Der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) um Verbandschef André Bähler warnt vor einer „schleichenden Vergiftung des Grundwassers“ in seinem Verbandsgebiet, welches 170.000 Menschen der Region mit Trinkwasser versorgt.
Der Grund: Das Landesumweltamt (LfU), welches dem Brandenburgischen Umweltministerium (MLUK) von Axel Vogel (Grüne) untersteht, hat in manchen Punkten dem Widerspruch des US-Autobauers Tesla gegen die Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheides vom 4. März 2022 für die Errichtung der sogenannten Gigafactory in Grünheide stattgegeben.

WSE-Chef: „Haben keinen rechtlichen Zugriff mehr auf Daten“

Konkret geht es Bähler um eine Nebenbestimmung zur Beteiligung des Wasserversorgers, die vom LfU ersatzlos gestrichen worden ist. Sie lautete: „Von der Antragstellerin (Anmerk. d. Redak.: also Tesla) ist das betroffene Wasserversorgungsunternehmen in alle grundwasserrelevanten Fragestellungen einzubeziehen.“
Dem WSE mussten vorher alle Daten, die Tesla bezüglich des Grundwassers unter seiner Fabrik erhob, dokumentierte und auswertete, vorgelegt werden. Die Fabrik wurde bekanntlich in einem Trinkwasserschutzgebiet des Verbandes errichtet, was seit jeher für Kritik der Umweltverbände und der Bevölkerung sorgt. Rund ein Drittel seines Wassers gewinnt der WSE aus Trinkwasserbrunnen, die nur rund anderthalb Kilometer von der Tesla-Fabrik entfernt liegen. Für Bähler ist die ersatzlose Streichung schockierend: „Das bedeutet, dass wir keinerlei Rechtsanspruch mehr haben – weder beim Zustandekommen des Grundwasser-Monitorings, noch beim Auswerten der Ergebnisse – miteinbezogen zu werden.“

Zahlreiche Vorfälle im Jahr 2022 bei Tesla

Wer die Daten aus der Tesla-Schublade noch einsehen und auswerten kann, ist die Untere Wasserbehörde des Landkreises Oder-Spree (uWB). „Deren Kontrollzwang ist ja nicht so richtig ausgeprägt, wie wir die letzten Monate gesehen haben“, kommentiert Bähler. „Die gucken da nicht und werden auch nicht nachfragen. Somit wurde unserer Ansicht nach, klammheimlich und hinten herum, keine Kontrolle festgesetzt.“ Ein gutes Beispiel sei der Lackunfall, wo der WSE Akteneinsicht nahm und sich in seiner skeptischen Haltung bestätigt sah.
Verbandsvorsteher vom Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE): André Bähler im Wasserwerk Spitzmühle. Der WSE versorgt 170.000 Menschen mit Wasser. Auch Tesla gehört zu den Abnehmern.
Verbandsvorsteher vom Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE): André Bähler im Wasserwerk Spitzmühle. Der WSE versorgt 170.000 Menschen mit Wasser. Auch Tesla gehört zu den Abnehmern.
© Foto: Patrick Pleul/dpa
Konkret spielt der Verbandschef auf zahlreiche umweltrelevanten Vorkommnisse seit Teslas Produktionsstart im März 2022 an, über die auch MOZ.de berichtete und diese teilweise aufdeckte. Zunächst liefen kurz nach Produktionsstart in der Lackiererei 15.000 Liter Elektrotauchlackierung aus, dann rieselte im Juni krebserregendes, giftiges Kathodenpulver für Batterien in einem Außenlager von Paletten und Lkw, dann brannte im September eine nicht genehmigte Recyclinganlage und Löschwasser floss in den Boden. Kürzlich wurde zudem bekannt, dass die Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen eines illegalen Gefahrstofflagers ermittelt. Zudem wurde durch MOZ.de öffentlich, dass die Brandmeldeanlage und Sprinkler der Fabrik zunächst nicht funktionierten und die Werkfeuerwehr mit schlechter Personal-, Fahrzeug- und Technikausstattung zu kämpfen hat.

Tesla wollte Konkretisierung – Umweltamt lieferte Streichung

Der Widerspruchsbescheid des LfU ging Tesla am 8. November 2022 zu. Er liegt MOZ.de vor und es wird deutlich, dass sich Tesla zunächst gegen 26 Nebenbestimmung gewandt hatte – darunter auch die Bestimmung zur Beteiligung des WSE.
Das Unternehmen begründete dies konkret damit, dass der Begriff „alle grundwasserrelevanten Fragestellungen“ „zu unbestimmt und unzureichend abgrenzbar“ gewesen sei. Tesla forderte deshalb, dass der WSE nur bei direkten Eingriffen in Grund und Boden im Bereich des Wasserschutzgebietes einbezogen werden soll und die Nebenbestimmung von der Genehmigungsbehörde konkretisiert werden müsste. Das LfU entschied sich jedoch für die ersatzlose Streichung und keine Konkretisierung oder die Wahl genauerer Worte.

