So einige Familien haben ihre Geheimnisse. Mal sind es Schulden, mal eine Affäre oder eine nicht ausgelebte Identität. Kinkerlitzchen im Vergleich zu jenem dunklen Vermächtnis, das Marks Vorfahren so verlässlich wie Grundfesten erschütternd seit Generationen weitergeben.
Den Vater trieb das ominöse Fantasie-Reich und ein dort lebendes Monstrum, von dem er immerzu sprach, erst in den Wahnsinn, später sogar in einen feurigen Tod. So zumindest die offizielle Version. Thomas, der große Bruder, immerhin landete eine Zeit lang in der Geschlossenen.

Mark soll dem Greif die Stirn bieten

Mit dem herannahenden 16. Geburtstag ist Mark nun selbst alt genug, in die Mysterien-behaftete Ahnenreihe zu treten. Thomas, inzwischen Betreiber eines runtergerockten Plattenladens, überreicht seinem Bruder die Chronik des Schwarzen Turms – uns stößt damit das Tor zur Parallelwelt weit auf. Vom Vorschlag, dem dort herrschenden „Greif“ gemeinsam die Stirn zu bieten und die von ihm unterjochten Massen zu befreien, hält Teenager Mark allerdings herzlich wenig. Mit Schule, der ersten Liebe und dieser unbändigen Wut im Bauch ist er ausreichend bedient.
Geheime Dreharbeiten – Kloster Chorin ist Film-Kulisse für Hohlbein-Bestseller "Der Greif"
Serie für Amazon Prime
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Chorin
Doch es kommt, wie es kommen muss. Wie schon zehn Jahre zuvor der Vater verschwindet auch der große Bruder. Mit seinen Freunden macht sich Mark auf die Suche in der Welt des Schwarzen Turms, ergründet das düstere Familiengeheimnis – und entdeckt ungeahnte Fähigkeiten. Mark lernt, über sich hinauszuwachsen.

Trailer zur Prime Video-Serie „Der Greif“

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Mit „Der Greif“ hat Prime Video eines der bekanntesten Werke aus der Feder Wolfgang und Heike Hohlbeins als Serie adaptiert. Die Vorlage ist ein Klassiker deutscher Fantasyliteratur. Mehr als eine Million Exemplare gingen allein in Deutschland über die Ladentheken. Entsprechend groß ist das Interesse an der Verfilmung – genau wie die Erwartungen daran. Vergleiche zum Netflix-Megahit „Stranger Things“, das sich ebenfalls um Teenager und eine Parallelwelt dreht, ließen nicht lange auf sich warten.
In der Welt des Schwarzen Turms wimmelt es vor "Sklavenjägern" wie Yezariael (Paul Schröder).
In der Welt des Schwarzen Turms wimmelt es vor „Sklavenjägern“ wie Yezariael (Paul Schröder).
© Foto: Gordon Timpen/Prime Video
Und tatsächlich, gewisse Ähnlichkeiten sind nicht ganz von der Hand zu weisen. In beiden Fällen ist es eine Coming-of-Age-Erzählung mit fantastischen Elementen und einem Schuss Horror, wobei die in „Der Greif“ dargestellte Gewalt wesentlich drastischer inszeniert ist. Auch wird in beiden Serien versucht, das Flair eines bestimmten Jahrzehnts einzufangen. Waren es bei „Stranger Things“ mit Anleihen an frühe Spielberg-Blockbuster wie „E.T.“ oder Serien wie „Die Goonies“ die Achtziger, sind es bei „Der Greif“ die Neunziger – vor allem jene im kleinstädtischen Westdeutschland, wofür das fiktive Krefelden Pate steht.

Es gibt Unterschiede zur Roman-Vorlage von Hohlbein

Hierin unterscheidet sich die Serie von der Roman-Vorlage, deren Handlung ein paar Jahre früher spielt. Ein Unterschied, der sich allerdings als Kniff erweisen könnte. So dürfte die zeitliche Verlegung der Story durchaus einen nostalgischen Nerv bei vielen Leserinnen und Lesern von einst treffen. Das Buch erschien im Jahre 1989. Flankiert wird der Nostalgie-Faktor von einem hervorragenden Soundtrack. Soundgarden, Radiohead, The Smashing Pumpkins – „Der Greif“ ist eine regelrechte Hommage an die Ära des Grunge. Nur die Lizenzierungskosten für Songs von Nirvana hätten das Budget offenbar gesprengt.
Verantwortlich für den teilweise in Brandenburg gedrehten Sechsteiler zeichnen die beiden Showrunner Sebastian Marka und Erol Yesilkaya, die sich in der Vergangenheit vor allem mit „Tatort“-Folgen hervorgetan haben. Darunter auch der Berliner Fall „Meta“, der ihnen einen Grimme-Preis bescherte.
Ein alle unterjochendes Monster in einer Parallelwelt ist nicht die einzige Herausforderung, mit der sich Mark (Jeremias Meyer) und Becky (Lea Drinda) konfrontiert sehen.
Ein alle unterjochendes Monster in einer Parallelwelt ist nicht die einzige Herausforderung, mit der sich Mark (Jeremias Meyer) und Becky (Lea Drinda) konfrontiert sehen.
© Foto: Gordon Timpen/Prime Video
In die erste Reihe der deutschen High-End-Produktion stellen sie ein junges Ensemble aufstrebender Darstellerinnen und Darsteller. Neben Jeremias Meyer („Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“) als Mark zählt dazu auch Theo Trebs („Der ganz große Traum“) als Thomas. Als besonderer Glücksgriff erweist sich allerdings Lea Dindra in der Rolle der Becky. Wie bereits in der Prime-Serie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ zeigt die 22-jährige Schauspielerin in der Hohlbein-Verfilmung erneut ihre enorme Bandbreite.

Die internationalen Hoffnungen der Serienmacher sind groß

Packender Stoff, grandiose Musik, charismatischer Cast, dazu werden Themen wie psychische Erkrankung und der Umgang mit Betroffenen klug verhandelt – kann „Der Greif“ die enormen Erwartungen also erfüllen? Jein. Ob die ganz offensichtlich internationalen Hoffnungen ihrer Macher belohnt werden (neben zehn Synchronfassungen wurden Untertitel in 35 Sprachen übersetzt), ist jedenfalls mindestens fraglich. Dafür unterfordern die visuellen Effekte das verwöhnte Streaming-Publikum dann doch zu sehr.
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Aus nationaler Perspektive macht die Serie dennoch Hoffnung. „Stranger Things“ mag zwar noch immer in einer anderen Liga spielen, trotzdem beweist „Der Greif“, dass sich auch deutsche Filmemacherinnen und –macher mittlerweile gewinnbringend an Fantasy-Vorlagen versuchen können. Und wer sagt, dass sie – ähnlich wie Mark – nicht noch weiter über sich hinauswachsen? Cliffhanger für eine zweite Staffel hinterlässt das „Der Greif“-Finale jedenfalls genug.
„Der Greif“ ist ab Freitag (26. März) auf Prime Video abrufbar.