• Das 144. Baumblütenfest in Werder (Havel) findet vom 22.04. bis 01.05.2023 statt.
  • Neben dem Stadtgarten ist auch die Bismarckhöhe am Hohen Weg eine der Hauptlocations des Fests.

Schauplatz des Balls zum Baumblütenfest: die Bismarckhöhe

In der Bismarckhöhe wird gerade noch der Kronleuchter abgestaubt – der prunkvolle Ballsaal der stadtbildprägenden Ausflugslocation am Hohen Weg in Werder (Havel) wird am 21. April den traditionellen Baumblütenball zur Eröffnung des Baumblütenfests 2023 beherbergen. Die Höhengaststätte mit dem spektakulären Blick auf Havel und Inselstadt ist erneut ein Zentrum des Baumblütenfests – noch werkeln die Gärtner auf dem Gelände, um alles für die Gäste vorzubereiten.
Im Ballsaal der Bismarckhöhe in Werder (Havel) findet jedes Jahr der Blütenball statt. Die neue Baumblütenkönigin wird hier der Öffentlichkeit vorgestellt.
Im Ballsaal der Bismarckhöhe in Werder (Havel) findet jedes Jahr der Blütenball statt. Die neue Baumblütenkönigin wird hier der Öffentlichkeit vorgestellt.
© Foto: Frank Lorenz
Doch der Trubel um das 1894 eröffnete und 1898 mit Einweihung des Erweiterungsbaus und des Aussichtsturms „Bismarckhöhe“ getauften Etablissement kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese, die prominenteste Höhengaststätte in Werder, „dramatisch untergenutzt“ ist, wie es Markus Altmann, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Werder, formuliert.
Seine Fraktion hatte zuletzt 2020/21, aufgeschreckt durch Pläne der Oberbürgermeisterin, die Bismarckhöhe zu einem Mindesterlös von vier Millionen Euro zu veräußern, diverse Ideen unterbreitet, wie das nach seinen Worten zur „DNA von Werder“ gehörende Höhenrestaurant genutzt werden könne, u.a. um ein Büro- und Gewerbezentrum oder Teile der Stadtverwaltung hier anzusiedeln. Hauptsache, das Gelände bleibe im Eigentum der Stadt und werde baulich auch in den Nebengebäuden erhalten. Denn: Öffentlicher Raum, so Altmann, sei ein kostbares Gut in diesen Zeiten. Und die Stadt gut beraten, ihr „Tafelsilber“ nicht zu verschleudern.

Trauerspiel: Die Friedrichshöhe als Schandfleck von Werder

Wohin das führen kann, kann man wenige hundert Meter weiter am Ende des Hohen Wegs besichtigen. Dort befindet sich die Friedrichshöhe, die zweite große Höhengaststätte in Werder. Der denkmalgeschützte Komplex auf dem Kesselberg, benannt nach dem Bauherren Friedrich Schmahlfeldt, ist ein klassischer Lost Place. Das Gebäude steht seit vielen Jahren leer, Graffiti zieren die Fassade, im Inneren ist ein Handwerker gerade dabei, Fenster und Türen gegen Vandalismus neu mit Holzbrettern zu sichern.
Lost Place: Die Friedrichshöhe in Werder (Havel) war zuletzt Spekulationsobjekt.
Lost Place: Die Friedrichshöhe in Werder (Havel) war zuletzt Spekulationsobjekt.
© Foto: Christina Tilmann
Was hier zu besichtigen ist, ist das Ergebnis mehrfachen Verkaufs und Immobilienspekulation. Zuletzt geriet die Friedrichshöhe durch die Insolvenz der German Property Group (GPG), ehemals Dolphin Trust, und einen internationalen Finanzskandal in ungute Schlagzeilen – gegen deren Geschäftsführer wurde wegen Verdachts auf Anlagebetrug und Insolvenzdelikten ermittelt. Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Stadt Werder möge auch hier einsteigen und das Gebäude wieder zurückkaufen, wurden in der Stadtverordnetenversammlung im September 2021 mit 16 gegen 14 Stimmen abgelehnt – man wolle sich lieber auf die „Bismarckhöhe“ konzentrieren. Aufgeben will Altmann allerdings auch dieses Gelände nicht, selbst wenn es angesichts der horrenden zu erwartenden Sanierungskonsten erst einmal nur um Sicherung gehen könne: „Vielleicht haben kommende Generationen eine bessere Idee für das Gelände“.
Im Zeichen der Reben: Relief über dem Eingang der Friedrichshöhe. Zum Baumblütenfest kann hier aber keine Party mehr stattfinden.
Im Zeichen der Reben: Relief über dem Eingang der Friedrichshöhe. Zum Baumblütenfest kann hier aber keine Party mehr stattfinden.
© Foto: Christina Tilmann

