Der Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg hat drei Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) eingereicht – zumindest sind sie postalisch auf dem Weg. Eine richtet sich gegen Verantwortliche der Tesla Manufacturing Brandenburg SE sowie ausführende Unternehmen wegen mutmaßlicher Gewässerverunreinigung und einer möglichen Umweltstraftat im besonders schweren Fall.
Außerdem erstattet der Verein Strafanzeige gegen Sascha Gehm, den ersten Beigeordneten des Landkreises Oder-Spree und Leiter des Dezernat III Bauen, Ordnung und Umwelt „wegen mangelnder Aufsicht und Kontrolle“ der Tesla Gigafactory. Gehm ist aktuell der CDU-Kandidat für die bevorstehende Landratswahl, weshalb diese Anzeige durchaus politische Brisanz besitzt.
Eine dritte Anzeige richtet sich ebenfalls gegen Tesla und bezieht sich auf den mutmaßlichen zu frühen Baubeginn auf dem Tesla-Gelände für den Bahnhof „Tesla-Süd“ des Werkshuttles.
Tesla rammt 104 Pfähle ohne Genehmigung – Baustopp zu spät?
Der VNLB ist aus der Bürgerinitiative Grünheide hervorgegangen und vertritt die Interessen von Einwohnern, die im Umfeld der Autofabrik wohnen. Konkret geht es in zwei Anzeigen um die illegalen Rammungen von 104 Pfählen, die Tesla auf dem Parkplatz der Gigafactory Anfang Februar dieses Jahres durchgeführt hat. Diese verstießen laut Verein gegen die Paragrafen 324 und 330 des Strafgesetzbuches (StGB), so die Argumentation. „Die Pfählungen erfolgten ohne Genehmigung der zuständigen Fachbehörden und vorheriger hydrologischer Untersuchung“, schreibt die Vereins-Vorsitzende Manu Hoyer zur ersten Anzeige.
Dem stellvertretenden Landrat Gehm wirft der Verein vor, „wiederholt“, ähnliche Verstöße Teslas nicht rechtzeitig gesehen und geahndet zu haben. Dadurch sei die Bevölkerung nahe des Produktionsstandortes „in Gefahr“. „Er ist von Amtes wegen zur Aufsicht der Vorgänge verpflichtet und hat eine koordinierende Funktion zwischen den verschiedenen Fachbereichen“, schreibt Hoyer. Zudem vertritt Gehm den Landkreis in der sogenannten Tesla Task Force.
Die Mitglieder des Vereins haben nach eigenen Angaben die Pfahlgründungen erstmals am 5. Februar dieses Jahres beobachtet. Die Analyse von Youtube-Videomaterial habe ergeben, dass Tesla die Fläche bereits am 25. Januar für Bauarbeiten vorbereitet habe und am 8. Februar die Pfähle bereits eingebracht hatte. „Obwohl die Rammung der Pfähle öffentlich einsehbar war, wurde der Vorgang nicht festgestellt. Nach Mitteilung an die Behörde am 6. Februar durch den VNLB und die Grüne Liga erfolgte kein Baustopp“, so die Argumentation. Die Rammung der Pfähle sei nicht unterbrochen worden. Dies wurde erst später durch den Landkreis veranlasst.
Erreichen die Pfähle das Grundwasser?
Tatsächlich waren die Arbeiten von Tesla im Vorfeld durch das Landkreis-Bauamt nicht genehmigt worden, weil Tesla dies nicht beantragt hatte. Der Kreis drückte anschließend seine „schwere Enttäuschung“ darüber aus. Pfähle bzw. die Durchdringung der Deckschicht ist per Wasserschutzgebietsverordnungen im Trinkwasserschutzgebiet verboten. Die Untere Wasserbehörde (UWB) des Landkreises kann sie aber per Ausnahmegenehmigung erlauben. Auf Pfählen wurde so beispielsweise das Presswerk von Tesla errichtet.
Laut Tesla soll auf dem Parkplatz ein ,Solar Canopy‘ entstehen, also eine Überdachung des Parkplatzes mit Photovoltaik-Modulen errichtet werden. Kritiker fragen sich derweil, warum für ein solches Dach Pfahlgründungen notwendig seien. Der Kreis prüft derzeit, ob eine nachträgliche Baugenehmigung ergehen kann.
