Der Abwahlantrag gegen Wasserverbandschef André Bähler ist nicht der einzige gewesen, den die sieben Bürgermeister des Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE) am Montag (14. August) bei einem von Landrat Gernot Schmidt (SPD) anberaumten Treffen im Strausberger Rathaus übergeben haben. Auch der kaufmännische Leiter und stellvertretende Verbandsvorsteher Gerd Windisch soll am 27. September bei der nächsten Verbandsversammlung abgewählt werden. Damit möchten die Bürgermeister die gesamte Spitze des WSE austauschen.

Zwei Abwahlanträge bei Vorstandstreffen übergeben

Dies geht aus einer Mail von Ralf Steinbrück (SPD) an die Gemeindevertreter von Schöneiche hervor. Bestätigt wird dies durch den WSE sowie Erkners Bürgermeister Henryk Pilz (parteilos), der beide Anträge in seiner Funktion als Vorsteher der Verbandsversammlung entgegennahm, aber nicht als Bürgermeister unterzeichnete. „Es wurden mir beide Abwahlanträge am Montag, 14.08.2023, durch Herrn Steinbrück übergeben. Die Antragsteller sind identisch und die Rechtsgrundlage und Frist ist dieselbe“, sagte er MOZ.de. Zu beiden Anträgen liege keine schriftliche Begründung der Bürgermeister vor. „Die wörtliche Begründung bei der Übergabe der Abwahlanträge deckt sich aber mit den Aussagen von Herrn Steinbrück Ihrer Zeitung gegenüber.

Sieben Bürgermeister stellen Abwahlanträge

Sieben Bürgermeister und Bürgermeisterinnen haben beide Abwahlanträge unterschrieben:
Altlandsberg (10 Stimmen)
Strausberg (28)
Neuenhagen (20)
Schöneiche (14)
Fredersdorf-Vogelsdorf (15)
Grünheide (7)
Amt Spreenhagen für Gemeinde Gosen-Neu Zittau (4)
Geht es nach den Gemeindestimmen verfügen die Unterzeichner über 98 der insgesamt 181 Stimmen innerhalb der Verbandsversammlung. Bei der Abwahl hat jede Gemeinde jedoch nur eine Stimme.
Laut Steinbrücks Ausführungen gegenüber MOZ.de stehe der Wasserverband vor Herausforderungen, die nur durch „Kooperation und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden auf Kreis- und Landesebene sowie mit den Mitgliedskommunen des WSE“ erreicht werden könne. Das Vertrauen in die Verbandsspitze sei diesbezüglich verloren gegangen, weil es zu viele „Konflikte und Konfrontationen“ gegeben habe.

Steinbrück will Neuanfang beim Wasserverband

Der Schöneicher Bürgermeister Steinbrück gilt vordergründig als Initiator der Abwahlanträge, weil er die Stimmen dafür gesammelt hat. Zuvor hatte schon der SPD-Fraktionsvorsitzende von MOL, Ronny Kelm, eine personelle Neuausrichtung ins Spiel gebracht. Parteikollege und Landrat Schmidt will von all den Bestrebungen auf der von ihm einberufenen WSE-Vorstandsveranstaltung am Montag, wo er explizit André Bähler nicht dabei haben wollte, nichts gewusst haben. Er sei zu spät zum Treffen gekommen, habe eigentlich mit den Bürgermeistern nur „massive Beschwerden und Hilfegesuche von Unternehmen“ beraten wollen. „Diese Probleme nach mehr als einem Jahr von Sondierungen und Lösungsvorschlägen endlich auch tatsächlich zu klären, war mein Ziel für diesen Termin“, sagte er.
Der Schöneicher Bürgermeister schrieb an seine Gemeindevertreter, dass er auch den Antrag gegen Gerd Windisch befürworte und unterschrieben habe. „Der WSE braucht an seiner Spitze einen personellen Neuanfang. Dieser Neuanfang läge nicht in der Person des derzeitigen Stellvertreters“, heißt es in der E-Mail. Wie dieser Neuanfang genau aussehen soll, schreibt er nicht. Die Landtagsfraktion BVB/Freie Wähler stellte eine mögliche SPD-Intrige in den Raum, um den WSE politisch zu beeinflussen. Jedwede Komplottunterstellungen wies Schmidt zuletzt zurück.

