Die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Brandenburg ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Insgesamt wurden 4384 dieser Straftaten registriert, etwa ein Fünftel mehr als im Vorjahr, wie Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Donnerstag berichtete. Bereits im Jahr 2021 war mit 3661 Fällen ein Höchststand der politisch motivierten Straftaten seit Beginn der Statistik im Jahr 2001 erreicht worden.
Mit einem Anteil von 47 Prozent wurde fast jede zweite Tat mit einem rechten politischen Hintergrund begangen. Dagegen wurden nur 5 Prozent als politisch links motiviert eingestuft. „Die größte Bedrohung der Gesellschaft sind weiterhin rechtsextrem motivierte Straftaten, einschließlich Gewaltdelikte“, betonte Stübgen.
Die Zahl der politisch motivierten Gewaltdelikte stieg gegenüber 2021 deutlich um 68 Prozent auf 300 Fälle. Davon wurden 90 mit rechter Motivation und 29 politisch links eingeordnet. Nicht zuzuordnen waren 174 Gewaltdelikte, gegenüber 49 im Jahr 2021. In diesem Bereich werden etwa Delikte im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eingeordnet, die keiner politischen Richtung eindeutig zugeschrieben werden können.

Nicht-angemeldete Corona-Demos gelten als Straftat

Der neue Höchststand der politisch motivierten Straftaten sei vor allem durch das Versammlungsgeschehen im vergangenen Jahr geprägt, sagte Stübgen. Denn viele Demonstrationen, vor allem gegen die Corona-Maßnahmen, waren nicht angemeldet worden. Unangemeldete Versammlungen gelten in Brandenburg anders als in manchen anderen Bundesländern nicht als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat. „Allein im ersten Quartal des letzten Jahres hatte die Polizei beispielsweise über 1400 Versammlungslagen zu bewältigen, wovon der überwiegende Teil nicht angemeldet war und somit eine Strafanzeige zur Folge hatte“, sagte Polizeipräsident Oliver Stepien.

Starker Anstieg von antisemitischen Vorfällen

Einen Zuwachs von etwa 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr gab es bei den antisemitischen Straftaten. Deren Zahl stieg von 95 im Jahr 2018 auf 150 im Jahr 2021 auf 195 im vergangenen Jahr. Darunter waren sechs Gewaltdelikte, doppelt so viele wie im Vorjahr. Diese Straftaten würden vornehmlich mit Postings in den sozialen Medien begangen, erklärte Stepien. Damit werde deutlich, „dass das Internet und die sozialen Medien - als spezifische Tatorte antisemitischer Vorfälle und Straftaten - stärker in den Fokus genommen werden müssen“, erklärte die vom Land geförderte Fachstelle Antisemitismus.
Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) verwies darauf, dass 95 Prozent der antisemitischen Straftaten rechtsextrem motiviert gewesen seien. „Es geht also nicht um einen importierten Antisemitismus aus dem arabischen Raum, wie ihn die AfD gern vermutet“, sagte sie laut Mitteilung. „Vielmehr haben die Proteste gegen die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in hohem Maße antisemitische Stereotype bedient.“

Anzahl der Straftaten gegenüber Flüchtlinge nahm leicht zu

Während es im zweiten Jahr in Folge keine Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gab, nahm die Zahl der Straftaten gegen Flüchtlinge gegenüber 2021 leicht um 19 Fälle auf 178 zu. Der Anteil der Gewaltdelikte sank aber von 45 im Vorjahr auf 37.
Registriert werden in der Statistik auch deutschfeindliche Delikte. Davon wurden in Brandenburg 103 verzeichnet, davon allein 78 in Cottbus. Unter diesen Straftaten in Cottbus waren 69 Gewaltdelikte. In der Stadt hatte es zahlreiche Übergriffe von ausländischen Jugendlichen gegen Deutsche gegeben.
Die Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft GDP, Anita Kirsten, sprach von einer erschreckenden Entwicklung. „Der hohe Anstieg an demokratiefeindlichen Straftaten sowie die zwar langsam aber stetig steigenden Zahlen der rechten Straftaten müssen ein Alarmsignal an die Politik sein“, sagte Kirsten laut Mitteilung. Notwendig seien Aufklärung, politische Bildung und Integration. Insbesondere dem Hass und der Hetze im Netz müsse entschieden entgegengetreten werden. „Wir müssen frei von Ideologie und Parteibuch diskutieren, wie Strafverfolgung im Internet effektiv gestaltet werden kann, welche Eingriffsrechte Polizei und Staatsanwaltschaft hierfür benötigen und diese dann auch ermöglichen.“