An diesem grauen und regnerischen Mittwochvormittag, dem 4. Januar 2023, ist es verhältnismäßig ruhig auf der sonst stark frequentierten Oderbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice, auf der sich auch gerne mal Staus bilden. Es scheinen weniger Autos mit deutschem Kennzeichen auf dem Weg ins östliche Nachbarland zu sein. Ob das an den gestiegenen Steuern auf Benzin und Diesel in Polen liegt?
Polen musste auf Druck der EU nicht nur die auf jeden getankten Liter anfallende Verbrauchssteuer, sondern auch die im Rahmen des „Inflationsschutzschildes“ von 23 Prozent auf acht Prozent gesenkte Mehrwertsteuer wieder auf den regulären höheren Satz anheben. Viele Autofahrer befürchteten, Benzin und Diesel könnten in Polen im neuen Jahr ähnlich teuer werden, wie in Brandenburg und Berlin – und damit das Ende des Tanktourismus besiegeln. Doch bisher hat sich diese Annahme – vor allem aufgrund der Preissteigerungen für Treibstoffe in den letzten Wochen in Brandenburg und Berlin – nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Die polnischen Tankstellen machen Autofahrern in Grenznähe ein Angebot, das sie kaum ablehnen können.

Ein Liter Benzin kostet in Polen über 40 Cent weniger

Das hängt mit den zurzeit herrschenden hiesigen Treibstoffpreisen zusammen. In Frankfurt (Oder) war der Liter Superbenzin (E5) am Freitagmittag ab 1,76 Euro zu haben. In Słubice war er mit 6,56 Złoty (1,38 Euro) nicht nur über 35 Cent günstiger als in Frankfurt (Oder), sondern kostete kurioserweise sogar vier Cent weniger als vor der Steuererhöhung zu Neujahr. Selbst das günstigere E10-Benzin, das in Polen nicht angeboten wird, war am Freitag, dem 6. Januar, gegen 14 Uhr 32 Cent teurer als E5-Benzin aus Zapfsäulen östlich der Oder. Der teure Premiumsprit Super Plus kostete in Słubice mit 7,52 Złoty (1,58 Euro) pro Liter 29 Cent weniger als sein Äquivalent in Frankfurt (Oder), wo der Liter erst ab 1,87 Euro erhältlich war.
Wer am Freitagmittag 50 Liter Super 95 in Słubice tankte, bezahlte gut 19 Euro weniger als in der Kleiststadt. Selbst Autofahrer, die hin und zurück jeweils 40 Kilometer zurücklegen, sparen immerhin noch knapp die Hälfte, also 9,30 Euro, wenn ihr Benziner sieben Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Wer zusätzlich noch einen 20-Liter-Kanister in Słubice füllte, also insgesamt 70 Liter Superbenzin in Słubice bezog, konnte sich sogar über eine Ersparnis von knapp 27 Euro freuen. Selbst wenn die polnische Tankstelle 55 Kilometer entfernt war, wurde auf der Wegstrecke nur die Hälfte der Ersparnis direkt wieder in den Brennräumen des Motors verfeuert – immerhin 13,20 Euro Ersparnis verblieben auch hier noch im Vergleich zu 70 Litern Super E5 an Frankfurter Tankstellen.

