Testen Sie MOZplus einen Monat gratis und erhalten damit Zugriff auf alle Artikel auf MOZ.de. Danach lesen Sie für nur 7,99 €/Monat weiter. Das Abo ist jederzeit kündbar.
Jetzt die Tageszeitung im Original-Layout als E-Paper für nur 25,90 €/Monat lesen. Zusätzlich erhalten Sie einen kostenfreien Zugriff auf alle MOZplus-Artikel von MOZ.de.
Kultur und Ukraine-Krieg
ESC, PEN-Streit, Oberammergau – ein Wochenende der Emotionen für die Kultur
Die Ukraine gewinnt beim ESC, der PEN zerlegt sich im Streit über Denis Yücel, und in Oberammergau feiert man den Sieg des Glaubens über die Gewalt – die Kultur taumelt an diesem Wochenende durch ein Emotionsgewitter. Im Hintergrund immer: der Ukraine-Krieg.
Was für ein Wochenende der Kultur: In Gotha zerlegt sich der deutsche PEN aufs Bitterste über die Frage, ob der Journalist Deniz Yücel als Präsident zurücktreten muss – am Ende wirft er selbst hin und beschimpft die Autorenvereinigung als „Bratwurstbude“. In Oberammergau gibt sich lokale und überregionale Prominenz beim um zwei Jahre verschobenen Spektakel der Passionsfestspiele ein Stelldichein. Und in Turin eröffnen 8000 Fans in der PalaOlimpico den Eurovision Song Contest und singen im Chor John Lennons Hymne „Give Peace A Chance“ – 1000 Musikerinnen und Musiker performen dazu auf Turins schönem Marktplatz.
Beim ESC in Turin heißt es: „Jeder hier will Frieden“
So viele Emotionen, Leidenschaften, aber auch Streit, und alles ist grundiert vom Ukraine-Krieg. „I ask all of you: Please help Ukraine, Mariupol, help Asov stal – right now“, sagte Sänger Oleh Psjuk vom Kalush Orchestra (Ich bitte Euch alle: Helft der Ukraine, Mariupol und den Menschen im Asow-Stahlwerk) und verletzte damit die Regeln, dass beim ESC politische Statements explizit verboten sind. Am Ende gewann die Ukraine erwartungsgemäß mit dem Song „Stefania“, und mit der Ansage „Dieser Sieg ist für alle Ukrainer“ verabschieden sich Oleh Psiuk und seine Kollegen – am Montag geht es zurück in die Heimat, in den Krieg.
Empfohlener Inhalt der Redaktion
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Youtube, der den Artikel ergänzt. Sie können sich diesen mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt
Sie erklären sich damit einverstanden, dass Ihnen externe Inhalte von Youtube angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.
„Wir sind bereit zu kämpfen“, sagt Psiuk. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gratulierte der Gruppe. „Unser Mut beeindruckt die Welt, unsere Musik erobert Europa“, schrieb Selenskyj auf Facebook. Ob der nächste ESC tatsächlich in der Ukraine wird stattfinden können, das wagt an diesem Abend niemand vorherzusagen. Moderatorin Laura Pausini fasst zusammen: „Jeder hier will den Frieden.“
„Höllenspektakel“ bei der PEN-Jahrestagung in Gotha
Frieden hätte man auch dem PEN gewünscht, auf der Jahrestagung an diesem Wochenende in Gotha. Die Schriftstellervereinigung steht nach dem Treffen, das in dem überraschenden Abgang des Präsidenten Deniz Yücel gipfelte, vor einem Scherbenhaufen. Über den Showdown auf der Mitgliederversammlung waren auch Tage danach viele Mitglieder entsetzt. Als beschämend, unwürdig und schäbig empfanden sie die Grabenkämpfe zwischen Yücel-Kritikern und Unterstützern. In der Aussprache am Sonnabend war von „toxischer Männlichkeit“ und „einer Riege alter westdeutscher Herren“ die Rede, die persönliche Eitelkeiten vor die politische Wirksamkeit des Vereins stellten. Die Schriftstellerin Julia Franck sprach von einem „Höllenspektakel“ in Gotha. Ihre Kollegin Thea Dorn sagte, für sie mache ein Verbleib im PEN nur Sinn, wenn sich die Vereinigung radikal neu aufstelle. PEN-Mitglied Herbert Wiesner mahnte: „Wir brauchen einen Neuanfang mit jüngeren Leuten nach diesem Desaster, wir steuern ins Nirwana.“
PEN gilt weltweit als Stimme verfolgter und unterdrückter Autoren. In Gotha sprachen die Mitglieder nur über eins: sich selbst – und dass in einem teils unversöhnlichen und giftigen Ton, in dem sich keines der Lager etwas schenkte. Der Streit offenbarte nicht nur ein tiefes Zerwürfnis, sondern auch ein Ringen um die Ausrichtung von PEN. Yücel sprach nach seinem Rücktritt von einer Diskrepanz zwischen der PEN-Vergangenheit mit großen Namen und der Gegenwart, in der „Selbstdarsteller und Wichtigtuer“ den Verein als Bühne missbrauchten und für die verfolgte Autoren nur Beiwerk seien. Einigkeit herrschte in Gotha nur in einem Punkt: Es gibt nur Verlierer. Um es im ESC-Modus zu werten: PEN: 0 Punkte.
Das Stück der Stunde: Die Passionsspiele in Oberammergau
Einen Neuanfang geschafft haben indes die traditionellen Passionsspiele in Oberammergau, die in der Vergangenheit mit Antisemitismus-Vorwürfen und natürlich mit Corona zu kämpfen hatten. Doch nun ist das Dorf-Spektakel das Stück der Stunde: „Wahre den Frieden“, fordert Jesus beim Abendmahl Judas auf, als der frustriert Widerstand gegen die unterjochenden Römern verlangt: „Gott will, dass wir uns wehren.“ Die 2000 Jahre alten Bibelworte, die Frederik Mayet als starker Christus Jüngern und Volk zuruft, gewinnen in Zeiten des Krieges brennende Aktualität: „Selig die, die Frieden stiften.“ Und bei der Festnahme, als Petrus ihn verteidigen will: „Die das Schwert ergreifen, werden durch das Schwert umkommen.“ Immer wieder mahnt er: „Kehrt um“, „denkt um!“.
Empfohlener Inhalt der Redaktion
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Youtube, der den Artikel ergänzt. Sie können sich diesen mit einem Klick anzeigen lassen und wieder ausblenden.
Externer Inhalt
Sie erklären sich damit einverstanden, dass Ihnen externe Inhalte von Youtube angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.
„Man kann die Passionsspiele in diesen Tagen jedenfalls nicht einfach nur als Historienspiel sehen. Viel zu sehr stehen die Passionen der Menschen heute direkt vor Augen“, sagte der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm im Eröffnungsgottesdienst vor der Premiere und verwies auf Krisen- und Kriegsgebiete wie die Ukraine oder den Jemen. Und der katholische Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx sagte: „Gewalt hat nicht das letzte Wort, Macht hat nicht das letzte Wort“.