Und dann ist plötzlich Krieg in Europa. Eine Tagesreise von Falkensee entfernt fallen Bomben, zerstören Leben und Träume, bringen Tod und Angst und lassen nur einen Wunsch zurück, raus aus den Bomben-Terror, lebendig, mit denen, die man liebt und dazu ein paar Habseligkeiten mitnehmen.
Das Schlimmste, was sich der Mensch je einfallen ließ, ist Krieg. Dem entfliehen gerade viele Menschen, vorwiegend Frauen, Kinder und betagte Menschen. Zurück in der Ukraine bleiben Söhne und Ehemänner, Väter und Brüder, Freunde, Geliebte, Enkel, Neffen. Familien werden zerrissen. Die Männer müssen bleiben, das Land verteidigen und es steht zu befürchten, dass manche der Frauen, die verheiratet ihr Land verlassen, als Witwen zurückkehren werden.
Initiative in Falkensee hat Erfahrung mit Flüchtlingen
Der Wunsch, den Flüchtlingen zu helfen, ist vielerorts groß. Fast in jedem Ort wird gesammelt: Kleidung, Nahrung, Hygieneartikel, Geld. In Falkensee ist mit der „WIF“, der Willkommen in Falkensee, eine Initiative gewachsen, die auf sieben Jahre Erfahrung zurückblicken kann. Mit den Flüchtlingsbewegungen aus Syrien begann die ehrenamtliche Arbeit von Gründungsmitglied Kathleen Kunath. Seitdem ist sie Sprecherin der Initiative, auch Christoph Böhmer ist seit 2015 dabei. Gemeinsam bereiten sie die Initiative auf die zu erwartenden Flüchtlinge aus der Ukraine vor.
In privaten Haushalten können Flüchtlinge zur Ruhe kommen
Laut einer Mitteilung des Landkreises vom Dienstag rechnet man mit einer
Aufnahme von rund 650 Menschen. Etwa 300 Menschen könnten sofort in Gemeinschaftsunterkünften aufgenehmen werden. Darüber hinaus haben Einwohnende des Havellandes ihre Bereitschaft zur Aufnahme in ihren Privathaushalten signalisiert. Diese Form der Unterbringung favorisiert auch Kunath. Im Schutze der Privatwohnung könnten die traumatisierten Menschen deutlich besser zur Ruhe kommen, sagt sie.
In Falkensee steht die WIF in Kontakt mit der Stadtverwaltung. Der ASB (Arbeiter Samariter Bund) wurde angefragt, ob, wie schon 2015/16 hier unbegleitete Kinder und Jugendliche unterkommen können. Auch die Kirchen sind mit im Boot, ebenso wie Tafel und Kleiderkammer. Die Stadt Falkensee erwägt das als „Stübing-Villa“ bekannte Haus für Flüchtlinge freizugeben. Drei Wohnungen würden damit zur Verfügung stehen.
Große Spendenbereitschaft
Kunath sagt, sie freue sich sehr über die große Spendenbereitschaft der Menschen. Viele Initiativen sammeln gerade Sachspenden. Das sei lobenswert, wichtiger noch seien Geldspenden, so Kunath. Aus ökologischer und pragmatischer Sicht, denn mit dem Geld könne gekauft werden, was genau in dem Moment gebraucht wird. Es ist flexibel einsetzbar. Damit unterstützte man auch die Händler vor Ort, die ihrerseits auch wieder die Flüchtlinge unterstützen.
Die WIF nehme derzeit keine Sachspenden entgegen. Kleidung soll weiterhin in der Kleiderkammer abgegeben werden, denn: „Wir haben ja bereits bedürftige Menschen in der Stadt. Die Flüchtlinge kommen dazu“, sagt Kunath, der es während ihrer Arbeit immer wichtig war zu betonen, dass die WIF für alle Bürger, egal ob nebenan geboren oder am anderen Ende der Welt, da ist. Nicht die Hautfarbe, sondern der Bedarf zählt. Was gebraucht wird, dazu werde es konkrete Spendenaufrufe geben, wenn es so weit ist, fügt sie hinzu.
