AKTUALISIERUNG: Der Film ist als „bester Film“ für den deutschen Filmpreis nominiert. Auch für „beste Regie“ gab es eine Nominierung. Die Preisverleihung findet am 12. Mai in Berlin statt.
Immer wenn die beiden älteren Brüder den kleinen Joachim, genannt Josse, so gepiesackt haben, dass er Schreikrämpfe bekommt, setzen seine Eltern ihn auf eine Waschmaschine im Schleudergang. Dann kann der sensible Junge sich wieder beruhigen. Wenn der Siebenjährige zu anderen Gelegenheiten Kummer hat, geht er zum „Glöckner“ und lässt sich von ihm auf die Schulter nehmen und durch den Garten tragen.
Der kräftige Mann, der gerne mit einer metallenen Spielzeugglocke bimmelt, ist einer der Patienten der Psychiatrie in Schleswig-Holstein, die Josses Vater als Professor leitet. Auf ihrem Gelände wohnt zu Anfang der siebziger Jahre auch Josses fünfköpfige Familie. Der Junge findet es normal, dass er zwischen Menschen mit geistiger oder körperlicher Behinderung aufwächst. Sein Vater (Devid Striesow) lädt sich einige seiner Patienten sogar zum Geburtstag ein.
Die Geschichte von Josse, die Regisseurin Sonja Heiss nun verfilmt hat, beruht auf dem gleichnamigen autobiografischen Roman des Schauspielers Joachim Meyerhoff. Sehr anschaulich und mit viel Humor erzählt der 1967 geborene Künstler darin von seiner Familie, den Psychiatriepatienten, der Schule oder seinem Jahr als Austauschschüler in den USA und skizziert so auch ein Stück Zeitgeschichte.

Tragikomödie über Leben und Tod

Denn die Bundesrepublik der 1970er Jahre, das zeigt auch der Film, ist eine, die zwischen dem Aufbruch in liberalere Zeiten und dem Umgang mit dem NS-Erbe schwankt. So hat Professor Meyerhoff eine sehr moderne und humanistische Einstellung zu seinen Psychiatriepatienten, von denen 30 Jahre zuvor noch etliche von den Nationalsozialisten als „minderwertige“ Menschen verfolgt worden wären. In der Schule wiederum erzählt der Direktor Josse einmal von seinen Kriegserlebnissen an der Ostfront, doch Josse beeindruckt das wenig, hat er doch soeben im Vorgarten einen leblosen Nachbarn entdeckt. Die Beschäftigung mit Krankheit und Tod ist allgegenwärtig in dieser Tragikomödie, auch wenn sie sehr beschwingt daher kommt.
In Josses Familie ist man liberal und fördert die drei Söhne. Dennoch sind die Geschlechterrollen konservativ verteilt. Der Vater fungiert als Ernährer und nimmt es auch mit der Treue nicht zu ernst. Die von ihm finanziell abhängige Mutter (Laura Tonke) macht lange gute Miene zum bösen Spiel, flüchtet sich in Hobby-Malerei und träumt von der Toskana. Josse macht sich berechtigte Sorgen um die Ehe seiner Eltern, doch als Teenager, in den 1980ern, verliebt er sich dann selbst: in ein depressives Mädchen. Es ist eine Liebe, die kein gutes Ende finden wird; weitere Dramen und Schicksalsschläge werden folgen.

Mit Hits aus den 70ern und 80ern

Trotzdem inszeniert Regisseurin Sonja Heiss ihr Sujet mit leichter Hand, beschert uns einige hochkomische Szenen und findet eine gute Balance zwischen Unterhaltung, Ernst und Gefühl. Mit den locker-flockigen Popsongs, die gefühlt den ganzen Film untermalen, macht sie es sich womöglich zu leicht. Dennoch haben die Hits aus den Siebzigern und Achtzigern eine Funktion, setzen einen zeitlichen Rahmen und spiegeln das Lebensgefühl der damaligen Jugend wider.
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Getragen wird der Film von einem exzellenten und spielfreudigen Ensemble: Devid Striesow glänzt als gutmütiger und zugleich selbstgerechter Vater und lässt am Ende viel Emotion für seine Figur zu, während Laura Tonke sehr subtil die frustrierte Hausfrau zwischen Verleugnung und Sehnsucht spielt. Camille Loup Moltzen beeindruckt als siebenjähriger Josse mit viel Verletzlichkeit, aber auch Lebensfreude und Arsseni Bultmann kann den Teenager zwischen Liebeserwachen und Schutzbedürftigkeit sehr überzeugend vermitteln.
„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ läuft am 17.2., 19.30 Uhr in der Urania, am 18.2., 15.30 Uhr im Cineplex Titania, am 19.2.., 15.45 Uhr im Cubix 8 und am 20.2., 12.30 Uhr im Filmtheater am Friedrichshain.
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