Ende Juli 2023 geht Landrat Rolf Lindemann (SPD) in den Ruhestand. Am 23. April konnten 152.267 Menschen im Landkreis Oder-Spree einen neuen Landrat wählen.
Um 20 Uhr stand das vorläufige Ergebnis fest. Rainer Galla (AfD) konnte 24,8 Prozent der gültigen Stimmen auf sich vereinen. Damit liegt der Jurist von der Rechtsaußenpartei knapp vor dem Beeskower Bürgermeister Frank Steffen (SPD/ 22,5 Prozent) und Vize-Landrat Sascha Gehm (CDU/ 20,7 Prozent). Auf Platz vier kommt Melanie Sellin (BVB/Freie Wähler/ 18 Prozent). Die restlichen vier Kandidaten bleiben im einstelligen Bereich.
Wer neuer Landrat wird, ist damit weiter offen. Keiner der acht Kandidaten hat die erforderliche Mehrheit erreicht. Somit stehen Rainer Galla und Frank Steffen am 14. Mai in der Stichwahl.

Das sagt Frank Steffen zu den Ergebnissen

„Das erste Ziel, in die Stichwahl zu kommen, ist erreicht“, sagte Frank Steffen. Damit sei er sehr zufrieden. „Nicht zufrieden bin ich damit, dass der Kandidat der AfD besser ist. Das ist etwas, das mir Sorge bereitet“, betonte der 52-Jährige, der die Veröffentlichung der Ergebnisse mit Freunden in der Alten Schule in Beeskow verfolgte. Ihm sei sehr wichtig, dass möglichst viele Menschen zur Stichwahl gehen.
Die AfD liegt vorn – ein Aushängeschild ist ihr Kandidat nicht
Landratswahl Oder-Spree 2023
Die AfD liegt vorn – ein Aushängeschild ist ihr Kandidat nicht
Ein Kommentar von Janet Neiser

Das sagt Rainer Galla zu den Ergebnissen

„Ich bin sehr, sehr zufrieden. Mit diesem Ergebnis habe ich nicht gerechnet“, sagte Rainer Galla, „zumal es von der SPD und der CDU zwei schwergewichtige Konkurrenten gab“. Den Abend verbrachte der 61-Jährige mit seiner Frau Kathleen Muxel mit einem Abendessen beim Griechen. „Wir wollten eigentlich beim Auszählen der Stimmen in Grünheide dabeisein, sind dann aber aufgrund der vielen, eingehenden Anrufe einfach sitzengeblieben“, so Galla.

Diese acht Kandidaten standen zur Wahl

Der Stimmzettel – so wird die Reihenfolge festgelegt

Die Stimmzettel und die Umschläge für die Briefwahl werden amtlich hergestellt. Dafür und für die rechtzeitige Übergabe an die Wahlvorstände und die Wahlbehörde ist der Wahlleiter verantwortlich. Das ist Michael Buhrke.
Die Reihenfolge der Wahlvorschläge auf dem Zettel richtet sich nach der Stimmenzahl, die die Parteien, politischen Vereinigungen, Wählergruppen und Einzelbewerber bei der letzten Wahl zur Vertretung des Wahlgebietes erreicht haben; im Übrigen ist die Reihenfolge alphabetisch. Das regelt das Kommunalwahlgesetz.
„Jeder Wähler muss wählen können, darum stellen wir so viele Stimmzettel her, dass es für jeden reicht“, betont Buhrke. Auch, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass 100 Prozent der Wahlberechtigten wählen gehen. Stimmzettel, die ungenutzt übrig bleiben, könnten später anderweitig genutzt werden – etwa als Malpapier für Kitas.

Wer darf wählen?

Genau 152.267 Frauen und Männer. Das steht seit Freitag (21. April), 18 Uhr, fest, weil zu diesem Zeitpunkt die Wählerverzeichnisse geschlossen wurden. Das Mindestalter beträgt 16 Jahre. Zur Stimmabgabe ist die Wahlbenachrichtigung mitzubringen und der Personalausweis bereitzuhalten – bzw. der Identitätsausweis oder Reisepass von Unionsbürgern.

Wahlbenachrichtigungskarte oder Wahlschein verbummelt?

Was passiert, wenn jemand die Wahlbenachrichtigungskarte nicht mehr findet? Wer mit seinem Personalausweis in dem Wahlbüro erscheint, das ihm zugeteilt wurde, kann dennoch wählen, sagt Buhrke.
Wer hingegen seinen vorab bestellten Wahlschein nicht mehr findet, habe in der Regel Pech, erklärt der Wahlleiter. Nur bis Freitag 18 Uhr hätte sich derjenige einen neuen besorgen können. Nur bei plötzlicher, unerwarteter Krankheit gebe es in besonderen Einzelfällen eine Ausnahme. Das müsse so streng geregelt sein, damit sichergestellt ist, dass niemand mehrfach abstimme.

