Die erneute Wahl des Linken-Politikers Sören Benn zum Bezirksbürgermeister von Berlin-Pankow hat heftigen Streit ausgelöst. Die Grünen, deren Kandidatin ihm unterlegen war, und die FDP unterstellten trotz geheimer Abstimmung, Benn habe sich in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit den Stimmen der AfD wählen lassen. Die Linken wiesen das als unbewiesene Behauptung zurück, die jeder Grundlage entbehre.
Benn amtiert seit 2016 als Bürgermeister des mit 410 000 Einwohnern größten Berliner Bezirks. Bei der BVV-Wahl am 26. September waren zwar die Grünen stärkste Partei vor Linken und SPD geworden, konnten aber offenbar keine Mehrheit für ihre Bürgermeisterkandidatin Cordelia Koch schmieden. Ergebnis: Benn wurde in der 55 Abgeordnete zählenden BVV am Donnerstagabend mit 29 Ja-Stimmen bei 24 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen gewählt.
Linke (12 Sitze) und SPD (11 Sitze), die seine Kandidatur erklärtermaßen unterstützten, kommen zusammen aber nur auf 23 Stimmen haben. Daher müssen auch mindestens sechs Mitglieder anderer Fraktionen für den 53-Jährigen votiert haben. In Frage kommen Grüne (16 Sitze), die das im Vorfeld ausgeschlossen hatten, CDU (8 Sitze), AfD (5 Sitze) und FDP (3 Sitze). Gebraucht hätte Benn für die nötige Mehrheit 28 Stimmen.
Scharfe Kritik seitens der Grünen
Nach der Wahlniederlage übten die Grünen heftige Kritik an den Linken - obwohl beide Parteien gemeinsam mit der SPD auf Landesebene gerade über eine Fortsetzung ihrer 2016 gebildeten Koalition verhandeln. „Als Wahlverlierer sich von Rechtsextremen ins Amt verhelfen zu lassen, das macht man nicht“, twitterte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Freitag. „Wer sich sehenden Auges von Nazis abhängig macht, macht sich von Nazis abhängig. Das gilt auch für die @LinkePankow!“, twitterte der Grünen-Landesvorsitzende Werner Graf.
Die Grünen fordern nun den Rücktritt von Sören Benn. „Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten jenseits der AfD“, erklärte Berlins Grünen-Vorsitzende Nina Stahr am Freitag. „Dass Sören Benn es hat darauf ankommen lassen, dass es die Stimmen der AfD gewesen sein könnten, die ihn zum Bürgermeister gemacht haben, stellt einen Dammbruch dar. Es ist nun seine Aufgabem durch seinen Rücktritt bei der Reparatur des Damms zu helfen, und zwar schnellstmöglich.“
Die Linken reagierten mit Empörung. „In Anbetracht von Gesprächen, die wir vor der Abstimmung mit allen demokratischen Verordneten geführt haben, waren wir uns sicher, die erforderliche einfache Mehrheit zu erreichen“, erklärte die stellvertretende Berliner Landesvorsitzende und Pankower Bezirksvorsitzende Sandra Brunner. Aufgrund entsprechender Signale im Vorfeld gehe ihre Partei davon aus, dass Benn „mit Unterstützung von Einzelverordneten aus dem demokratischen Lager“ gewählt worden sei. „Ohne diese - glaubwürdigen - Signale hätte Sören Benn nicht kandidiert.“
Das sagt die AfD
Die AfD Pankow erklärte, sie habe Benn unterstützt - nach Abwägung der Frage, welcher Kandidat am besten für das für Amt geeignet sei. „In der Kommunalpolitik geht es darum, auch über Parteigrenzen und ideologisch Trennendes hinweg zu sehen.“ Die Vorsitzende des FDP-Kreisverbands Pankow und FDP-Landesvize Daniela Kluckert erklärte: „Unsere Stimmen waren es nicht, die Benn zum Bürgermeister gewählt haben. Und die der CDU wohl eher auch nicht.“
Benn selbst zeigt sich fassungslos über die Debatte und verwies via Twitter auf seine nachlesbaren klaren Positionen gegen die AfD, die er als „politische Horrorclowns“ bezeichnete. „Wer Nazis glaubt, glaubt Nazis. Macht mal alle. Ist ja ne geile Story“, twitterte er und meinte das offensichtlich ironisch.
Grünen-Politiker zogen in mehreren Tweets Parallelen zur Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten im Februar 2020. Der war damals im Landtag mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD gewählt worden - was ein politisches Beben ausgelöst hatte. Denn es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsident ins Amt half. „Wer die Wahl von Sören Benn in Pankow mit Thüringen & Kemmerich vergleichen will, sollte erkennen, dass die AfD linke Politiker:innen verhindern will, aber sie nicht wählt“, hielt die Linken-Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow dem auf Twitter entgegen.
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