Menschen benötigen eine Unterkunft
Am dringlichsten benötigen die Menschen eine Unterkunft. Nicht in Sammelunterkünften, besser in Privathaushalten. Mit einer Tür und der Gewissheit, dass morgen noch alles so ist wie heute, fügt Böhmer hinzu. Denn diese Gewissheit hat sich für die Menschen, die vor dem Krieg Schutz suchen, gerade aufgelöst. Der Rückzugsort sei wichtig, sagen beide. Kunath und Böhmer haben in den vergangenen Jahren viele Menschen in ähnlichen Situationen begleitet, haben selbst Menschen in ihrem Haus aufgenommen. Dabei sei es wichtig, dem Menschen Zeit zu geben, manchmal ist weniger reden und einfach geschehen lassen, besser.
Wer eine Unterkunft anbietet, sollte keine Erwartungen haben, wie sich der Flüchtling zu verhalten habe. Kunath weist darauf hin, dass die Ukrainer aus ähnlichen Lebensverhältnissen kommen. Die Frage nach den bisherigen Lebensverhältnissen mache durchaus einen Unterschied. Neben der Verlässlichkeit ist wichtig, dass die Gäste selbstbestimmt leben können.
Integration steht erstmal nicht im Vordergrund
Die Gastfamilien sollen keineswegs allein dastehen, ebenso wenig wie die Geflüchteten. Für alle will die WIF Angebote zum Austausch schaffen. Anders als bei vielen anderen Flüchtlingen werden die Menschen aus der Ukraine zum Großteil wieder in ihre Heimat zurück wollen, vermutet Böhmer. Das heißt auch, sie werden vielleicht erst einmal keine Anstalten treffen, die deutsche Sprache zu lernen. Anders als bei den Flüchtenden aus Syrien oder dem Irak steht die Integration nicht im Vordergrund.
Niemand weiß derzeit, wie sich die Lage in der Ukraine entwickelt. Klar sein dürfte, dass viele der Flüchtlinge geliebte Menschen verlieren werden. „Auch in diesen Momenten des Entsetzens und der Trauer sind wir da“, versprechen Kunath und Böhmer.
Treffen für interessierte Helfer in Falkensee
Wer keinen Wohnraum zur Verfügung stellen kann, kann mit Halt geben helfen. Ausflüge organisieren, Freizeitangebote schaffen, den Kuchen für das gemeinsame Treffen backen. Die Möglichkeiten seien nahezu unbegrenzt, sagt Kunath. Wer sich engagieren möchte, ist für Samstag, 5. März, um 15.00 Uhr zum Stadtgespräch eingeladen. Im Musiksaalgebäude, gegenüber der Stadtbibliothek, werden Angebote zur Unterbringung angenommen und Fragen zum Thema beantwortet. Die WIF arbeitet nach eigenen Angaben eng mit der Stadtverwaltung und dem Landkreis zusammen.
Infos zur Ukraine-Hilfe
Nach Informationen des Bundesinnenministeriums können ukrainische Staatsangehörige für 90 Tage ohne Visum in Deutschland bleiben. Ukrainische Staatsangehörige, die visumfrei für einen Kurzaufenthalt nach Deutschland eingereist sind, können nach Ablauf der 90 Tage eine Aufenthaltserlaubnis für einen weiteren Aufenthalt von 90 Tagen einholen.
Für Geldspenden hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz hat eine Liste von Hilfsorganisationen zusammengestellt. UNICEF: www.unicef.de; Aktion Deutschland Hilft e.V.: www.aktion-deutschland-hilft.de; Caritas: www.caritas-international.de; Diakonie Katastrophenhilfe: www.diakonie-katastrophenhilfe.de; Deutsches Rotes Kreuz: www.drk.de; Malteser: www.malteser.de
Das Ministerium bittet, Privatpersonen die Sachspenden gesammelt haben, mögen sich mit erfahrenen Hilfsorganisationen abstimmen. Wohnraum kann beim Landkreis unter folgender E-Mail-Adresse gemeldet werden: [email protected] Informationen und Kontakt zur WIF gibt es auf deren Website: https://willkommen-in-falkensee.org