Zu schreiben, Helene Fischer hätte in Berlin eine gute Show abgeliefert, wäre eine maßlose Untertreibung. Was die Sängerin am Dienstagabend dem Publikum in der Mercedes-Benz Arena präsentierte, glich eher einer Demonstration in der seltenen Kunst, die Messlatte ein gehöriges Maß höher zu legen.
Aber eines nach dem anderen. Denn bevor es richtig losging, hauchte es mysteriös aus einem riesigen Stoff-Rubin, der von der Deckenbühne hing. „Wir haben uns schon lange nach diesem Tag gesehnt“, sagte die Stimme und schob nach effektvoller, dramatischer Pause ein fast gestöhntes „Berlin…“ hinterher. Der rote Stoff hatte sich noch gar nicht gelüftet, da brandete der Applaus längst auf. Schließlich erkannten hier alle sofort, wer da ins Mikrofon sprach. Der Rubin gab sie schließlich trotzdem preis: Helene Fischer, in luftiger Höhe über den Köpfen ihrer Fans baumelnd.
Bühnenbild mit perfekt programmierter Lichtchoreografie
Mit „Null auf 100“ erklingt im Anschluss nicht nur der erste Song des Abends, sondern auch die treffende Umschreibung für die Spannungskurve der folgenden drei Stunden. Und die Kulisse könnte kaum passender sein. Für ihre Show der Superlative wählt die Sängerin ein Bühnenbild mit perfekt programmierter Lichtchoreografie. Ein wenig wirken die riesigen Videoleinwände und die weit ins Publikum hineinreichenden Flächen so, als sei das gesamte Produktionsbudget des ESC in sie geflossen.
Knapp 40 Musikern, Tänzern sowie Akrobaten des weltberühmten Cirque du Soleil bietet die Bühne Platz. Sie spielen, räkeln und verbiegen sich, letzteres bis an die Grenzen menschlicher Physis. Und Deutschlands unangefochtene Schlager-Königin steht mittendrin. Das heißt, stehen tut die 38-Jährige nur selten. Mal schießt sie aus dem Bühnenboden, mal hängt sie von der Decke. Sogar die Elemente instrumentalisiert Helene Fischer für Unterhaltungszwecke. Sei es tanzend im Feuerring, singend in einer von der Decke regnenden Wassersäule oder auf einem Drahtseil-Akt mit Wind im blonden Haar.
„Die Show“ als Besuchsgrund Nummer 1
Ihre Fans wissen den Einsatz zu schätzen. Wer sich im Publikum umhört, bekommt immer wieder „die Show“ als Besuchsgrund genannt. Die Musik der Sängerin steht oft erst an zweiter Stelle. „Die Show ist einfach mega“, sagt etwa Christoph aus Berlin. Und der 34-Jährige, passend im Helene Fischer-Shirt gekleidet, muss es wissen. „Ich habe schon all ihre Konzerte im Olympiastadion mitgenommen. Und auf der Weihnachtsshow war ich auch.“ Dass es der Musikerin gelingt, an mehreren Abenden in Folge ganze Arenen zu unterhalten, schreibt er auch der Disziplin der 38-Jährigen zu. „Das schaffen andere nicht“, ist er überzeugt.
Tatsächlich ist die Show bis ins kleinste Detail durchinszeniert. Jeder Ton, jeder Schritt sitzt. Das müssen sie wohl auch. Anders dürfte ein Tour-Marathon, der insgesamt 70 Konzerte – allein in Berlin sind es fünf in nur einer Woche – umfasst, nicht umsetzbar sein. Für die Fans des Schlager-Stars ist es die Belohnung am Ende einer langen Wartezeit. Auf Tournee war die Sängerin zuletzt 2018. Und nach der Geburt ihrer Tochter 2021 kehrte sie vergangenes Jahr lediglich für ein Megakonzert in München vor 130.000 Zuschauerinnen und Zuschauer kurzzeitig, dafür umso fulminanter auf die Bühne zurück. Es war das bislang größte Konzert ihrer Karriere.
Helene Fischer schwingt sich zu schwindelerregenden Drahtseil-Akten in die Luft
Schon damals ließ sich Helene Fischer per Kran über die Menschenmassen manövrieren. Eine Nummer, die auch in Berlin Anwendung findet. Dort bekommt das Publikum einen Schlager-Zirkus vorgeführt, der die Bezeichnung verdient. In Sachen waghalsiger Akrobatik steht die Sängerin ihren Artisten dabei in nichts nach. Mehr als nur einmal schwingt sie sich zu schwindelerregenden Luftnummern auf.
Manchmal scheint das fast ein wenig zu viel des Guten. Da wäre etwa das choreografische Duett zu „Hand in Hand“ mit ihrem Freund, dem Tänzer Thomas Seitel. An Seilen und aneinanderhängend tänzeln die beiden viele Meter über dem Bühnenboden. Und als wären Spagate und umschlungene Körper nicht schon genug, umschließt die beiden auch noch ein Wasserfall, der aus der Decke kommt. Und selbstverständlich singt Fischer dabei auch noch die ganze Zeit.
Songs aus 17 Jahren Karriere
Helene Fischer mag nicht die erste gewesen sein, sie Sehnsucht-schwangere Texte mit Beats paarte, die an die musikalische Kulisse von Autoscootern erinnern. Doch sie hat diesen konstant belächelten Mix derart popularisiert, dass sie damit zum größten Pop-Star des Landes avancierte. Und wie sehr der Popschlager mittlerweile zum Mainstream gehört, lässt sich auch in der Mercedes-Benz Arena erkennen. „Herzbeben“, „Regenbogenfarben“, „Atemlos durch die Nacht“, „Rausch“ – Fischer singt sich beim ersten ihrer fünf Berliner Konzerte durch ihre nunmehr 17 Jahre umfassende Karriere. Und das anwesende Publikum singt mit. Lautstark und textsicher.
Um die Lieder und ihren Inhalt geht es beim Helene Fischer-Konzert aber ehrlicherweise nicht wirklich. Das mag man bedauern oder darüber die Nase rümpfen. Doch egal, wie man zu der Sängerin und ihrer Musik steht, eines müssen wohl alle anerkennen: Show, das kann Helene Fischer.