Im Streit um die Erlaubnis der Wasserentnahme für ein Gewerbegebiet in Vogelsdorf, womit das Gelände der illegalen Deponie gemeint ist, bekommt der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) und dessen Chef André Bähler Rückendeckung von den Grünen in Märkisch-Oderland. Die Fraktion begrüße sehr, heißt es in einer Pressemitteilung, dass der Verband zukunftsorientiert die Interessen der Einwohner im Blick behalte.
„Es ist richtig, dass der WSE jede zusätzliche Forderung nach Trinkwasser kritisch hinterfragt. Nur eine nachhaltige Wasserwirtschaft stellt sicher, dass unser aller Enkelkinder auch übermorgen noch mit trinkbarem Wasser versorgt sind, wir genug Wasser für Schulen, Krankenhäuser und Feuerwehren zur Verfügung haben“, schreibt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Burkhard Paetzold.
Grüne stellen sich hinter Wasserverbandschef André Bähler
Auch die Idee einer personellen Ablösung, die von der Kreistagsfraktion der SPD gegenüber Verbandschef Bähler anklangen, weisen die Grünen zurück: „Die Forderung nach einer Ablösung von Herrn Bähler als Verbandsvorsteher halten wir für anmaßend, kurzsichtig und falsch. Herr Bähler ist es, der richtigerweise darauf hinweist, dass unsere Wasserressourcen viel zu langsam neu gebildet werden. Wir müssen folglich sparsam und zweckentsprechend mit der Ressource Wasser umgehen.“
Das Säbelrasseln auf lokaler Ebene bekommt eine größere Dimension, wenn man bedenkt, dass auf Landesebene Bündnis 90/Die Grünen mit der CDU und SPD koalieren. Es scheint, als sei man sich hinten den Kulissen nicht einig, wie man mit dem Thema Wassermangel in Märkisch-Oderland, rundum Tesla und allgemein in Brandenburg umgehen sollte.
WSE erhält keinen Einblick in Genehmigung und klagt
Hintergrund von all dem ist eine rechtliche Auseinandersetzung zwischen dem WSE und der Unteren Wasserbehörde, die Landrat Gernot Schmidt, selbst Mitglied der SPD, untersteht. Der Verband hat laut eigenen Angaben aus den Medien erfahren, dass die Kreisbehörde am Wasserversorger vorbei, eine wasserrechtliche Erlaubnis „für Grundwasserentnahme zum Zwecke der Brauch- und Löschwasserversorgung“ per Brunnen auf dem künftigen Gewerbegebiet an der Frankfurter Chaussee/Schöneicher Weg in Vogelsdorf genehmigt hatte.
Daraufhin wollte der WSE den Bescheid beim Landkreis einsehen. Eine Antwort gab es für den Verband, dessen Aufgabe es ist, die öffentlich Daseinsvorsorge mit Trinkwasser für 170.000 Menschen der Region zu sichern, trotz mehrmaliger Nachfrage offenbar nicht. Jetzt will der WSE die Genehmigungsunterlagen zur wasserrechtlichen Erlaubnis auf dem Rechtsweg einsehen und hat beim Verwaltungsgericht auf die Herausgabe des Bescheides geklagt.
Kreis erlaubt Trinkwasser-Entnahme in roter Zone
Die Naturschutzverbände haben hingegen vom Kreis Anfang Juni Antworten erhalten. Das Schreiben liegt MOZ.de vor. In dem Schreiben wird erläutert, dass die Sobus GmbH als Investorin des Gewerbegebietes zunächst Ende September 2022 einen Antrag auf wasserrechtliche Erlaubnis für die Entnahme von Grundwasser zum Zwecke der Trink- und Brauchwasserversorgung stellen wollte. Da eine solche wasserrechtliche Erlaubnis aber nur erteilt werden könne, wenn der zuständige Trinkwasserversorger WSE zustimmt, sei dies dem Investor mitgeteilt worden.
Daraufhin habe das Unternehmen im März 2023 den Antrag zurückgezogen und stattdessen eine wasserrechtliche Erlaubnis für Grundwasserentnahme zum Zwecke der Brauch- und Löschwasserversorgung beantragt. Der Kreis hat daraufhin die zugelassene maximale Entnahmemenge von 9.300 Kubikmetern im Jahr, also 30 Kubikmetern am Tag, genehmigt.