Verborgenes Kleinod in Werder: die Gerlachshöhe

Eine gute Idee hatte hingegen Eik Mellin. Auch er ist seit Kindheit an fasziniert von den Höhengaststätten und ihrer Mittelalterromantik, stromerte als Junge auf Wachtelberg und Kesselberg herum und veröffentlichte schließlich als Erwachsener im Internet alles, was er zur Geschichte der Gaststätten fand. Auch dabei: die ältestes, kleinste und unbekannteste Höhengaststätte in Werder: die Gerlachshöhe.
Diese Gaststätte, die Ferdinand August Gerlach 1874 errichtete, liegt ebenfalls am Hohen Weg, und bot ursprünglich einen Aussichtsturm und eine Terrasse mit Panoramablick. Sie wurde allerdings Mitte der 1920er Jahre schon wieder geschlossen. Zu groß war die Konkurrenz der größeren Nachbarn Bismarckhöhe und Friedrichshöhe, berichtet der Verein „Wir sind Werder“ auf seiner Homepage. Das Gebäude, das zwischenzeitlich „Hindenburghöhe“ getauft worden war, erlebte mehrere Eigentumswechsel, der letzte rechtmäßige Eigentümer, der Ministerialrat Wolfgang Jöhlinger, wurde 1938 enteignet.
Enthusiasten: Eik und Nicole Mellin haben sich der Gerlachshöhe in Werder (Havel) angenommen.
Enthusiasten: Eik und Nicole Mellin haben sich der Gerlachshöhe in Werder (Havel) angenommen.
© Foto: Christina Tilmann
Hier kommt Eik Mellin ins Spiel. Auf seine Veröffentlichungen hin habe sich ein älterer Herr aus Aachen bei ihm gemeldet, erzählt er beim Gespräch in seiner Küche, mit dem er sich 2014 an der Gerlachshöhe traf. Es war der damals 92-jährige Wolfgang Jöhlinger, der der ihm spontan das Gebäude zum Kauf anbot: „Bei mir wusste er es in guten Händen“. Und Mellin, der mit seiner Frau Nicole ohnehin gerade ein Haus suchte, ließ sich auf das Abenteuer ein.
Inzwischen ist eine Etage des ehemaligen Pensionsgebäudes, das wie ein Riegel zum Hohen Weg hin steht, als gemütliche Familienwohnung ausgebaut, das Erdgeschoss ist weiterhin vermietet. Die Gerlachshöhe selbst, von der etwa noch ein Drittel, ein kleines, turmförmiges Haus, erhalten ist, ist ein Work-in-Progress des engagierten Handwerkers.
Rest der ältesten Höhengaststätte: Die Gerlachshöhe von Werder (Havel) wird derzeit privat saniert.
Rest der ältesten Höhengaststätte: Die Gerlachshöhe von Werder (Havel) wird derzeit privat saniert.
© Foto: Christina Tilmann
Irgendwann, träumt Eik Mellin, wolle er in dem Gebäude eine kleine Wohnung einbauen, mit Küche, Bad und Zugang zur Dachterrasse, und er möchte das Gelände für angemeldete Gäste zu Weinabenden öffnen, irgendwann vielleicht auch mal zum Baumblütenfest. Doch bis dahin ist noch viel zu tun.
Immerhin, gesichert ist das baufällige Haus: Dach, Entwässerung und Wandpfeiler sind schon restauriert, eine Seite des Gebäudes frisch verputzt. Im Erdgeschoss lagert ein historisches Schankfenster, das Mellin wieder einbauen möchte, auch der alte Weinkeller ist wieder zugänglich. Gern führt der Hausherr nach Anmeldung (Zettel in den Briefkasten am Hohen Weg 69 oder anrufen unter 0172 3034912) Besucher über das ansonsten öffentlich nicht zugängliche Gelände und erzählt von Gerlach, Jöhlinger und seinen Plänen. In einer Vitrine im Flur präsentiert er alles, auf das er bei Aufräumarbeiten auf dem Gelände gestoßen ist. Und wenn er Glück hat, findet er im Internet Postkarten der alten Gerlachshöhe.

Wie eine mittelalterliche Burg: die Wachtelburg

Für die letzte Höhengaststätte muss man den Hohen Weg verlassen. Auf dem Wachtelberg jenseits der Brandenburger Straße steht ein Gebäude, das in seiner mittelalterlichen Burganmutung schon den kleinen Eik Mellin faszinierte. Die Wachtelburg, 1893 bis 1907 als Ausflugsgaststätte erbaut und sogar von hohem Besuch wie Kaiserin Augusta, der Königin Emma und Königin Wilhelmina der Niederlande, und Prinz Paribatra Sukhumbandh, Fürst von Nakhon Sawan, geschätzt, gehört seit den 1940er Jahren der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Heute betreibt hier der „Förderverein Freundeskreis Wachtelburg e.V.“ hier ein christliches Kinder- und Jugendzentrum und setzt das Gelände nach und nach instand. Das Außengelände steht auch Besuchern offen.
Wie eine mittelalterliche Burg: Die Wachtelburg auf dem Wachtelberg wird als christliches Zentrum genutzt.
Wie eine mittelalterliche Burg: Die Wachtelburg auf dem Wachtelberg wird als christliches Zentrum genutzt.
© Foto: Christina Tilmann

Zu Gast bei Manfred Lindicke auf dem Wachtelberg

Eine wirkliche Restauration ist jenseits des Baumblütenfests also in keiner der ehemaligen Höhengaststätten mehr zu finden. Wen nach dem Rundgang durch die einstige Pracht doch Hunger und Durst plagen, der möge von der Wachtelburg aus noch einige Meter weiter die Straße entlanggehen: Manfred Lindickes Straußenwirtschaft „Weintiene“ inmitten der Weinberge des Wachtelbergs bietet von Freitag bis Sonntag den örtlichen Wein zur Verkostung. Da kommen dann auch die heutigen Ausflügler auf ihre Kosten.
Gab der Wachtelburg den Namen: der Wachtelberg mit seinen Weinstöcken
Gab der Wachtelburg den Namen: der Wachtelberg mit seinen Weinstöcken
© Foto: Christina Tilmann