Diesel ist 20 Cent billiger

Auch für Diesel-Fahrer kann der Tankausflug ins Nachbarland lohnen, auch wenn die Ersparnis nicht ganz so hoch ausfällt, wie bei Benzin. In Słubice war der Liter Diesel am Freitagmittag ab 7,62 Złoty (1,60 Euro) zu haben und damit nicht nur immerhin 20 Cent günstiger als in Frankfurt (Oder), sondern auch sechs Cent günstiger als am 23. Dezember 2022. Bei 50 Litern ergab sich somit eine Ersparnis von knapp 10 Euro. Wessen Dieselfahrzeug etwa fünf Liter auf 100 Kilometer verbraucht, kommt unter diesen Umständen immerhin 55 Kilometer weit, bevor er die Hälfte der Ersparnis wieder verfahren hat. Tankte der Diesel-Fahrer 70 Liter, sparte er sogar knapp 14 Euro. In diesem Fall kann die polnische Zapfsäule sogar 40 Kilometer weit entfernt sein, bevor man die Hälfte der Ersparnis wieder auf dem Weg verfährt – dies ist nämlich bei genanntem Verbrauch erst nach circa 80 Kilometern der Fall.
Doch nicht nur Słubice ist ein beliebtes Ziel deutscher Tanktouristen. Gerade Berliner steuern auch gerne den Grenzübergang Hohenwutzen / Osinow Dolny (Niederwutzen) an. Hier locken nicht nur einige Tankstellen, sondern auch ein großer Polenmarkt und ein McDonalds-Schnellrestaurant direkt hinter der Brücke über die Oder. In puncto Treibstoffpreise zogen Sparfüchse in Słubice zumindest am Freitagmittag gegenüber Osinow Dolny den kürzeren. In Sichtweite der markanten ehemaligen Zellstofffabrik, die heute den Polenmarkt beherbergt, kostete Diesel fünf Cent weniger als in Słubice. Super-Benzin kostete an beiden Standorten in Grenznähe ungefähr gleich viel, nachdem es am Mittwochmorgen in Osinow Dolny noch acht Cent teurer war als in Słubice.

„Tankwunder“ an der Weichsel?

Doch wie kann es sein, dass trotz Steuererhöhung die Preise für Treibstoffe in Polen seit Ende des Jahres sogar gesunken sind? Die polnische Boulevardzeitung Fakt berichtete am Dienstag über die Mehrwertsteuererhöhung von acht auf 23 Prozent. Der Anstieg an den Tankstellen sei nicht sichtbar – am 31. Dezember habe der größte polnische Mineralölkonzern PKN Orlen die Großhandelspreise für Kraftstoff gesenkt. Auf diese Weise spürten Autofahrer, die im neuen Jahr tankten, keinen Unterschied – die Preise waren wie im Dezember. Der Präsident von PKN Orlen, Daniel Obajtek, erklärte laut Fakt: „Wir werden alles tun, um die Preise auf dem gleichen Niveau zu halten“. Das Boulevard-Blatt titelte in dem Zusammenhang sogar: „Wunder an Tankstellen? Mehrwertsteuer gestiegen, Preise gleich“.
Die polnische Klimaministerin Anna Moskwa äußerte sich am Montag zu der kuriosen Preissituation an polnischen Tankstellen. Journalisten fragten sie, ob die Verbraucher dann nicht vor dem Jahreswechsel zu viel gezahlt hätten. „Wenn es ein unregelmäßiges Verhalten auf dem Markt gibt, haben wir immer das Amt für Wettbewerb und Verbraucherschutz, das eingreifen kann“, sagte die Klimaministerin am 2. Januar dem Radiosender RMF FM. Vor ihrer Berufung ins Kabinett des polnischen Premierministers Morawiecki am 26. Oktober 2021 leitete sie das Büro für Offshore-Windparks bei PKN Orlen.

Steuern in Deutschland bleiben gleich, doch die Preise steigen

Die Kraftstoffpreise in Deutschland entwickeln sich unterdessen komplett gegensätzlich. Obwohl auf die für 2023 geplante Erhöhung der CO₂-Abgabe verzichtet wurde, sich an den Steuern auf Benzin und Diesel hierzulande also nichts ändert, ist das Tanken nach Angaben des Automobilclubs ADAC so teuer wie seit Ende November nicht mehr. Laut einer Erhebung vom Dienstag kostet Super E10 im bundesweiten Schnitt 1,743 Euro je Liter, das sind 5,7 Cent mehr als in der Vorwoche. Der Preis für einen Liter Diesel verteuert sich um 3,4 Cent auf durchschnittlich 1,850 Euro. Die Preise für Rohöl seien laut ADAC kein Grund dafür, schließlich sei der Preis für ein Barrel im Vergleich zur Vorwoche sogar um zwei Dollar gesunken.
Der ADAC empfiehlt, die Preise an verschiedenen Tankstellen zu vergleichen. Wer kann, solle außerdem am besten zwischen 18 und 19 Uhr oder zwischen 20 und 22 Uhr tanken. Der aktuellen Untersuchung zufolge können Verbraucher so rund zwölf Cent gegenüber den Morgenstunden sparen. Es wird zudem dazu geraten, neuere Benziner (ab Baujahr 2010) an deutschen Tankstellen mit dem fünf bis acht Cent günstigeren E10-Benzin zu betanken.
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