UPDATE: Die Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus kann wie geplant am 12. Februar stattfinden. Das Bundesverfassungsgericht lehnte es im Eilverfahren ab, kurzfristig noch eine Verschiebung der Wahl anzuordnen. Das teilten die Karlsruher Richterinnen und Richter am Dienstag mit.
Die Begründung dafür soll erst später nachgeliefert werden. Ob das noch vor dem 12. Februar sein wird, ist offen. Damit herrscht einerseits endlich Planungssicherheit – schließlich sind die Vorbereitungen längst in vollem Gange, viele Briefwähler haben schon abgestimmt. Andererseits steht die Wiederholungswahl unter einem gewissen Vorbehalt. Denn über die eigentliche Verfassungsbeschwerde der mehr als 40 Klägerinnen und Kläger hat das Gericht noch nicht entschieden. Und vor dem Wahltag ist das auch nicht mehr zu erwarten.

Das meinen die Beschwerdeführer

Die mehr als 40 Klägerinnen und Kläger, darunter betroffene Abgeordnete, wenden sich gegen ein Urteil des Berliner Verfassungsgerichtshofs aus dem November. Dieser hatte die Pannen-Wahl vom 26. September 2021 als primär zuständige Instanz im Einzelnen überprüft – und insgesamt für ungültig erklärt. „Angesichts der Vielzahl und Schwere der Wahlfehler“ sei das die einzige Möglichkeit gewesen, hieß es damals zur Begründung.
Die Beschwerdeführer meinen, dass die Berliner Richter sich damit eigenmächtig über die Karlsruher Grundsätze der Wahlprüfung hinweggesetzt hätten. Nach ihrer Überzeugung wären sie in dieser noch nie da gewesenen Situation verpflichtet gewesen, vor einem Urteil von sich aus das Bundesverfassungsgericht einzuschalten.

Teils chaotische Zustände in den Wahllokalen

Der 26. September 2021 war in der Hauptstadt ein Super-Wahltag gewesen: Mit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und den Kommunalparlamenten fanden die Bundestagswahl und ein Volksentscheid statt. Parallel lief außerdem der Berlin-Marathon.
Die Folge waren teils chaotische Zustände in den Wahllokalen. Weil bei der Planung für die einzelne Stimmabgabe viel zu wenig Zeit einkalkuliert worden war, bildeten sich lange Schlangen. Einige Wahllokale mussten vorübergehend schließen, weil die Stimmzettel ausgegangen waren. Vielerorts ließ man die Wartenden dafür bis weit nach 18.00 Uhr ihre Stimme abgeben – während längst die ersten Prognosen veröffentlicht wurden. Mindestens 20.000 bis 30.000 Stimmen waren laut Verfassungsgerichtshof von Wahlfehlern betroffen.

Das passiert bei der Wiederholungswahl

Bei der Wiederholungswahl müssen die Parteien mit denselben Kandidatinnen und Kandidaten antreten wie 2021. Die Legislaturperiode endet weiterhin 2026. Auch die Wahl der zwölf Bezirksverordnetenversammlungen muss wiederholt werden.
Mit der Berliner Bundestagswahl, bei der es ebenfalls Probleme gab, hat die Karlsruher Entscheidung nichts zu tun. Diese Wahl soll nach einem Beschluss des Deutschen Bundestags nur teilweise in einigen Wahlbezirken der Hauptstadt wiederholt werden. Dazu sind etliche Wahlprüfungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig, über die die Richter in einem separaten Verfahren entscheiden. Ein Wahltermin wird hier erst bestimmt, wenn die Überprüfung abgeschlossen ist.
Näheres geht aus den Angaben des Gerichts nicht hervor. Allerdings wurde kurz vorher ein Schreiben der Senatsvorsitzenden bekannt, in dem den Abgeordneten die Gelegenheit gegeben wird, zum Antrag in der Hauptsache bis 2. März Stellung zu beziehen. Daraus lässt sich ableiten, dass bisher nur über den Eilantrag entschieden wurde. Damit wollen die Kläger erreichen, dass die Wahl nicht stattfinden darf, bis eine abschließende Entscheidung aus Karlsruhe vorliegt.

Für die Überprüfung ist der Berliner Verfassungsgerichtshof zuständig

Für die Überprüfung von Abgeordnetenhaus-Wahlen ist grundsätzlich der Berliner Verfassungsgerichtshof zuständig. Dieser hatte die Wahl vom 26. September 2021 wegen der vielen Pannen insgesamt für ungültig erklärt. Die Richterinnen und Richter sahen keine andere Möglichkeit – denn: „Eine nur punktuelle Wahlwiederholung in einzelnen Wahlkreisen wäre angesichts der Vielzahl und Schwere der Wahlfehler nicht geeignet, einen verfassungsgemäßen Zustand herzustellen.“
Die Karlsruher Kläger, darunter betroffene Abgeordnete, sind mit dem Berliner Urteil vom 16. November nicht einverstanden. Nach ihrer Überzeugung wären die Landesverfassungsrichter in dieser noch nie da gewesenen Situation verpflichtet gewesen, vor einem Urteil von sich aus das Bundesverfassungsgericht einzuschalten. Ein reguläres Rechtsmittel stand ihnen nicht offen. Gegen jede rechtskräftige Gerichtsentscheidung kann aber Verfassungsbeschwerde eingelegt werden. In diesem Fall war diese mit einem Eilantrag verbunden – mit dem Ziel, dass die Wahl erst einmal verschoben werden muss.

Die Entscheidung im Eilverfahren

Die Entscheidung: Im Eilverfahren geht es ausschließlich um die Frage, was passieren soll, bis eine abschließende Entscheidung in der Hauptsache vorliegt. Sonst entsteht in der Zwischenzeit womöglich eine Situation, die sich nachträglich nicht mehr korrigieren lässt.
Die Richter nehmen dafür eine sogenannte Folgenabwägung vor. Sie überlegen, was die schlimmeren Konsequenzen hätte: wenn sie jetzt dem Eilantrag stattgeben und die Verfassungsbeschwerde später erfolglos bleibt – oder wenn sie die Dinge erst einmal laufen lassen und sich die Verfassungsbeschwerde im Nachhinein als berechtigt erweist.
Bei der Berlin-Wahl haben sie sich jetzt für den zweiten Weg entschieden. Warum, bleibt fürs erste ihr Geheimnis. Manchmal enthält die Begründung einer Eilentscheidung schon erste Hinweise darauf, für wie aussichtsreich die Richter die Verfassungsbeschwerde halten. Hier verzichten sie auf jeglichen Fingerzeig. Ob aus Zeitdruck oder anderen Erwägungen – darüber lässt sich nur spekulieren.

Die große Frage

Was würde es für das Ergebnis der Wiederholungswahl bedeuten, wenn Karlsruhe das Urteil des Berliner Verfassungsgerichts nachträglich aufheben sollte? Klar ist nur, dass bis zum 12. Februar erst einmal keine weiteren Entscheidungen zu erwarten sind. Am Montag war bekannt geworden, dass der Zweite Senat nun alle Beteiligten und Betroffenen angeschrieben hat, damit sie zum Antrag in der Hauptsache Stellung beziehen können. Die Frist für diese Stellungnahmen läuft bis zum 2. März. In die vertiefte Prüfung können die Richter also erst danach einsteigen.