Obwohl das Grundwasser der Region als übernutzt gilt, hat der Landkreis Märkisch-Oderland am 17. August eine weitere wasserrechtliche Erlaubnis für die Entnahme von Grundwasser für ein Gewerbegebiet erteilt. Beantragt hatte dies die Gemeinde Neuenhagen bei Berlin, die mit dem Bauunternehmer Klaus Groenke ein großes Rechenzentrum an der Altlandsberger Chaussee ansiedeln möchte. Dies bestätigte der Landkreis-Sprecher Thomas Berendt auf MOZ-Nachfrage.
„Es wurde eine wasserrechtliche Erlaubnis für die Entnahme von Grundwasser zum ausschließlichen Zweck für die Brauch- und Löschwasserversorgung eines geplanten Gewerbegebietes erteilt“, schreibt er. Auf diese Weise können nun mit einem Brunnen maximal 15.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr gefördert werden. Dies entspricht etwa 41 Kubikmetern pro Tag. Wann die Bohrungen losgehen, sei noch nicht angezeigt worden.
Wie begründet der Landkreis Märkisch-Oderland die Wasserentnahmen in einem von Grundwassermangel geplagten Gebiet? „Der Antragsteller für eine wasserrechtliche Erlaubnis hat einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer solchen, wenn keine rechtlichen Versagungsgründe der Erteilung entgegenstehen“, schreibt die Landkreisverwaltung, die Landrat Gernot Schmidt (SPD) untersteht. „Nach fachbehördlicher Prüfung wurde festgestellt, dass die geplante Entnahme den Bewirtschaftungszielen für das Grundwasser nicht widerspricht.“
Keine Trinkwasser- und Abwasserentsorgung durch WSE
Der Landkreis-Sprecher betont, dass seine Behörde auf der aktuellen gesetzlichen Grundlage handele und in diesem Fall der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) nicht zuständig sei. Dieser hatte nach MOZ-Informationen bereits im Oktober 2022 eine negative Stellungnahme für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung des Gebietes abgegeben. Genauso wie bei den Tesla-Erweiterungsvorhaben oder zahlreichen anderen Bauvorhaben in der Region. Er könne aufgrund der vom Landesumweltamt genehmigten Fördermengen einfach keine Zusage mehr für den Trinkwasseranschluss geben und auch das Abwasser des Gewerbegebietes aufgrund von Kapazitätsmängeln nicht mehr entsorgen.
Wie überprüft der Landkreis eigentlich, wie viel Wasser die Gemeinde oder die Gewerbeentwickler dann entnehmen? Es werde ein Wasserzähler eingebaut, heißt es. „Die Messergebnisse sind aufzuzeichnen und am Ende jeden Jahres an die Untere Wasserbehörde zu übermitteln“, erläutert Kreissprecher Behrendt. Dementsprechend sei eine Nebenbestimmung in der wasserrechtlichen Erlaubnis enthalten. Zufällige Überprüfungen der Zählerstände durch die Untere Wasserbehörde seien ebenfalls möglich.
Investor verspricht Gemeinde Bonuszahlung für Baurecht bis Ende 2023
Auf dem rund 40 Hektar großen Areal an der Altlandsberger Chaussee, dies entspricht 56 Fußballfeldern, möchte die Gemeinde ein großes Rechenzentrum (aber nicht von Google) ansiedeln. Diese Aufgabe übernimmt der Berliner Bauunternehmer Klaus Groenke. Bis Ende des Jahres will die Gemeinde deshalb Baurecht auf dem Areal schaffen. Dies geht nur mit einer wasserrechtlichen Erlaubnis durch die Untere Wasserbehörde oder eine WSE-Versorgung. Wenn der Gemeinde das Verabschieden des Bebauungsplanes rechtzeitig gelingt, hatten Groenke und seine Mitstreiter einen Bonus von 1,7 Millionen Euro zusätzlich zum Kaufpreis des Grundstückes in Aussicht gestellt. Der beläuft sich auf 38 Millionen Euro.
