Wenn Waldi oder Lucky ab und zu mal „Sitz“ machen, am besten spätestens nach der dritten Aufforderung, oder im Hundeauslauf tatsächlich auf Kommando zu Herrchen und Frauchen zurückkommen, dann sind die meisten Hundebesitzer ziemlich stolz. Aber wie würden sich normale Hundebesitzer fühlen, wenn die Fellnase auf einer Wiese oder einem Acker genau die 600 Schritte zurückverfolgen könnte, die man vor einer Stunde ins Gras gesetzt hat? Und dabei keinen Zentimeter von der Fährte abweicht?
Eine dieser beneidenswerten Hundehalterinnen ist Vivienne Bauer. Ihr Hund ist kein Waldi, sondern eine fünfjährige Belgische Schäferhündin, ein Malinois. Diese Hunde sind etwa so groß wie ein Deutscher Schäferhund, aber nicht so massig, daher schneller und wendiger, sehr lern- und arbeitsfreudig, was bei der Ausbildung hohe Anforderungen an den jeweiligen Hundeführer stellt.
Vivienne Bauer trainiert regelmäßig auf dem Hundeplatz des MSV 1919 Neuruppin e.V.
Vivienne Bauer trainiert regelmäßig auf dem Hundeplatz des MSV 1919 Neuruppin e.V.
© Foto: Jens Karraß
Genau diese Herausforderung liebt die 18-Jährige. Denn ihre Karriere in der Hundeschule begann bereits im zarten Alter von vier Jahren. Von da an war sie jede Woche dabei, wenn ihre Mutter, die Hundetrainerin Joanna Bauer, auf den Trainingsplatz ging. Gezwungen werden musste sie dazu nicht, die Liebe zu Hunden war unausweichlich, denn nicht nur der Wipy lebte bereits vor ihrer Geburt im Elternhaus, sondern auch immer wieder Hunde, die zur Ausbildung ins Haus Bauer einzogen. „Meistens waren die Ausbildungshunde oder Welpen immer sechs Wochen bei uns, bevor wieder ein neuer von uns ausgebildet wurde. Wir hatten alle Rassen von Boxer, Schäferhund, Rottweiler, Dobermann“, erzählt Vivienne.

Erster Landesjugendmeister-Titel mit Zwölf

Nicht mit vier, aber nur einige Jahre später durfte sie schon Hunde trainieren, deren Besitzer etwas älter oder körperlich eingeschränkt waren. Zuerst waren es Hunde, die schon gut hörten, später durfte sie auch „Problemhunde durch das Training quälen“. Als sie zwölf Jahre alt war, langweilte sie sich jedoch damit und äußerte immer öfter den Wunsch nach einem eigenen Hund. Schon lange träumte sie davon, einen Malinois zu haben und mit ihm Hundesport zu betreiben. Ihre Mutter, eine Hundeexpertin, wusste natürlich, wie anspruchsvoll diese Rasse und dieser Sport sind, und als kindliche Erklärung, um ihre Tochter zu schützen, gab sie die Begründung: „So ein Hund ist sehr teuer, und das tägliche Futter kostet auch sehr viel“.
Die Mutter von Vivienne wusste, was auf ihre Tochter und ihren Malinois zukommen würde. Hier ist "Cute" bei einer Landesmeisterschft 2022 zu sehen.
Die Mutter von Vivienne wusste, was auf ihre Tochter und ihren Malinois zukommen würde. Hier ist „Cute“ bei einer Landesmeisterschft 2022 zu sehen.
© Foto: Joanna Bauer
Doch Vivienne Bauer ließ nicht locker und so kam es, dass sie als Zwölfjährige mit Malinois-Welpen aus der Hundeschule zum Training zu einer befreundeten Hundesporttrainerin gehen durfte. Dort lernte sie zufällig deren siebenjährige Belgische Schäferhündin Pia kennen, die eigentlich aus dem Hundesport ausgemustert worden war. Erst durfte sie mit ihr Ball spielen, dann hieß es, weil sie und der Hund so gut harmonieren, könnten sie auch ein bisschen zusammen trainieren. „Aus ‚bisschen zusammen trainieren‘ wurde dann, dass wir Prüfungen gelaufen sind und wir zusammen Landesjugendmeister wurden“, erzählt sie.
Klar, Pia konnte alle Prüfungen noch, aber dass „Vivi“, wie sie von allen auch heute noch genannt wird, so gut mit dem ganz besonderen Hund umgehen konnte, dass sie sie gut durch die Prüfungen brachte, war erstaunlich. Und vertiefte ihren Wunsch, unbedingt auch mal einen Malinois zu besitzen.