Briefwahl

In mindesten einem Wahllokal gab es Irritationen, weil die Unterlagen in eine nicht verschlossene Urne geworfen werden mussten. Dazu erklärt Wahlleiter Buhrke: „Diese Urnen müssen nicht verschlossenen werden.“ Die Wahl sei dennoch anonym, da der Stimmzettel nicht direkt in der Urne lande. Denn die Briefwahlunterlagen (unterschriebener Wahlschein und verschlossener Umschlag mit Stimmzettel) kommen noch einmal in einen Wahlbriefumschlag. Dieser konnte auch in einen ganz normalen Postbriefkasten gesteckt werden, nennt Buhrke einen Vergleich.

Auszählung der Stimmen

Sobald ab 18 Uhr die Wahllokale geschlossen haben, ermittelt der Wahlvorstand in öffentlicher Sitzung das Wahlergebnis im Wahlbezirk. Die Ergebnisse werden am Abend der Landratswahl auf der Webseite der Kreisverwaltung www.l-os.de veröffentlicht. Auch an dieser Stelle werden Sie eine Grafik finden, sobald die ersten Wahlergebnisse vorliegen.

Wer ist gewählt?

Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat, sofern diese Mehrheit mindestens 15 von Hundert der wahlberechtigten Personen umfasst. Bei den eingangs genannten 152.267 Wahlberechtigten macht dies genau 22.840,05 Stimmen. „Da es keine halben Wähler gibt, wird aufgerundet“, sagt Buhrke. Heißt: Nur, wer mindestens 22.841 Stimmen bekommt, kann im ersten Wahlgang Landrat werden.
Erhält kein Bewerber diese Mehrheit, so findet am Sonntag, 14. Mai 2023, in der Zeit von 8 bis 18 Uhr eine Stichwahl statt.
Video verkündet Sellin als Landrätin – Wahlkampf mit Geschmäckle?
Landratswahl Oder-Spree 2023
Video verkündet Sellin als Landrätin – Wahlkampf mit Geschmäckle?
Beeskow
Sollte in der Haupt- und in der Stichwahl keine Bewerberin und kein Bewerber die Voraussetzungen für eine Direktwahl erfüllen, käme ein komplett neues Verfahren in Gang, bei dem die Stelle der Landrätin, des Landrates ausgeschrieben würde. Die Entscheidung läge dann bei den Mitgliedern des Kreistages.

Das sagen Menschen aus dem Landkreis Oder-Spree am Wahltag

„Wir werden die 15 Prozent nicht erreichen“, glaubt Denise Kunze aus Kagel in der Gemeinde Grünheide. Die dreifache Mutter und ihr Mann haben dort gegen 9 Uhr ihre Stimmen im Wahllokal im Bürgerhaus abgegeben. „Für mich steht Familienfreundlichkeit an erster Stelle“, sagt die 35-Jährige. Und nach diesem Aspekt habe sie auch ihr Kreuzchen gemacht. Da Denise Kunze Polizistin ist, ist ihr auch das Thema innere Sicherheit wichtig.
Brigitte und Hendrik Wulff sind vor einem Jahr von Berlin nach Fürstenwalde gezogen und haben dort am Vormittag ihre Stimmen abgegeben. „Der Busverkehr funktioniert teilweise schlecht und es wird nicht immer über Veränderungen im Fahrplan informiert“, nennt das Paar ein bestehendes Manko. Von einem neuen Landrat, einer neuen Landrätin erhofft es sich einen stärkeren Fokus auf den ÖPNV. Außerdem wünschen sich Wulffs, dass der Landrat stärker daraufhin wirkt, dass sich mehr Ärzte in der Region niederlassen. Denn: „Zum Facharzt müssen wir noch immer oft nach Berlin.“

Politikverdrossenheit

„Ich gehe schon viele Jahre nicht wählen“, sagt eine Frau aus Fürstenwalde. „Die da oben machen doch sowieso nicht, was wir wollen“, begründet sie diese Entscheidung. Sie wünsche sich mehr Volksabstimmungen, sagt die Rentnerin, die ihren Namen nicht nennen möchte.
Auch ein junges Pärchen erklärt, dass es nicht wählen gehe. „Ich habe mich nicht damit beschäftigt und es kommt eh nicht raus, was man wählt“, sagt der Mann, der seinen Namen ebenfalls nicht verrät.