In einem Krisengespräch des Umweltministeriums hatte der US-Autobauer gelobt, sich besser zu organisieren. Das Unternehmen habe einen neuen Bereich der „baurechtlichen Freigabe“ eingerichtet, um künftige Vorfälle zu vermeiden.
Brunnen versorgen tausende Haushalte mit Trinkwasser
Die Länge der Pfähle, die durch Tesla in den märkischen Sand eingebracht wurden, werden je nach Quelle auf fünf bis sieben Metern geschätzt und im Rahmen der Baugenehmigung geprüft. Doch jeder Meter kann an dieser Stelle wichtig sein, denn das Grundwasser steht nach Angaben des zuständigen Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) auf dem Gelände der Gigafactory dicht unter der Oberfläche, in sechs, sieben Metern. Die Fläche des Parkplatzes liegt nämlich mitten im Wasserschutzgebiet (Schutzzone III a) für das Wasserwerk Erkner, also die Wasserfassungen Neu Zittauer und Hohenbinder Straße. Der WSE versorgt auch aus diesem Wasser 170.000 Menschen im Verbandsgebiet.
Einwohner fürchten Austrocknung und Verunreinigung der Brunnen
Hoyer und ihre Mitstreiter verlangen nun einen Rückbau der Pfähle, denn von ihnen gingen ihrer Meinung nach mehrere Gefahren aus. „Zum einen wurde die circa fünf Meter starke Deckschicht über dem oberen Grundwasserleiter beschädigt. Dadurch erhöht sich die Gefahr des Schadstoffeintrages in den Grundwasserleiter“, schreibt Hoyer. Zum anderen werde der Grundwasserstrom durch eine Verdichtung des Bodens beeinträchtigt. „Da das Grundwasser in Richtung Brunnenanlage Hohenbinde und Hauswasserbrunnen in den Erkneraner Ortsteilen Hohenbinde und Karutzhöhe strömt, besteht die Gefahr des Ausfalls der Brunnen. Die Pfähle können den Grundwasserfluss einschränken, was zu Austrocknung der Brunnen und des Waldes führt“, sei die Befürchtung. In Folge sehe der Verein die Trinkwasserversorgung gefährdet, eine erhöhte Waldbrandgefahr und der Boden verliere an Stabilität.
Bauarbeiten zum Werkshuttle-Bahnhof „Tesla-Süd“ zu früh begonnen?
Eine dritte Anzeige bezieht sich auf die Genehmigung und Errichtung eines Werk-Shuttles zwischen Erkner und Freienbrink Süd, welche am 10. Februar durch das Landesamt für Bauen und Verkehr unter Guido Beermann (CDU) erlassen wurde. Der Verein kritisiert, dass zu diesem Zeitpunkt schon weite Teile des Gleisbettes, Stützmauern und des Haltepunktes errichtet worden seien. Auf Youtube-Videos werde deutlich, dass die Bauarbeiten also ebenfalls ohne Genehmigung erfolgt seien. Auch diese Arbeiten seien nicht unterbunden worden.
Wasserverband hat ebenfalls Pfahl-Rammungen angezeigt
MOZ-Anfragen beim Landkreis Oder-Spree und Tesla zu den Vorwürfen blieben bislang unbeantwortet. Dafür äußerte sich Herr Gehm in einer Fürstenwalder Facebook-Gruppe: „Der Vorwurf ist doch Banane“, schrieb er unter dem Artikel. „Kein Unternehmen wird so viel kontrolliert wie Tesla. Die Blitzer des Landkreises können auch nicht verhindern, dass zu schnell gefahren wird. Und eine Gefährdung des Grundwassers hat es in der ganzen Zeit, auch während der Betriebsstörung, nie gegeben.“
Von der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) war zu hören, dass die Strafanzeigen am Donnerstagnachmittag dort noch nicht bekannt waren. Es lag aber zuletzt auch eine Anzeige des Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) wegen des Einbringens der Pfähle vor. „Das Verfahren wurde am 23. Februar 2023 an die Schwerpunktabteilung der Staatsanwaltschaft Potsdam abgegeben“, heißt es.