Größter Kritiker von Tesla-Überwachungsbehörden soll gehen

Gerd Windisch (64) wurde erst am 30. November 2022 einstimmig für acht Jahre als stellvertretender Verbandsvorsteher von allen Bürgermeistern bestätigt. Erstmals wurde er 2014 gewählt. Seit Januar 1996 ist der Diplom-Ökonom mit der Fachrichtung Finanzwirtschaft kaufmännischer Leiter des WSE.
Der gelernte Diplom-Ingenieur für Umwelttechnik André Bähler (56) ist seit April 2020 Verbandsvorsteher und wurde für acht Jahre gewählt. Seit 2014 war er als technischer Leiter beim WSE beschäftigt. Sein Posten müsste neu ausgeschrieben werden. Solange die Stelle vakant ist, müsste eine kommissarische Leitung den WSE führen.
Als Chef des Wasserversorgers, der 170.000 Menschen der Region und auch die Tesla-Gigafactory in Grünheide mit Wasser beliefert und das anfallende Abwasser abnimmt, hatte Bähler bereits bei Bekanntwerden der Tesla-Ansiedlung öffentlich auf den Wassermangel der Region hingewiesen, die durch die Gigafactory verschärft würde. Nach illegalen Bauarbeiten und Unfällen auf dem Tesla-Gelände galt er auch als größter Kritiker des Landesumweltamtes unter Umweltminister Axel Vogel (Grüne) sowie der Unteren Wasserbehörde des Landkreises Oder-Spree in ihrer Funktion als Überwachungs- und Genehmigungsbehörden von Tesla.
Letzter Auslöser für die Abwahlanträge soll die Klage des WSE gegen die Untere Wasserbehörde des Landkreises Märkisch-Oderland unter Landrat Gernot Schmidt sein. Dabei geht es um eine wasserrechtliche Erlaubnis für die illegale Mülldeponie eines Gewerbegebietes an der Frankfurter Chaussee/Schöneicher Weg in Vogelsdorf für die Sorbus GmbH. Die Investorengruppe möchte hier unter anderem Tesla-Zulieferer ansiedeln.

Wird ältester Bürgermeister WSE-Leitung übernehmen?

Doch was passiert nun, wenn die gesamte Führungsriege des WSE wirklich bei der Verbandsversammlung am 27. September abgewählt werden sollte? Darüber brüten jetzt die Juristen im Hintergrund. „Ab hier wird es sehr kritisch für den Verband. Er würde bei der Abwahl des Vorstehers, inklusive seines Vertreters, gesellschaftlich und juristisch handlungsunfähig sein“, erklärte Pilz gegenüber MOZ.de. 120 Mitarbeiter des Wasserverbandes stünden führungslos da. Im Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKGBbg) Paragraf 24 sei jedoch festgelegt, dass dann das älteste Mitglied der Verbandsversammlung als kommissarischer Vorsteher einzusetzen sei.
In dem Fall wäre es Hans-Joachim Schröder (72) vom Amt Spreenhagen. Er ist aber Verbandsvorsteher vom Fürstenwalder Wasser-Zweckverband und ein Abwahlantragsteller; also befangen. Zudem will er Ende dieses Jahres sein Amt niederlegen. Wenn Schröder ablehnt, kämen in der Reihenfolge nach dem Lebensalter verschiedene weitere Bürgermeister und Bürgermeisterinnen oder ihre Stellvertreter infrage. Beispielsweise Arno Jaeschke (Altlandsberg), Sabine Löser (Rüdersdorf) oder Arne Christiani (Grünheide). Jaeschke und Christiani hatten die Abwahlanträge beide unterschrieben.

Wird WSE-Nachfolger von Landrat Schmidt eingesetzt?

Doch greift dieses Gesetz überhaupt oder wird im Rahmen des Notrechts der Kommunalverfassung (hier Paragraf 108) Landrat Gernot Schmidt eine kommissarische Leitung ernennen? Immerhin ist der Landkreis die Fach- und Rechtsaufsicht des Verbandes. „Ab diesen Punkt wären wir in einer Situation angekommen, der allen ,Verschwörungstheoretikern‘ recht geben könnte und offensichtlich vermuten lässt – hier wird eine Übernahme eines Zweckverbandes für politische Zwecke forciert“, sagt Bürgermeister Pilz dazu. „Ich möchte darauf hinweisen, dass ich persönlich dieses Szenario nicht unterstützen kann.“

Ein mysteriöses Stück aus dem Tollhaus?

MOZ.de hakte noch einmal bei Landrat Gernot Schmidt (SPD) nach, der am Telefon bezüglich dieses Szenarios zugab, wie „mysteriös“ dieses „Stück aus dem Tollhaus“ anmute, wenn dieses Szenario eintrete. Man lasse diese Konstellation derzeit rechtlich prüfen. „Das geht natürlich gar nicht, dass wir dann mich, einen Beigeordneten oder einen Verwaltungsmitarbeiter aus meinem Haus einsetzten“, erläuterte er. „Wenn eine solche Konstellation eintritt, dann werde ich eine unabhängige Person berufen, die nicht mit uns verbandelt ist.“
Pilz und Schmidt seien sich einig, schreibt der Pressesprecher des Landkreises, dass in einem solchen Fall der Landkreis Pilz als Vorsitzendem der Verbandsversammlung mehrere Vorschläge (bspw. Rechtsanwaltskanzleien) unterbreiten würde, die nicht mit dem Landkreis in einer möglichen Konstellation eines Interessenkonfliktes stünden.
Egal welche Personalie am Ende aufs Tableau gehoben wird, die WSE-Verbandsversammlung wird per Mehrheitsbeschluss darüber entscheiden – genauso wie über die Schicksale von Bähler und Windisch.