Warum bewirbt man sich um den Vorsitz der Deutsch Polnischen Gesellschaft (DPG)? Die SPD-Politikerin Simona Koß, die 61-Jährige ist zugleich ehrenamtliche Bürgermeisterin von Prötzel bei Strausberg, sitzt im Kreistag MOL und leitet den SPD-Unterbezirk MOL, hat also ohnehin recht viel um die Ohren. Sie nennt zunächst persönliche Motive: „Meine Eltern stammen aus Schlesien und Oberschlesien, somit wurde mir von vornherein das Interesse für unser Nachbarland in die Wiege gelegt“, erklärt sie im „Forum Dialog“, der Publikation der Gesellschaft. Zum anderen verweist sie darauf, dass sie in der Grenzregion Märkisch-Oderland zu Hause ist.
Als Leiterin der Kleeblatt-Schule Seelow hatte sie erste Erfahrungen in der deutsch-polnischen Zusammenarbeit im Bildungsbereich gemacht. Im Vorstand des Bildungs- und Begegnungszentrums Schloss Trebnitz konnte sie mehrfach beobachten, wie viele Freundschaften zwischen Jugendlichen aus Deutschland und Polen geknüpft wurden.
Polnisch im Ganztagsunterricht
Es gebe heute bereits viele polnische Kinder in Kitas und Schulen. Die Bevölkerung im Grenzraum vermenge sich zunehmend, nennt Koß eine weitere Erfahrung. „Immer öfter ziehen Deutsche nach Polen, um zu arbeiten. Die Zeiten, in denen die polnische Grenzregion nur mit günstigem Benzin und Polenmärkten in Verbindung gebracht wird, sind also längst vorbei“, schätzt sie ein.
Aber welche Möglichkeiten sieht sie, insbesondere den Polnisch-Sprachunterricht an den Schulen und in Kindereinrichtungen in der Oderland-Region zu fördern? In einer Region zumal, die stark unter Lehrermangel leidet und in der selbst der Deutschunterricht häufiger ausfällt. „Im Rahmen des Ganztagsangebotes an Schulen könnte und sollte man Polnisch als Begegnungssprache in Kooperation mit polnischen Partnern und Menschen, die gebürtig aus Polen kommen und in der deutschen Grenzregion leben, in Arbeitsgemeinschaften beim gemeinsamen Kochen und Backen anbieten“, erklärte sie auf Nachfrage von MOZ.de. „Man sollte auch den Austausch von Partnerschulen im sprachlichen Bereich fördern. Die neue Euro-Region-Förderung setzt ja mehr als bisher auf Begegnungen und vielleicht könnte man das Programm dafür benutzen“, so Simona Koß.
PolenMobil kommt auch in den Unterricht
Nun bietet der Lehrplan an den deutschen Schulen nur wenig Platz dafür, dass die Schüler die grenzüberschreitende Heimatkunde und Geschichte erfahren. Gibt es dafür Angebote der DPG? „Leider gibt es von der DPG dafür keine Angebote“, bedauert die Bundesvorsitzende der DPG. Sie verweist auf das Projekt PolenMobil vom Deutschen Polen-Institut und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Kooperation mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg und dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk. Das sei ausgestattet mit vielen Materialien und begleitet von einem kompetenten jungen Team.
Das PolenMobil besuche auf Anfrage Schulen in ganz Deutschland. Ziel sei es, bei Schülern und Lehrkräften Interesse und Neugierde für das Land Polen wecken. Im Rahmen von Unterrichtsbesuchen sollen landeskundliche, historische, kulturelle und politische Inhalte zu Polen vermittelt werden, die später auch im Unterricht aufgegriffen werden können. Auch die polnische Sprache soll den Schülerinnen und Schülern auf spielerische Weise nähergebracht werden. „Ich finde dieses Projekt großartig!“, sagt Simona Koß.
Polen wird zu wenig wahrgenommen
Eine Belastungsprobe für die deutsch-polnischen Beziehungen war die Katastrophe in der Oder im August 2022. Der Buhnenbau an der Oder ist es für manche immer noch. Was erschwert die gemeinsame Verständigung zwischen den Nachbarn noch so sehr? „Polen wird in Deutschland immer noch zu wenig wahr- und zu wenig ernst genommen“, schätzt Simona Koß ein. Mangelndes Wissen über die Geschichte, insbesondere die deutschen Verbrechen an und in Polen, geben Grund zur Skepsis gegenüber Deutschland. Auch wird in Deutschland Polens wirtschaftliches Gewicht verkannt: Polen ist Deutschlands fünftwichtigster Handelspartner. Was könnten wir tun, um die Beziehungen zu Polen zu verbessern? „Deutschland könnte auf einige sensible Punkte eingehen, die von Polen parteiübergreifend als wichtig empfunden werden: 1. Stärkung des herkunftssprachlichen Polnischunterrichts in Deutschland (Polonia-Organisationen); 2. Denkmal für polnische Opfer der deutschen Besatzung 1939-1945 samt stärkerer Würdigung dieses Themas in der Bildungspolitik; 3. Unterlassung von außenpolitischen Initiativen, die Polens Interessen betreffen und Polen umgehen, keine deutschen Alleingänge bei künftigen Gesprächen mit Russland; 4. Reparationen: Auch wenn dies von deutscher Seite abgelehnt wird, so sollte überlegt werden, ob zu diesem Thema der richtige Ton getroffen wird; etwas mehr Empathie und alternative Ideen (etwa ein Zukunftsfonds für mehr historische Jugendbildung, Austausch, Fahrten nach Polen zwecks Kennenlernen des Landes und der Kultur) wären eine hervorragende Idee“, so die DPG-Vorsitzende.
In Märkisch-Oderland noch nicht aktiv
Momentan sei es aus personellen Gründen für die DPG schwierig, zu Schwerpunktthemen wie den deutsch-polnischen Grenzverkehr auf der B1 und der Ostbahn, zur touristischen Vermarktung, zur Frage der Energiewende (Atomkraftwerke) Veranstaltungen anzubieten und zu moderieren, so Simona Koß. „Als Bundestagsabgeordnete stehe ich aber zu diesen Themen mit dem Polenbeauftragten der Bundesregierung im Austausch und begleite diese natürlich auch als Bundesvorsitzende des Bundesverbandes DPG.“
Die Deutsch-Polnische Gesellschaft wurde am 18. Januar 1986 unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft deutsch-polnische Verständigung“ gegründet. Der Kreis der unter dem Dach des Verbandes vereinten engagierten Bürger und Gesellschaften wurde schnell zu einem Brückenbauer und Wegbereiter der deutsch-polnischen Versöhnung sowie zum wichtigen Ideengeber für die Politik. Im Kreis MOL ist die DPG nicht aktiv, aber es gibt viele Menschen, Institutionen und Kommunen, die eine intensive deutschpolnische Zusammenarbeit pflegen. „Und jeder kann Mitglied der DPG werden“, betont Simona Koß.