch vertraulich an den Verfassungsschutz wenden.“
Dieser Beitrag ist Teil der Serie Rechtsextremismus in Brandenburg von MOZ und LR.

Rechtsextreme aus den alten Bundesländern zieht es nach Brandenburg

● Immer mehr rechtsextremistisch eingestellte Personen zieht es in den letzten Monaten laut Verfassungsschutz des Landes Brandenburg in den Osten der Republik. „Wir registrieren, dass führende Köpfe etwa der rechtsextremen Szene aus den alten Bundesländern, zum Beispiel aus Bayern und Dortmund, nach Brandenburg oder Sachsen gegangen sind", sagt Jörg Müller, Chef der Behörde.
● Dies sei ein gefährlicher Trend, da es in dünn besiedelten Regionen häufig „keine aus sich heraus starke Zivilgesellschaft" gebe, die sich den Rechtsextremen entgegenstellen könne.
● Zudem ist die Zahl der Personen, die in Brandenburg zur rechtsextremen Szene gezählt werden, hoch. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht ist vom „zweithöchsten Stand in der Geschichte des Landes Brandenburg“ die Rede. 2830 Personen werden dort gezählt. Mehr waren es nur 2020: Damals zählte der Verfasungsschutz in Brandenburg 2860 Rechtsextreme.
● Bürger und Bürgerinnen können extremis­ti­schen Aktivitäten an das Hinweistelefon des brandenburgischen Verfassungsschutzes weitergeben. Dieses ist von Montag bis Freitag von 9 Uhr bis 15 Uhr unter  der 0331 866-2699 erreichbar. Der Verfassungsschutz beantwortet unter dieser Nummer auch allen Anrufern ihre Fragen im Zusammenhang mit Extremismus und Radikalisierung.