Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sieht in einer rechtsextremen Formation aus AfD, dem Lausitzer Verein „Zukunft Heimat“ und dem Compact-Magazin mit Sitz in Werder/Havel die größte Gefahr für die Demokratie. Was sich hier in Brandenburg zusammenbraue, sei deutschlandweit selten anzutreten, schätzte der Minister ein. Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sei eine weitere Verächtlichmachung demokratischer Strukturen zu beobachten, sagte er am Montag (13. 06.) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2021.
Mehr als die Hälfte der AfD gilt als rechtsextrem
Der Chefredakteur von „Compact“, Jürgen Elsässer, sei dabei mit Verschwörungstheorien aufgefallen, die den russischen Überfall auf die Ukraine als Präventivschlag gegen ukrainische und israelische Biowaffen rechtfertigen, erklärte Jörg Müller, Abteilungsleiter Verfassungsschutz im Innenministerium.
Innerhalb der rund 1400 Mitglieder der AfD stuft der Verfassungsschutz 730 als rechtsextrem ein. Der Landesverband habe auch im vergangenen Jahr hinreichend Anhaltspunkte geliefert, um ihn weiterhin als rechtsextremen Verdachtsfall einzustufen, erklärte Müller. Als Beleg nannte er unter anderem einen Auftritt der damaligen stellvertretenden Landesvorsitzenden Birgit Bessin vom Herbst vergangenen Jahres, die bei einer Veranstaltung davon gesprochen hatte, dass es Ziel von SPD und Grünen sei, die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land zu machen. Inzwischen ist Bessin Landesvorsitzende.
Stübgen: Radikalisierung nimmt zu
Auf Nachfrage betonte Stübgen, dass die Radikalisierung der AfD weiter voranschreite. Seit zwei Jahren gilt der Landesverband als rechtsextremer Verdachtsfall. Eine Einstufung als gesichert rechtsextrem werde erst dann erfolgen, wenn das gerichtsfest belegt werden kann, so Stübgen.
Müller erklärte, dass derzeit vier Landtagsabgeordnete als erwiesen rechtsextrem eingestuft werden. Dazu zählen der ehemalige Vorsitzende der AfD Andreas Kalbitz, der jetzige Fraktionschef Hans-Christoph Berndt sowie seine Kollegen Daniel Freiherr von Lützow und Lars Günther.
NPD trudelt in die Bedeutungslosigkeit
Auffällig war im vergangenen Jahr ein deutlicher Anstieg der Reichsbürger und Selbstverwalter in Brandenburg um 80 Personen auf aktuell 650. Die NPD hat dagegen im vergangenen Jahr weitere 40 Mitglieder verloren und könnte nach Einschätzung des Verfassungsschutzes mit den verbliebenen 210 Mitgliedern in der Bedeutungslosigkeit versinken.
Anders wird die Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ mit nur 45 Mitgliedern als sehr aktiv und gefährlich eingeschätzt, die vor allem im Nordwesten des Landes sich an die Spitze mehrerer Demonstrationen setzen konnte.
Insgesamt werden in Brandenburg 2830 Personen dem rechtsextremen Bereich zugeordnet. Das sind 30 weniger als im vergangenen Jahr, aber immer noch mehr als vor 2020. Die Zahl der Gewalttaten stieg im gleichen Zeitraum um 39 auf 108, was auch mit der Bundestagswahl zusammenhängen kann.
Zahl der Islamisten steigt kontinuierlich
Der Linksextremismus wird in Brandenburg als weniger relevant eingestuft. Das entsprechende Personenpotenzial ging 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 10 zurück und lag bei 630. Allerdings sind in Brandenburg auch Linksextremisten aus Berlin aktiv. So wurde Ende Mai vergangenen Jahres von der „Vulkangruppe“ ein Brandanschlag auf die Stromversorgung der Tesla-Baustelle in Grünheide verübt. Im Verfassungsschutzbericht wird darauf verwiesen, dass Linksextremisten verstärkt versuchen, Einfluss auf die Klimabewegung zu gewinnen.
Die Zahl derjenigen, die dem islamistischen Extremismus zugerechnet werden, steigt seit 2013 kontinuierlich an. 2021 sind weitere 10 Personen hinzugekommen und die Gesamtzahl wird mit 210 angegeben. Anders als in anderen Bundesländern haben sich in Brandenburg bislang keine Rückkehrer aus dem Umfeld des sogenannten Islamischen Staates IS niedergelassen.
Die Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Anita Kirsten, forderte am Montag eine bessere technische und personelle Ausstattung der Sicherheitskräfte, um den Demokratiefeinden jeder Couleur entschlossener entgegentreten zu können.
Immobilien der rechtsextremistischen Szene
Der Verfassungsschutzbericht weist eine Reihe von Immobilien in Brandenburg auf, die extremistischen Parteien gehören oder von ihnen regelmäßig genutzt werden.
So gibt es in Bad Freienwalde ein Haus, das szeneintern als „Sturmlokal“ firmiert und für Treffen der „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ (KMOB) dient.
In Cottbus gibt es das Ladenlokal „Die Mühle“, in dem im vergangenen Jahr keine Veranstaltungen festgestellt wurden. Außerdem gibt es den Szeneladen „The Devils Right Hand Store“.
In Gröden (Elbe-Elster) gibt es einen Club und Trainingsräume für Kampfsport und Szene-Veranstaltungen.
In Lindenau (Oberspreewald-Lausitz) betreibt ein bekannter Rechtsextremist eine Gaststätte und ein Musiklabel. Im gleichen Kreis in Neupetershain unterhält eine rechtsextremistische Vereinigung ein Clubhaus.
In Klosterfelde (Barnim) unterhält die rechtsextremistische Gruppierung „Barnimer Freundschaft“ einen Treff in einem ehemaligen Industriegelände.
In Strausberg hat die Gruppierung „AO Strausberg“ ein Clubhaus in einem Garagenkomplex.
In Lübben (Dahme-Spreewald) unterhält ein rechtsextremistischer Kickbox-Verein Trainings- und Clubräume.
In Rathenow wird regelmäßig ein Kleingarten für Veranstaltugnen genutzt.
Scientology in Südbrandenburg aktiv
Die 1954 in den USA gegründete Psycho-Sekte Scientology wird in Brandenburg nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz seit 1997 vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sie unter anderem eine Gesellschaft ohne Wahlen anstrebt und das Recht auf Gleichbehandlung ablehnt. Im vergangenen Jahr wurden in der Lausitz verstärkt Flugblätter unter der Überschrift „Der Weg zum Glücklichsein“ verteilt. Darin wird vermeintliche Lebenshilfe angeboten, bei der durch Persönlichkeitstests Schwächen aufgedeckt werden sollen. „Auf diesem Wege sollen Menschen psychisch, emotional und sozial an Scientology gebunden und aus ihrem bisherigen Umfeld herausgebrochen werden“, heißt es im Verfassungsschutzbericht. Dort wird auch auf den Fall eines Lehrers verwiesen, der an einer Schule die Materialien der Sekte einsetzte. Es ist inzwischen nicht mehr im Schuldienst. In Teltow-Fläming war eine Coaching- und Personalberatungsfirma im Sinne von Scientology unterwegs.