Erster eigener Belgischer Schäferhund mit 13

War dieser Landesjugendmeistertitel schon eine zugegebenermaßen schöne Überraschung für die Mama, so gab es ein Jahr später noch eine weitere. „Es hieß immer, ich bekomme erst einen Malli, wenn ich genug Geld dafür habe, also habe ich die ganze Zeit, bis ich 13 war fleißig alle Geschenke gespart, zusätzlich in der Hundeschule geholfen, ein bisschen Geld dazu verdient, bis ich meinem Vater sagen konnte, hier ist eine Excel-Tabelle, ich kann mir den Hund leisten, und habe den Unterhalt für ihn für fünf Jahre im Voraus“, klingt immer noch der Stolz in ihrer Stimme mit. Und so stand ihrem Traum nichts mehr im Wege, „Cute“ trat in ihr Leben.
Vivienne Bauer, 18-jährige Hundesportlerin mit ihrem Hund Cute bei der Unterordnung.
Vivienne Bauer, 18-jährige Hundesportlerin mit ihrem Hund Cute bei der Unterordnung.
© Foto: Joanna Bauer
Mit der jungen Vivien Bauer über Hunde zu sprechen, ist kompetent, frisch, modern. Mit ihren 18 Jahren blickt sie bereits auf eine ebenso lange Zeit der Erfahrung im Umgang und in der Ausbildung von Hunden zurück. Das gibt ihr eine Kompetenz, die man ihrem jungen Gesicht gar nicht zutrauen würde, aber wenn es um Hunde geht, gibt es kein Zögern, kein Suchen nach Worten, alles strahlt eine große Sicherheit und Kompetenz aus. Da ist immer eine jugendliche Frische, bei der klar ist, dass alles noch neu ist, alles im Fluss ist und nichts zu komisch ist, um nicht ausprobiert zu werden.
Sie liebt den Hundesport, aber noch mehr ihre Hündin und sorgt sich vor allem darum, dass sie diesen körperlich sehr anstrengenden Sport gesund ausüben kann. „Sie ist jetzt fünf Jahre alt und kann noch drei Jahre weitermachen. Danach möchte ich, dass sie gesund ist und noch viele Jahre mit mir Spaß hat.“

Verletzungen vorbeugen

Um dies zu gewährleisten, hat sie für Cute ein ausgeklügeltes Programm entwickelt, das für jeden Wochentag andere Trainingsinhalte vorsieht. Das erinnert an die speziellen Trainingspläne für Leichtathleten, die zu internationalen Meisterschaften fahren wollen: Schnellkraft, Sprungkraft, Ausdauer, Intervalle, Bergtraining und Widerstandsläufe sowie Krafttraining für die Nackenmuskulatur.
In ihrem Hundesport gibt es drei Disziplinen: Fährte, Unterordnung und Schutzdienst. Besonders die letztgenannte Disziplin birgt ein hohes Verletzungsrisiko. Wenn der Schutzdiensthelfer einen Fehler macht und der Hund in den Ärmel läuft, geht alles in den Nacken. Je besser seine Muskulatur ist, desto besser kann er Verletzungen abfangen. „Deshalb trainiere ich einmal pro Woche speziell die Nackenmuskulatur. Dabei muss Cute einen 3,5 Kilogramm schweren Dummy im Maul tragen und die Pendelbewegungen ausgleichen“, erzählt Vivienne.
Vivienne Bauer hat ein ausgeklügeltes Trainingsprogramm, das ihre Hündin befähigt, ihre Leistungen zu bringen und dabei verletzungsfrei zu beliben.
Vivienne Bauer hat ein ausgeklügeltes Trainingsprogramm, das ihre Hündin befähigt, ihre Leistungen zu bringen und dabei verletzungsfrei zu beliben.
© Foto: Vivienne Bauer
Bei der Unterordnung geht es um: Fuß, Sitz, Platz, Steh, Apportieren, Vorwärtslaufen, Ablegen, auch unter Ablenkung. Alle Übungen müssen perfekt sein. Vivienne sagt: „Der Hund darf keinen Millimeter schief stehen, er darf nicht weggucken, er muss dich die ganze Zeit ansehen. Er muss beim Laufen die Pfötchen schmeißen und die ganze Zeit eine tolle Ausstrahlung haben. Eigentlich sind es einfache Übungen, aber perfektioniert. Ein bisschen wie eine Pferdekür“.
Bis auf die Perfektion bei der Ausführung erschließt sich auch dem Waldi-Hundebesitzer diese Disziplin und einiges davon ist machbar. Aber wie funktioniert das eigentlich mit der Fährte, wie bringe ich meinen Hund dazu, auch nach einer Stunde noch jeden einzelnen Schritt meiner Fährte exakt zu finden?

