Sean Penn war zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Am Tag der russischen Invasion hatte er eine Verabredung mit Wolodymyr Selenskyj zu einem Interview. Eigentlich wollte der US-amerikanische Filmstar zusammen mit Co-Regisseur Aaron Kaufman eine heitere Dokumentation drehen über einen Comedian, der zum Präsidenten gewählt wurde. Doch dann wurde Kiew bombardiert und die beiden Regisseure zu Zeugen eines Angriffs. Für den Film sind die große Aktualität und ein Schauspielstar als roter Faden ein Glück, sonst wäre „Superpower“ wohl nicht auf der diesjährigen Berlinale zu sehen. Ein filmisches Meisterwerk ist er nicht.
Schon vor Kriegsausbruch hatte das Filmteam die Ukraine besucht, Augenzeugenberichte und Geschichten rund um die Proteste auf dem Euromaidan im November 2013 gesammelt. Später, nach Kriegsbeginn, haben die beiden Regisseure dann im Land weiter recherchiert und gedreht, um den Ukraine-Konflikt persönlich besser zu verstehen und auch, um jene Menschen zu informieren, die nicht viel wissen über die Hintergründe dieses Kriegs.
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Am Freitag feierte die Produktion Weltpremiere auf der Berlinale. Herausgekommen ist eine Art filmisches Tagebuch über die Ereignisse in der Ukraine seit dem 24. Februar 2022. Sean Penn nennt es flapsig „a guide to understanding why they need support” – also ein Handbuch, um zu verstehen, warum die Ukraine Unterstützung braucht.
Ein Schauspieler findet seinen Helden
Sowohl im Gespräch mit ihm als auch im Film wird klar, die Menschen in der Ukraine und ihr Präsident haben Sean Penn menschlich zutiefst berührt: „Außer in dem Moment, als ich meine Kinder zum ersten Mal nach ihrer Geburt gesehen habe, war es ein weiteres Highlight in meinem Leben, diesen Menschen mit dem großen und mutigen Herzen zu treffen“. Auch deshalb ist Sean Penn seither als Botschafter für die Menschen in der Ukraine und gegen diesen Krieg unterwegs. Und fordert unablässig das Liefern von Langstreckenraketen. Das ist sehr einseitig, stört Sean Penn aber nicht. Es sei ja schließlich auch sehr einseitig, ein demokratisches Land zu überfallen, sagt er.
Sean Penn ist der Dreh- und Angelpunkt des Films. Er kommentiert das Geschehen. Immer wieder zeigt die Kamera ihn im Gespräch mit Politikexperten, wie den ehemaligen US-Botschafter in der Ukraine. Die Fachleute bewerten, prognostizieren und analysieren – vielen Deutsche werden die Fakten bekannt sein.
Statt einer Wohnung nur noch ein Loch in der Wand
Anders, wenn die Dokumentation jenen nahe kommt, die kämpfen oder unmittelbar leiden: Sean Penn steigt dazu in den Schützengraben oder spricht mit einer jungen Frau, die ihn in ihre bombardierte Wohnung führt. Statt der Außenwand klafft dort ein großes Loch. Sean Penn hat sich verliebt in die Ukraine und die Menschen, die dort vereint für ihr Land und ihr Recht auf ein Leben in Freiheit kämpfen: „Wenn ich die Möglichkeit bekomme, mich in die Nähe von Helden zu begeben, dann mache ich das“, erklärt er später. Jedwede Distanz hat er dabei verloren.
Anders Piotr Pawlus und Tomasz Wolski aus Polen. Die Dokumentarfilmer haben vor allem im Sommer 2022 in der Ukraine gedreht. Sie blieben beobachtend hinter der Kamera, Fragen haben sie niemandem gestellt. „W Ukrainie“ läuft im Forum. Zu sehen gibt es keine blutigen Nachrichtenbilder. Trotzdem bleiben die starken Szenen im Kopf und hallen nach: streunende Hunde, die Zuhauf in verlassenen Dörfern durch Straßen und Ruinen laufen und nach Essen suchen. Menschen, die an einer Bushaltestelle plaudern, bis Sirenen ertönen und sie sich in die Luftschutzbunker retten. Leute, die mit Booten Flüsse überqueren, wo früher Brücken waren. Ukrainerinnen, die vor ausgebrannten russischen Panzern für ein Foto posieren. Und immer wieder Kinder, die Krieg spielen, weil das aktuell die Welt ist, in der sie leben.
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