Unter dem Eindruck der Ukraine-Krise hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Nato 2014 auf ein altes Ziel eingeschworen: die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent der Wirtschaftskraft (BIP) zu erhöhen. Schriftlich festgehalten wurde, sich auf diese Marke "binnen eines Jahrzehnts zuzubewegen".
Inzwischen ist das halbe Jahrzehnt vorbei – und die Bewegung in Deutschland verkehrt sich in ihr Gegenteil: Im kommenden Jahr wächst die Quote zwar noch einmal auf 1,37 Prozent an, wie es am Montag aus dem Finanzressort hieß. Danach aber geht es bergab: 1,33 Prozent, 1,29 Prozent, 1,25 Prozent lauten die Werte bis 2023. Man wolle "auf Sicht fahren".
Die Bundesregierung riskiert damit neuen Ärger im Bündnis und mit US-Präsident Donald Trump. Berlin hatte zuletzt zugesagt, bis 2024 zumindest 1,5 Prozent des BIP erreichen zu wollen. Trump, dessen Länderquote bei 3,39 Prozent liegt, hatte Merkel wegen der schwachen deutschen Zahlungsmoral mehrfach scharf angegriffen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mahnte erst vor wenigen Tagen "alle Alliierten einschließlich Deutschland", ihre Versprechen einzuhalten.
Aus der Koalition kommt nun ebenfalls Kritik: CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagte dieser Zeitung: "Ein Zurückfallen Deutschlands hinter die gemachten Zusagen zur Entwicklung unserer Verteidigungsausgaben schwächt die internationale Position Deutschlands entscheidend." Er warnte vor einem "Glaubwürdigkeitsverlust".
Die SPD allerdings dürfte mit der Lage der Verteidigungsausgaben nicht unzufrieden sein: Sie hält wenig davon, weitere Milliarden ins Wehrressort zu pumpen, das im kommenden Jahr 45,1 Milliarden Euro umfassen soll. Am Mittwoch will das Kabinett die Eckwerte von Scholz für den Haushalt 2020 beschließen, geplant ist ein Anstieg der Ausgaben auf insgesamt 362,6 Milliarden Euro. Vorwürfe von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der wegen der Pläne für sein Ressort die "Arbeitsfähigkeit" seines Hauses gefährdet sieht, wies das Finanzministerium zurück: In der Entwicklungspolitik seien alle Verpflichtungen "mit Geld unterlegt". Müllers Haus beklagt dagegen eine Lücke von bis zu sieben Milliarden Euro bis 2023.