Wasserverband „herausgeboxt“? WSE reicht Klage ein

Für Bähler ist glasklar warum: „Wir waren die Einzigen, die da kritisch und genau hingeschaut haben und jetzt boxt man uns heraus.“ Brisant ist zudem, dass der Wasserversorger gar nicht über diese Veränderung vom LfU informiert worden sei, so der Verbandschef. Stattdessen sei man in einer Besprechung darauf hingewiesen worden, dass Tesla dem WSE keine Daten mehr geben müsse. „Dann haben wir beim LfU nachgefragt und man hat uns am Montag (16. Januar) den Bescheid zur Kenntnis gegeben“, so der Verbandschef.
Der WSE will das nicht hinnehmen. Laut Bähler haben die Rechtsanwälte des Wasserverbandes Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 8. November 2022 beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) eingereicht. „Die Art und Weise wie der Bescheid zustande gekommen ist, hält einer rechtsstaatlichen Prüfung nicht stand“, ist sich Bähler sicher. „Man kann nicht alles, was einem im Genehmigungsbescheid nicht passt, ohne Anhörung der Öffentlichkeit, ohne Anhörung der Beteiligten einfach ändern. Das ist ein Verfahrensfehler.“ Eine Folge davon sei, kritisiert Bähler, dass nun alle Widersprüche von Bürgern und des WSE, die das LfU bis heute noch nicht beschieden habe, nun hinfällig seien.

Landesumweltamt sieht keinen Verfahrensfehler

Das Landesumweltamt verteidigt auf Nachfrage die Prüfung und Änderung des Genehmigungsbescheides für Tesla, der ansonsten in Gänze bestehen bleibe. „Es wurde festgestellt, dass der Widerspruch von Tesla teilweise berechtigt war, weil mit ihm Fehler in der Entscheidung aufgezeigt wurden.“ Bei vielen der 26 Punkte habe Tesla den Widerspruch wegen Erfolglosigkeit zurückgezogen, manchen habe das LfU stattgegeben, andere abgeändert. Was den Punkt der Einbeziehung des Wasserversorgers betrifft, so sei die Untere Wasserbehörde (UWB) des Landkreises beteiligt worden und die UWB habe „in ihrer neuerlichen Stellungnahme die Aufhebung dieser Nebenbestimmung angeraten“, heißt es.
Laut Landesumweltamt sei man über die WSE-Klage informiert worden. Eine Mitteilung vom Verwaltungsgericht darüber stehe noch aus. „Sollte tatsächlich Klage erhoben worden sein, wäre dabei noch die Rechtsfrage zu prüfen, ob diese überhaupt zulässig ist, da der WSE ja die Möglichkeit hat, sein Vorbringen zum Widerspruchsbescheid vom 8. November 2022 im eigenen Drittwiderspruchsverfahren geltend zu machen“, heißt es dazu vom LfU.
Laut LfU müsse die Öffentlichkeit nicht erneut beteiligt werden. Ein Widerspruchsbescheid sei „nur“ zuzustellen und dies sei auch geschehen. „Es liegt kein Verfahrensfehler vor.“

Untere Wasserbehörde verweist auf eigenes Monitoring des WSE

Die Untere Wasserbehörde des Landkreises betont gegenüber MOZ.de, dass die Überwachungszuständigkeit des Tesla-Monitorings bei ihnen läge. „Die Untere Wasserbehörde hat Zugriff auf die Ergebnisse des Grundwasser-Monitorings und überwacht die Einhaltung des Monitoringkonzeptes durch Tesla“, heißt es auf Nachfrage.
Der WSE sei als Wasserversorger des Gebietes hingegen dafür zuständig, das Grundwasser im Einzugsgebiet von Wasserfassungen zu überwachen. „Sie haben also ein eigenständiges Monitoring durchzuführen“, heißt es. Bähler dazu „Wenn wir die Verunreinigung unserer Brunnen in mehreren Jahren feststellen, ist es schon zu spät. Eine schleichende Verunreinigung des Wassers kriegen wir nicht mehr mit.“
Die UWB merkt an, dass der WSE laut Genehmigungsbescheid für sein Monitoring auch die Messstellen von Tesla nutzen könne. „Die Übergabe der Überwachungsergebnisse des Monitorings von Tesla an den WSE ist entsprechend der Abstimmung zwischen unterer Wasserbehörde, WSE und Tesla im Rahmen des Umweltinformationsrechts problemlos möglich.“
Für die Bürger im WSE-Gebiet bleibt zunächst nur eins: Abwarten, wie dieser Rechtsstreit ausgeht und hoffen, dass in einigen Jahren kein verschmutztes Trinkwasser aus dem Hahn fließt.
Mehr Informationen zur Tesla-Gigafactory in Grünheide gibt es auf einer Themenseite.
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