Es muss nach Futter und Mama riechen

„Im Prinzip sucht er die Wunde im Boden, wenn das Gras zertreten wird. So wie wir frisch gemähtes Gras riechen können, können die Hunde die durch die Schritte zertretenen Halme riechen“, beginnt Vivi ihre kurze Einführung in die Fährtenarbeit. In der Prüfung, also im Wettkampf bei Meisterschaften, sind es meist 600 Schritte, die verfolgt werden müssen.
Wie man das üben kann, beschreibt sie so: „Am einfachsten, das macht den Hunden am Anfang richtig Spaß, ist ein Quadrat von einem Meter Seitenlänge so auszutreten, dass alles schön nach Gras riecht. Dann streut man Futter hinein.“ Der Hund wird das Futter fressen. Der Trick ist nun, die Fläche, die man zertrampelt, immer mehr zu verkleinern, trotzdem weiter ausreichend Futter zu streuen. Bis die Größe auf Fußabdrücken reduziert wird, wobei der Rasen immer noch übertrieben zertreten wird.
„Eigentlich frisst er nur das Futter. Aber er ist so schlau, dass er das verbindet. Ah okay, da wo es kaputt riecht und da wo es irgendwie nach Mama riecht, weil am Anfang beim Training macht man das noch selber, da gibt es immer Futter. Und wenn ich nach links oder nach rechts gehe, wo es nicht so riecht, da gibt es kein Essen“. Irgendwann lässt man das Überangebot an Futter weg und es gibt nur noch nach ein paar Schritten Futter. „Dann weiß der Hund, ich muss suchen, wo in der Trittspur noch Futter ist. Das ist eigentlich eine Suche nach viel Futter“.
Im Idealfall folgt der Hund der Fährte einer fremden Person Schritt für Schritt, ohne abzuweichen, in gleichmäßigem Tempo und zeigt die von der Person abgelegten Gegenstände an. Diese Übung ist äußerst anstrengend. „Nach so einer 600 Schritt langen Fährte ist der Hund völlig fertig, total müde und nicht mehr aufnahmefähig. Wenn ich Cute danach nach Hause oder in ihre Box bringe, schläft sie sofort ein.“

Hochleistungssport für den Hund

Das Verhältnis zwischen Arbeit und Erholung ist genauso wichtig wie im Hochleistungssport beim Menschen. Wenn ihre Cute zu Hause ist, wird sie weniger bewegt, um Energie zu tanken, damit sie auf dem Platz alles geben kann. Durch die Häufigkeit der Meisterschaften im Jahr ist sie ständig in Wettkampfvorbereitung. Neben dem eigentlichen Fährten-, Unterordnungs- und Schutzdiensttraining besteht die Woche aus zwei Fahrradtrainings, einem Nackentraining, einem Sprinttraining und einem Hinterhandtraining mit Reifenziehen.
Sonntags ist Physiotherapie und auch die Ernährung ist sportlich wie bei menschlichen Athleten: Es gibt Elektrolytzusätze und Eiweißpulver. Wenn sie auf dem Hundeplatz des SV Neuruppin trainiert, darf sie den Fallschirm der Fußballer benutzen, um mit ihrer Hündin Widerstandsläufe zu machen. Bei Punktspielen ist sie mit Cute die Attraktion in der Halbzeitpause: Sie üben einige Abläufe unter erschwerten Bedingungen: Jubelnde Menschenmassen.
Zur Verbesserung der Kraft für schnelleres Sprinten und höhere Sprünge darf Vivienne Bauer mit Cute den Fallschirm der Fußballer des MSV nutzen.
Zur Verbesserung der Kraft für schnelleres Sprinten und höhere Sprünge darf Vivienne Bauer mit Cute den Fallschirm der Fußballer des MSV nutzen.
© Foto: Vivienne Bauer

Influencerin startet bei den Deutschen Meisterschaften

Das wird ihr sicher helfen, denn schon morgen startet Vivienne Bauer bei den Deutschen Meisterschaften in Hechingen (BaWü). Auch ihre zahlreichen Fans in den sozialen Netzwerken werden gespannt auf die Ergebnisse warten. Die Influencerin „vibadog“ hat 24k Follower auf Instagram und 61,7k auf TikTok. Ihre Ratgebervideos sind sehr beliebt und wurden bereits von Millionen Hundeliebhabern gesehen.
Seit 14 Wochen hat Vivienne Bauer nun Amigo bei sich. Er wird dafür sorgen, dass Cute in drei Jahren happy aus dem Sport in Rente gehen kann. Er wird dann mit Frauchen auf Wettkampftour gehen.
Seit 14 Wochen hat Vivienne Bauer nun Amigo bei sich. Er wird dafür sorgen, dass Cute in drei Jahren happy aus dem Sport in Rente gehen kann. Er wird dann mit Frauchen auf Wettkampftour gehen.
© Foto: Veronique Bauer
Bis Januar nächsten Jahres macht die 18-Jährige noch eine Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse. Danach will sie dort in Teilzeit arbeiten, „um etwas Sicheres zu haben und parallel in der Hundeschule weitermachen, denn mein Traumjob ist hier bei den Hunden“. Als nächstes Ziel hat sie sich vorgenommen, die IHK-Ausbildung zur Hundetrainerin zu machen, wie es ihre Mutter schon lange ist - und mit ihr zusammen noch mehr in der Hundeschule JoBaDog einzusteigen.