Vogelsdorf und Altlandberg liegen im überlasteten Gebiet
Rechtlich kann die Behörde so vorgehen und Brunnen für Gewerbetreibende mit einer Fördermenge von bis zu 2.000 Kubikmetern pro Tag vergeben. Aber in diesem Fall tut sie es in einem der trockensten Gebiete Brandenburgs. Denn wie Daten des Landesumweltamtes (LfU, obere Wasserbehörde) belegen, liegt das Gewerbegebiet in Vogelsdorf in einer mit Rot markierten Zone, in der deutlich mehr Grundwasser entnommen als neues gebildet wird. Das Grundwasser ist also an dieser Stelle bereits übernutzt (siehe Karte). Es wird durch Regen wenig neu gebildet.
Hinzu kommt, dass der Einzelfall in Vogelsdorf kein Einzelfall in MOL und damit in der roten Zone bleiben könnte: Denn auch die PepComm GmbH soll laut dem Schreiben im Auftrag der Technologiepark ALB 1 GmbH bezüglich des Technologieparks Altlandsberg Vorgespräche mit der Unteren Wasserbehörde geführt und Erkundungsbohrungen durchgeführt haben, um womöglich genauso die Wasserversorgung des Gewerbegebietes sicherstellen zu können. Hier ist jedoch, wie aus dem Schreiben des Kreises an die Umweltverbände hervorgeht, noch keine wasserrechtliche Erlaubnis für die Entnahme von Grundwasser gestellt worden.
Der WSE steht zwischen Behörden-Entscheidungen
Bei diesem Streit geht es letztlich auch um die Ressource Trinkwasser, die in Brandenburg zu 88 Prozent aus Grundwasser gewonnen wird – sowie um den Zugriff darauf und die Verteilung. Bekanntlich gibt der WSE seit März 2022 für zahlreiche neue Bauprojekte negative Stellungnahmen ab, weil er dafür kein Trinkwasser mehr bereitstellen und deren Abwasser nicht entsorgen kann. Denn dem Wasserversorger stehen aktuell nur die vom Landesumweltamt genehmigten Erlaubnismengen von 14,5 Millionen Kubikmetern Wasser im Jahr zu. Anträge, die Fördermenge für Trinkwasser zu erhöhen, genehmigte die obere Wasserbehörde nicht. Fördert der WSE mehr Wasser, begeht er Rechtsbruch.
Nach dem Gleichheitsgrundsatz haben seit der Ankündigung alle Bauherren keine Zusage mehr für die Trinkwasserversorgung vom WSE erhalten. 18 Bauprojekte mit Wohnungen, Gewerbe, Schulen und Kitas sind mittlerweile im Verbandsgebiet betroffen. Auch die privaten WSE-Kunden sollen wegen Wassermangels ab 2025 auf 105 Liter pro Einwohner und Tag beschränkt werden.
Gemeinde Fredersdorf-Vogelsdorf stimmt Bebauungsplan ohne WSE-Zusage zu
Die Gemeindevertreter von Fredersdorf-Vogelsdorf hatten dennoch am 29. Juni den Bebauungsplan für das Gelände in Vogelsdorf auf der Grundlage der Kreis-Wassergenehmigung verabschiedet. In dem Wissen, dass die Sorbus GmbH die in den frühen 1990er-Jahren illegal abgeladenen Abfälle auf dem Gebiet für mehrere Millionen entsorgen möchte. Immerhin handelt es sich um knapp 80.000 Tonnen Müll. Auch die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes soll vorangehen. Die Sorbus GmbH soll ihrerseits ein hydrologisches Gutachten für die Machbarkeit und Umsetzung der Grundwasserentnahme in Auftrag gegeben haben, schreibt der Kreis.
Grüne zweifeln Gesetzesgrundlage der Brunnen-Erlaubnis an
Die Grünen positionieren sich klar in der Frage, ob man den Wasserversorger umgehen sollte: „Fraglich ist, auf welcher wassergesetzlichen Grundlage der Landkreis Erlaubnisse zur Trinkwasserentnahme erteilt. Unsere Fraktion begrüßt das kritische Betrachten der Erlaubnis, der wasserrechtlichen Bestimmungen und der fehlenden Wasserstrategie durch den WSE“, heißt es. Sie fordern deshalb, die künftige Versorgung mit Trinkwasser sicherzustellen und den aktuell wachsenden, überdurchschnittlichen Trinkwasserverbrauch in MOL merklich zu reduzieren. Es brauche eine Wasserstrategie. Die dringend erforderlichen Maßnahmen müssten im Kreistag diskutiert werden.
Gericht wird über Einsicht in Bescheid entscheiden
Der Wasserverband und der Landkreis wollen sich gegenüber MOZ.de nicht zum laufenden, gerichtlichen Verfahren äußern. Vom Landkreis heißt es nur, dass es für den WSE „kein Recht für die Einsichtnahme in Verwaltungsvorgänge zur Brauchwasserversorgung“ gebe. Beide Parteien warten nun die Gerichtsentscheidung ab.