Julia Schmidt ist seit 2016 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Seit Dezember 2019 war die Frau aus Borgsdorf (Oberhavel) Landesvorsitzende. Am Freitag, 17. Februar, wurde sie von ihren Aufgaben enthoben. Der Landesvorstand forderte die 29-Jährige zum Rücktritt auf. Was sind die Gründe?
Über die drastische Entscheidung informierte der Landesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg am Sonnabend. Pressesprecher Michael Mangold verschickte eine knappe Erklärung.

So begründet der Vorstand die Entscheidung

„Der Landesvorstand hat der Landesvorsitzenden Julia Schmidt bei der Vorstandssitzung am Freitagabend das Vertrauen für die weitere Zusammenarbeit entzogen und sie einstimmig zum Rücktritt aufgefordert.“ Dem sei die Parteichefin nachgekommen.
Vorangegangen waren – so heißt es in der Mitteilung – wiederholte Fälle untragbaren Fehlverhaltens. Weitere Informationen machten die Grünen nicht. Es folgte lediglich der Hinweis, dass die Nachwahl für die Landesdelegiertenkonferenz am 29. April geplant sei.
Bis dahin bleibt Alexandra Pichl aus Kleinmachnow, die mit Schmidt seit 2019 eine Doppelspitze bildete, Landesvorsitzende. Die Brandenburger Grünen-Landeschefin hat ihrer zurückgetretenen Co-Vorsitzenden Julia Schmidt Vertrauensbruch vorgeworfen. „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten immer mehr den Eindruck gehabt, dass Julia vor allem in eigener Sache unterwegs ist und nicht in Sachen des Landesverbands“, sagte Pichl am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Sie habe sich auch nicht an ihr Wort gehalten und nachhaltig Vertrauen zerstört.
Morddrohung gegen Ex-Partei-Chefin der Grünen Julia Schmidt
Grüne in Brandenburg
Morddrohung gegen Ex-Partei-Chefin der Grünen Julia Schmidt
Hohen Neuendorf/Potsdam

Der „B.Z.“ sagte Pichl, Schmidt habe wiederholt Falschaussagen getroffen, um sich als Spitzenkandidatin zu etablieren und sie habe Parteigremien umgangen.

Die Reaktion von Julia Schmidt

Auf Nachfrage von moz.de wollte sich Julia Schmidt – die bei den Kommunalwahlen im Mai 2019 die meisten Stimmen aller Kandidaten zur Kreistagswahl in Oberhavel sammelte – nicht zu den Entwicklungen äußern, verwies aber auf ihren Twitter-Account. Dort steht: „Ich habe gestern gegenüber dem Landesvorstand meinen Rücktritt vom Landesvorsitz erklärt und mache damit den Weg frei für eine Neuaufstellung des Landesverbandes bei der Landesdelegiertenkonferenz im April.“
Brandenburgs Parteien würden nach den Ausführungen von Schmidt gegenwärtig vor der Aufgabe stehen, sich inhaltlich und personell für die Landtagswahl 2024 aufzustellen. „Ich habe für mich persönlich entschieden, hierbei als Spitzenkandidatin nicht zur Verfügung zu stehen.“

So geht es für die Borgsdorferin weiter

Sie wolle vielmehr zunächst ihr Studium – Politikwissenschaft, Verwaltungswissenschaft und Soziologie mit Schwerpunkt Verwaltungswissenschaft – abschließen, „was zuletzt neben der politischen Tätigkeit immer schwieriger gelungen ist“. In einem Interview mit moz.de hatte sie bereits im April 2021 betont: „Posten sammeln, ohne diese inhaltlich vollumfänglich ausfüllen zu können, entspricht nicht meinem Anspruch an mich selbst.“
Nach ihrem Rücktritt will Julia Schmidt, die in Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) geboren wurde, keine Details in die Öffentlichkeit tragen. „Ich wünsche uns Bündnisgrünen in Brandenburg für die anstehenden Wahlen viel Erfolg und bedanke mich bei meiner Partei für die letzten zweieinhalb Jahre, in denen wir gemeinsam viel erreicht haben.“

Rücktritt wegen bevorstehender Landtagswahl in Brandenburg ungünstig

Der Rücktritt kommt für die Grünen in einer denkbar ungünstigen Phase, da im kommenden Jahr die Landtagswahl ansteht - derzeit regieren die Grünen in Brandenburg in einer Koalition mit SPD und CDU. Über die Neubesetzung der Führungsspitze der Partei sollen die Delegierten im April entscheiden.
Die Aufgaben von Schmidt im Landesvorstand verteilten die Grünen nach eigenen Angaben für den Übergang schon neu. Wer immer der bisherigen Landeschefin nachfolgen wird: Die Grünen werden in Teilen eine andere Partei sein.

Harte Verhandlungspartnerin und für schnellen Braunkohleausstieg

Julia Schmidt war der kommunikative Part nach außen und konnte nach Darstellung der CDU in Gesprächsrunden des rot-schwarz-grünen Bündnisses zwar eine harte Verhandlungspartnerin sein, aber zugleich offen und ideenreich für Lösungen eintreten. Dass Jüngere aus beiden Parteien einen guten Gesprächsdraht pflegten, galt als offenes Geheimnis, führte aber auch zu Spannungen bei den Grünen. Nun muss die Partei nach außen und ihren Mitgliedern gegenüber deutlich machen, dass sie in der Kenia-Koalition und im Wahlkampf voll handlungsfähig ist.
Schmidt hatte zuletzt immer wieder Kritik an Koalitionspartnern geübt. Sie warb wiederholt für einen schnelleren Braunkohleausstieg in der Lausitz und sagte, der Ausbau der erneuerbaren Energien dürfe von SPD und CDU nicht verbockt werden. 2021 hatte sie eine bessere Zusammenarbeit in der Koalition gefordert.

Bedauern vom Brandenburger CDU-Franktionschef – Kritik an Grüner Partei

Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann hat den Rücktritt der Grünen-Landesvorsitzenden Julia Schmidt bedauert. „Die Brandenburger Grünen verlieren einen ihrer profiliertesten Köpfe“, sagte Redmann der Deutschen Presse-Agentur am Samstag in Potsdam. Er betonte zugleich: „Sie hat es der CDU nie leicht gemacht.“ Er habe Schmidt in Verhandlungen kreativ und kompromissfähig erlebt.
Redmann kritisierte die Grünen und schrieb bei Twitter: „Öffentliches Nachtreten, das ist ja nicht die feine englische Art. Wo bleibt da der Respekt?“ Die SPD äußerte sich nicht zum Rücktritt. Es handele sich um eine interne Angelegenheit der Grünen, die keine Auswirkungen auf die Koalition habe, hieß es.