Eigentlich sollten Krankenkassen den Ticketpreis für Lizzo-Konzerte übernehmen. Es ist nämlich ziemlich egal, wie getrübt der Gemütszustand vor Beginn der Show ist. Am Ende dieser beiden Stunden voll Musik gewordenem Zuspruch und Selbstbewusstseins-Boostern fühlt man sich schlicht: gut. Verdammt gut sogar.
Die rappende Sängerin bzw. singende Rapperin – je nach Song – beherrscht die Kunst, ganze Massen nicht nur zu unterhalten, sondern regelrecht mit positiver Energie zu überschütten. Das stellte sie auch beim Berlin-Konzert ihrer aktuellen „The Special Tour“ mit beinahe therapeutischer Finesse zur Schau.
Viele stimmungsgeladene Hymnen auf die eigene Großartigkeit
„Du bist etwas besonders“ war dann auch das Mantra in der Friedrichshainer Mercedes Benz-Arena. Was für die einen eine leere Phrase ist, verwandelt Melissa Viviane Jefferson, so der bürgerliche Name Lizzos, in ein ansteckendes Bekenntnis zur Selbstliebe. Im gelb glitzernden Bodysuit aus ihrer eigenen Shapewear-Linie – schließlich gehört zum amerikanischen Rapstar-Dasein neben Beats immer auch etwas Business – feuerte die 34-Jährige gleich mit dem Opener „The Sign“ die erste von vielen stimmungsgeladenen Hymnen auf die eigene Großartigkeit ab.
Dank ihnen wird Lizzo mittlerweile im selben Atemzug mit wie Beyoncé oder Adele genannt. Etwa bei der jüngsten Grammy-Verleihung, wo sie die beiden Megastars in der Kategorie „Platte des Jahres“ ausstach. Einen Unterschied gibt es dann aber doch. Während „Queen B“ längst in eine schier unwirkliche Prominenz-Stratosphäre entschwunden ist, sucht Lizzo noch sehr menschlich die Nähe zu ihren Fans.
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Auch in Berlin band sie das Publikum in die Show ein. Sie fragte nach der Übersetzung für Sätze wie „I Love You, Bitch“, suchte Geburtstagskinder für ihren Song „Birthday Girl“ oder feilte gemeinsam an teutonischer Intonation mithilfe des Rammstein-Klassikers „Du hast“. Für „Jerome“, einen Song über einen, sagen wir, charakterlich defizitären Partner, lud sie die anwesenden Fans dann auch tatsächlich in eine kollektive Therapiesitzung ein – da durfte selbst der samtbezogene Ottomane auf der Bühne nicht fehlen.
„The Big Girls“ lieferten eine energiegeladene, Hinterteile schüttelnde Performance ab
Ihren äußerst erfolgreichen Mix aus Hip-Hop, Funk und R‘n‘B präsentierte Lizzo zusammen mit ihrer ausschließlich aus Musikerinnen bestehenden Band „The Lizzbians“ und den Plus-Size-Tänzerinnen „The Big Girls“. Die lieferten eine derart energiegeladene, Hinterteile schüttelnde Performance ab, dass man kaum noch das Bühnenbild wahrnahm. Und das, obwohl der riesige, mit einem großen Rund ins Publikum ausladende Bau, mit seinen Lasern, Lichtern und einem gigantischen, halbrunden Bildschirm in Sachen Glitzer den Kostümen in nichts nachstand.
Lizzo rappt, beltet, twerkt
Lizzo gibt an diesem Dienstagabend in Berlin so ziemlich alles. Sie rappt, sie beltet, sie twerkt. Und auch „Sasha“ bekam ihren Auftritt: die Querflöte der studierten Flötistin (die wohl einzige mit eigenem Instagram-Account). Sie wird bei „Cuz I Love You“, dem titelgebenden Track des dritten Albums von Lizzo, erstmals gezückt. Spätestens mit ihm wurde die Musikerin zum Idol all jener, die es satthaben, vermeintlichen Schönheitsidealen eines modernen Selbstoptimierungswahns entsprechen zu müssen.
Denn ihm stellt Lizzo eine so musikalisch eingängige wie inhaltlich kraftvolle Botschaft entgegnen: Du bist schön, wie du bist! Ganz egal, wie viele Kilos die Waage unter deinen Füßen anzeigt, oder wen du liebst. Eine Botschaft, die bei dem äußerst diversen Publikum in Berlin bestens ankam.
„Lizzo – The Special Tour“: Konzerttermine
● 2. März: Mailand (IT), Mediolanum Forum
● 3. März: Zürich (CH), Hallenstadion
● 5. März: Paris (FR), Accor Arena
● 8. März: Glasgow (UK), Ovo Hydro
● 9. März: Birmingham (UK), Utilita Arena
● 11. März: Manchester (UK), AO Arena
Alle Tourdaten gibt es hier.
So hatten auch bei Lizzos letztem Tour-Stopp in Deutschland selbst die größten Zyniker und leidenschaftlichsten Misanthropen nicht den Hauch einer Chance. Dafür war die Energie, die die Sängerin von der Bühne pustete, zu hoch konzentriert und positiv, bestand aus zu viel ansteckender Fröhlichkeit und Leichtigkeit. Und wer weiß, vielleicht befand sich ja auch ein Krankenkassen-Vorstandsmitglied unter den Endorphin-gesättigten Fans der Berliner Mercedes Benz-Arena. Ein Lizzo-Konzert auf Rezept wäre doch eine Idee. Der Frage „Are We Feelin Good?“ aus „About Damn Time“, dem letzten Song des Abends, schmetterte jedenfalls ein so euphorisch wie klares „Yes!!!“ entgegen.
Rapperin mit Flöte
Geboren wurde Lizzo als Melissa Viviane Jefferson am 27. April 1988 in Detroit. Erste Erfolge feierte sie mit ihrem Solo-Debütalbum „Lizzobangers“, das vor allem Hip-Hop-Klänge versammelte. Auf „Big Grrrl Small World“ (2015) folgte 2019 schließlich das dritte Album „Cuz I Love You“, mit dem der Rapperin und Sängerin der Durchbruch gelang. In ihrer Musik vereint Lizzo einen Mix aus Disco, Pop, Rap und R’n’B. In ihren Texten beschwört sie ihre Hörerinnen und Hörer immer wieder, sich so zu lieben, wie sie sind.
Live überrascht die 34-Jährige häufig mit extravaganten Outfits – und Flötenspiel. Seit ihrem zwölften Lebensjahr spielt Lizzo das Instrument. An der University of Houston studierte sie einst sogar klassische Flöte.