Deutschland setzt die Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca vorerst aus. Vorausgegangen waren Meldungen von Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung mit dem Präparat, teilte das Bundesgesundheitsministerium am Montag in Berlin mit.
Es handele sich um einen vorsorglichen Schritt, dem eine entsprechende Empfehlung des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vorangegangen sei, sagte ein Sprecher.
„Nach neuen Meldungen von Thrombosen der Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung in Deutschland und Europa, hält das PEI weitere Untersuchungen für notwendig“, so der Sprecher. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA werde entscheiden, ob und wie sich die neuen Erkenntnisse auf die Zulassung des Impfstoffes Astrazeneca auswirken. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wollte sich noch am Nachmittag äußern.

Auch Berlin stoppt Impfen mit Astrazeneca

Auch in Berlin kommt der Impfstoff von Astrazeneca vorerst nicht mehr zum Einsatz. Das teilte die Senatorin für Gesundheit, Dilek Kalayci (SPD), der Deutschen Presse-Agentur am Montag mit. „Wir haben das Impfen mit Astrazeneca in Berlin gestoppt“, sagte Kalayci. „Der Betrieb in den Impfzentren in Tegel und Tempelhof ist eingestellt. Auch die Krankenhäuser stellen die Impfungen der Mitarbeiter mit Astrazenca zunächst ein“, sagte Kalayci. Das Pilotprojekt zum Impfen bei den niedergelassenen Ärzten, bei dem mit dem Astrazenca-Präparat gearbeitet wurde, werde ebenfalls gestoppt. In Tegel und Tempelhof kam ausschließlich der Astrazeneca-Impfstoff zum Einsatz. In den übrigen vier Berliner Impfzentren werden die Präparate von Moderna und Biontech-Pfizer genutzt.
Mit Sorge betrachtete Kalayci die weitere Verzögerung. „Das ist natürlich ein großes Problem, dass eine Lücke entsteht“, sagte sie in der RBB-Abendschau. „Wir haben vom Bund Impfdosen versprochen bekommen, auch für April. Nun wissen wir nicht, wie diese Lücke jetzt geschlossen werden soll.“
Was den Stopp von Astrazeneca für die Impfzentren in Brandenburg bedeutet, lesen Sie hier.

Impfung mit Astrazeneca auch in Niederlande ausgesetzt

Zuvor hatten auch die Niederlande Impfungen mit dem Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca für zwei Wochen ausgesetzt. Dies geschehe auf der Grundlage „neuer Informationen“, hatte Gesundheitsminister Hugo de Jonge am späten Sonntagabend mitgeteilt. Dabei bezog er sich auf sechs Fälle möglicher Nebenwirkungen in Dänemark und Norwegen an diesem Wochenende. Nach „Wir müssen immer auf Nummer sicher gehen“, sagte der Minister. „Daher ist es klug, nun auf die Pausetaste zu drücken.“
Die EMA erklärte allerdings, dass es keine auffällige Häufung von Thrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gebe. Der Nutzen der Verabreichung des Astrazeneca-Mittels sei größer als die Risiken.
Das Aussetzen von Astrazeneca-Impfungen ist aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch kein Alarmzeichen. Die Vorfälle seien nicht notwendigerweise aufs Impfen zurückzuführen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. „Es ist eine Routine-Praxis, das zu untersuchen.“ Außerdem zeige es, dass das Überwachungssystem funktioniere und wirksame Kontrollen stattfänden.

Lauterbach kritisiert Aussetzen der Impfungen mit Astrazeneca-Vakzin

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat den Impfstopp für das Präparat von Astrazeneca als „großen Fehler“ bezeichnet. „Das schafft nur große Verunsicherung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankommt“, sagte Lauterbach der „Rheinischen Post“ (Dienstag). Besser sei eine Prüfung bei laufenden Impfungen. „Ich kenne keine Analysen, die ein Aussetzen rechtfertigen würden“, sagte der SPD-Politiker und Epidemiologe. „Das Risiko einer Thrombose läge „in der Größenordnung von 1 zu 100.000 oder weniger“ und scheine im Vergleich zu Ungeimpften nicht erhöht zu sein.

Geimpfte Lehrkraft in Italien gestorben

Ausgesetzt worden waren die Impfungen mit dem Vakzin vorübergehend auch in Italien. Dort war eine geimpften Lehrkraft aus der Region Piemont gestorben. Man handle aus „extremer Vorsicht“, bis man herausfinde, ob die Impfung mit dem Tod in Verbindung stehe, sagte der Gesundheitsbeauftragte der Region, Luigi Genesio Icardi, laut einer Mitteilung vom Sonntag. Am Abend waren die Impfungen wieder aufgenommen worden. Generell hält die italienische Regierung an der Impfung mit Astrazeneca fest.
Auch Großbritannien nutzt den Astrazeneca-Impfstoff weiter. „Wir prüfen die Berichte genau, aber angesichts der großen Anzahl verabreichter Dosen und der Häufigkeit, mit der Blutgerinnsel auf natürliche Weise auftreten können, deuten die verfügbaren Beweise nicht darauf hin, dass der Impfstoff die Ursache ist“, sagte Phil Bryan von der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) einer Mitteilung zufolge.
Auch Tschechien und Polen setzen die Verabreichung des Corona-Impfstoffs vorerst nicht aus. „Der positive Nutzen des Impfstoffs ist unleugbar - und es gibt keinen Grund für Befürchtungen“, sagte Gesundheitsminister Jan Blatny.

Irische Impfkommission für vorübergehenden Stopp der Astrazeneca-Impfungen

Zuletzt hatte die irische Impfkommission sich für einen vorübergehenden Stopp der Impfungen mit dem Präparat ausgesprochen, das der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt hat. Es handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme.
Astrazeneca hatte nach einer Analyse von Impfdaten erneut Sorgen über die Sicherheit seines Corona-Impfstoffes zurückgewiesen. Eine sorgfältige Analyse der Sicherheitsdaten von mehr als 17 Millionen Geimpften in der EU und Großbritannien habe keine Belege für ein höheres Risiko für Lungenembolien, tiefen Venenthrombosen und Thrombozytopenie geliefert, wie der Konzern am Sonntag in London mitteilte. Damit bezieht sich das Unternehmen nun auf noch mehr Datensätze. Am Freitag hatte Astrazeneca sich bereits ebenso geäußert und dabei auf 10 Millionen Datensätze verwiesen.
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