Bürgermeister von Neuenhagen verteidigt Wasserentnahme
Bürgermeister Ansgar Scharnke (Die Parteilosen) verteidigt das Vorgehen seiner Kommune und des Landkreises in der Wasserfrage: „Wir haben den WSE beteiligt, um einen Anschluss im Rahmen der Bauleitplanung gebeten und auf unsere Anfrage wurde uns mitgeteilt, dass er seiner Anschlussverpflichtung nicht nachkommen wird. Die sodann beantragte und erteilte wasserrechtliche Erlaubnis zu eigenständigen Wasserentnahme entspricht nach unserer Kenntnis den fachlichen und gesetzlichen Vorgaben.“ Scharnke ist einer von sieben Bürgermeistern, der die Abwahlanträge gegen die WSE-Führungsspitze unterschrieben hat.
Neuenhagen liegt in stark übernutztem Gebiet
Damit erteilt der Landkreis bereits eine zweite wasserrechtliche Erlaubnis dieser Art in einem von Wasserknappheit geprägtem Gebiet. Zuletzt hatte auch die Sorbus GmbH eine wasserrechtliche Erlaubnis für Grundwasserentnahme durch eigene Brunnen bekommen. Die Investorin will ebenfalls ein Gewerbegebiet an der Frankfurter Chaussee/Schöneicher Weg in Vogelsdorf entwickeln. Dafür entsorgt sie den dort illegal abgeladenen Müll.
Zum Hintergrund: 88 Prozent des Trinkwassers werden in Brandenburg durch Grundwasser gewonnen. Vogelsdorf, aber auch Altlandsberg und Neuenhagen, liegen laut Landesumweltamt in einem stark übernutzten Gebiet – hier wird mehr Trinkwasser entnommen als neu gebildet. So der Stand Ende 2022.
Deshalb kritisieren Naturschutzverbände das Vorgehen der Gemeinden und des Landkreises. „In diesem roten Bereich können nicht einfach Planungen durchgewunken werden. Selbst bei geringen Entnahmemengen müsste die Untere Wasserbehörde des Landkreises diese Erkenntnisse berücksichtigen“, betont Michael Ganschow von der Grünen Liga. Er hat Widerspruch gegen die Erlaubnis in Vogelsdorf eingereicht und möchte die Unterlagen einsehen, die dieser zugrunde liegen. Das wollte der WSE auch, bekam aber keine Akteneinsicht und klagt nun gegen den Landkreis MOL auf Herausgabe vor Gericht.
Grüne Liga und Bürgerinitiative kritisieren neue Brunnen
Ganschow weist auch noch auf einen weiteren kritischen Punkt bezüglich der Brunnen hin: „In den beiden Erlaubnissen wird immer die Versorgung des geplanten Gewerbegebietes mit Brauch- und Löschwasser als Grund angegeben. Aber es wird nicht beschränkt auf die Versorgung während der Erschließung oder während der Abfallberäumung des Geländes“, sagt er. „Das bedeutet, es geht um die Versorgung für ein Gewerbegebiet mit dem angesiedelten Gewerbe. Oder schieben die diesen Standort entwickelnden Eigentümer (Gemeinde Neuenhagen und Sorbus GmbH) das Risiko des Anschlusses an die Trink- und Abwasserversorgung an die Gewerbeansiedler weiter?“, fragt er.
Auch die Bürgerinitiative Grünheide und der Verein für Natur und Landschaft Brandenburg sprechen sich „strikt gegen dieses Vorgehen“ aus. „Hier zeigt sich, dass das Kartenhaus der Industrialisierungspolitik der SPD immer mehr zusammenbricht. Diese Politik ist weder nachhaltig noch auf die Bedürfnisse der Bürger ausgerichtet. Wenn in einem Gebiet mit einer niedrigen Arbeitslosenquote weitere Industrie angesiedelt werden soll, dafür aber kein Wasser vorhanden ist, dann wird deutlich, dass es nur um Profitinteressen geht“, sagt Steffen Schorcht.