Die „Herr der Ringe“-Saga ist vor allem eines: episch. Unscheinbare Heroen mit riesenhaftem Mut, abgrundtief Böses, die korrumpierende Verlockung von Macht, dazu eine mythische Landschaft von atemberaubender Schönheit – lange galt die Welt von Tolkien als nicht verfilmbar. Dass es Peter Jackson vor über 20 Jahren trotzdem gelang, die Stimmung Mittelerdes einzufangen, ist auch oscarprämierter Musik zu verdanken. Mit ihrer Hilfe wollte „Der Herr der Ringe – Das Konzert“ das Berliner Publikum am Montag in das Reich der Hobbits und Zwerge entführen. Doch leider blieb Mittelerde in weiter Ferne.
Stargast des Abends war einer der Schauspieler aus „Der Hobbit“-Trilogie
Dabei schien das Konzept für die Show im Admiralspalast wie eine gewinnbringende Kombination – und das nicht nur für eingefleischte Fans. Ein symphonisches Orchester und ein Chor tragen Musik aus der „Der Herr der Ringe“, „Der Hobbit“ und der im vergangenen Jahr veröffentlichten Amazon-Serie „Die Ringe der Macht“ vor. Obendrauf gibt es einen Stargast als Moderator. Was soll da schon schiefgehen? Wie sich herausstellte, so manches.
Der Star war am Montagabend kein Geringerer als der neuseeländische Schauspieler William Kircher. Ein echter Coup. Schließlich gab er in „Der Hobbit“-Trilogie von Peter Jackson einen der dreizehn Zwerge. Im Admiralspalast strahlte Kircher eine wahre, teilweise auch ansteckende Freude auf der Bühne aus. Anders als in seiner Rolle als Zwerg Bifur, der dank einer Axt im Kopf sprachlich beeinträchtigt ist und kaum ein Wort von sich gibt, hatte der 64-Jährige im Rahmen des Konzerts ausgiebig Gelegenheit, nicht nur die Szene für einige der Stücke zu setzen, er erzählte auch reichlich Anekdotisches von den Dreharbeiten.
Kaum etwas konnte über die schlicht diffuse Inszenierung hinwegtäuschen
Doch leider konnten weder Kirchers Geschichten aus dem Zwergen-Bootcamp vor Drehbeginn oder dem partywütigen Sir Ian McKellen, noch seine sympathische Theatralik über die schlicht diffuse Inszenierung hinwegtäuschen. So gesellten sich im Laufe des Abends zu Hobbits und Zwergen immer wieder Dudelsackspieler im In Extremo-Look, die für trinkselige Pub-Stimmung sorgen sollten (was nur bedingt gelang). Statt Ringe in den Schlund des Schicksalsberges flogen Pappteller in die Luft. Und wo man atemberaubende Landschaftsaufnahmen gewohnt ist, flimmerten Animationen über LED-Wände, die an Bildschirmschoner der frühen Nullerjahre erinnerten.
Vorgetragen wurden die Stücke von ukrainischen Musikerinnen und Musikern. Dass ein tourendes Orchester mitsamt Chor zwangsläufig kleiner ausfällt als eine opulente Besetzung für Studioaufnahmen in Hollywood, versteht sich von selbst. Umso überraschender ist es, wie kraftvoll das Ensemble, zu dem auch zwei stimmenstarke Solistinnen zählten, vor allem die Musik von Bear McCreary für die Serie „Die Ringe der Macht“ erklingen ließ. Zu kämpfen hatte es allerdings bei Bombast-Passagen aus Howard Shores oscarprämiertem „Herr der Ringe“-Soundtrack. Diese klangen aufgrund fehlender Instrumente und Kehlen gelegentlich etwas blutleer.
Doch auch die Darbietungen des Orchesters litten unter dem offenkundigen Fehlen inhaltlicher Logik. Warum man sich etwa dafür entschied, Kircher im einen Moment von den lustigen Motion Capture-Aufnahmen für eine „Hobbit“-Szene mit Trollen erzählen zu lassen, um das Publikum zum Lachen zu bringen, nur um im nächsten Moment ohne jede Überleitung das düstere „Minas Morgul“ aus den „Herr der Ringe“-Filmen erklingen zu lassen? Ein Rätsel.
Familien, junge wie alte Paare und Nerds – mit Gefährten oder solo
Dass Tolkiens Geschichten mit Themen wie Freundschaft, Mut und dem Ringen zwischen Gut und Böse Generationen von Fans ansprechen, bewies am Montagabend auch der Blick durch die Reihen des Admiralspalastes. Familien, junge wie alte Paare und Nerds, mit Gefährten oder solo, – sie alle machten sich auf, die Musik aus Mittelerde zu hören. Nicht selten wurde dabei in die Kostümkiste gegriffen. Immer wieder sah man Gäste mit elbenartigem Kopfschmuck oder Umhängen im Stile von Frodo und Sam. Nicht nur sie dürften sich in den Admiralspalast aufgemacht haben, um wenigstens für einen Abend Berlin-Mitte Richtung Mittelerde zu verlassen. Doch wie sagte schon Bilbo? „Es ist eine gefährliche Sache, Frodo, aus deiner Tür hinauszugehen.“