Rund 2,4 Millionen Menschen in Berlin waren am Sonntag (27.3.) zur Abstimmung bei einem Volksentscheid über ehrgeizigere Klimaziele aufgerufen. Ein Bündnis „Klimaneustart“ wollte erreichen, dass die Hauptstadt 15 Jahre früher als geplant - bis 2030 - klimaneutral wird. Dafür sollte das Energiewendegesetz des Landes geändert werden. Das Ziel wurde jedoch nicht erreicht.
+++21:16 Uhr: Das Endergebnis
50,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben mit Ja gestimmt - das waren 442.210 Stimmen. 48,7 Prozent (423.418) stimmten mit Nein. Das geht aus den Zahlen der Landeswahlleitung im Internet hervor. Gegen 20.51 Uhr waren demnach alle 3103 Wahllokale ausgezählt. Um schärfere Klimaziele zu beschließen, hätten aber mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten dafür stimmen. Dafür wären rund 608.000 Ja-Stimmen nötig gewesen.
+++20:30 Uhr: Giffey zum gescheiterten Volksentscheid
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hat nach dem Scheitern des Klima-Volksentscheids die Wichtigkeit des Kampfes gegen den Klimawandel betont. Er sei eine „unserer zentralen politischen Aufgaben“, teilte Giffey am Sonntagabend mit. „Wir wissen um die Dringlichkeit, auch wenn der Volksentscheid nicht die notwendige Zustimmung erfahren hat.“
Das Land Berlin bekenne sich weiterhin zum Klimaschutzabkommen von Paris. „Wir arbeiten dafür, dass Berlin schnellstmöglich vor 2045 klimaneutrale Stadt wird.“ Die SPD-Politikerin spricht von weitreichenden Maßnahmen: „Mit aller Kraft werden wir die energetische Gebäudesanierung vorantreiben, erneuerbare Energien ausbauen und bestehende Förderprogramme, wie Solar Plus, verbessern.“
Der Volksentscheid zur Änderung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes war nicht erfolgreich. Das zeigt, dass auch die Mehrheit der Berliner:innen sieht, dass die Forderungen nicht umsetzbar gewesen wären – auch nicht, wenn sie in ein Gesetz gegossen sind. (1)
— Franziska Giffey (@FranziskaGiffey) March 26, 2023
+++ 20:20 Uhr: Klimaschutz bleibt laut CDU eines der wichtigsten Themen
Die Berliner CDU hat nach dem Scheitern des Klima-Volksentscheids bekräftigt, dass Klimaschutz eines der wichtigsten Themen für die Landespolitik bleiben soll. Der Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers, erklärte am Sonntag: „Berlin sagt Ja zum Klimaschutz - aber Nein zu falschen Versprechen. Die Berliner wissen: Dem Klima wäre mit unrealistischen Zielen oder unbezahlbaren Gesetzen nicht geholfen.“ Wichtig sei entschlossenes Handeln, um „unsere bundesweit ambitioniertesten Klimaziele“ schnellstmöglich zu erreichen.
+++19.55 Uhr: AfD begrüßt Scheitern des Klima-Volksentscheids
Die Berliner AfD hat das Scheitern des Volksentscheids zur Klimaneutralität positiv gewertet. „Ein gültiges Ja wäre verheerend für unsere Stadt gewesen. Gut, dass dieser Kelch an uns vorübergegangen ist“, erklärte die Landesvorsitzende Kristin Brinker. „Die Berliner haben ihren Verstand nicht an der Garderobe abgegeben, sondern ein Zustandekommen des Quorums verhindert“, sagte Brinker.
+++19.45 Uhr: Volksentscheid ist gescheitert
Der Volksentscheid für ehrgeizigere Klimaziele in Berlin ist gescheitert. Die nötige Mindestzahl von Ja-Stimmen sei nicht mehr zu erreichen, teilte die Landeswahlleitung am Sonntagabend kurz vor Abschluss der Auszählung mit.
+++ 19.20 Uhr: Zu wenig Ja-Stimmen?
Der Volksentscheid droht zu scheitern. Nach Auszählung von rund 90 Prozent der Urnen- und Briefwahllokale hatten am Sonntagabend zwar die Befürworter eine knappe Mehrheit. Allerdings deutete einiges darauf hin, dass die Initiatoren der Abstimmung die zweite Voraussetzung nicht schaffen: Um schärfere Klimaziele zu beschließen, müssten nämlich mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten dafür stimmen. Nötig sind also rund 608.000 Ja-Stimmen.
+++ 19:07 Uhr: Initiatoren fiebern Wahlergebnis entgegen
Nach Schließung der Wahllokale fiebern die Initiatoren des Bündnisses „Klimaneustart“ dem Ergebnis entgegen. „Die Stimmung ist schon richtig gut hier, trotz Nerven. Ich bin selbst entsprechend aufgeregt, aber ich freue mich auf die nächsten Stunden“, sagte Jessamine Davis vom Bündnis „Klimaneustart“ auf der Wahlparty. Das vorläufige Ergebnis sollte im Laufe des Abends bekannt gegeben werden.
+++ 18.45 Uhr: Das erste Zwischenergebnis
Beim Berliner Volksentscheid über ehrgeizigere Klimaziele sieht es nach ersten Zwischenergebnissen nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern aus. Nach Auszählung von etwa zwei Drittel der Urnen- und Briefwahllokale stehen rund 219.000 Ja-Stimmen etwa 204.000 Nein-Stimmen gegenüber.
+++ Stand 18 Uhr: 26,4 Prozent Beteiligung bis 16 Uhr
Beim Berliner Klima-Volksentscheid haben bis 16 Uhr 26,4 Prozent der dazu berechtigten Menschen abgestimmt. Die höchste Beteiligung wurde demnach im Bezirk Steglitz-Zehlendorf ermittelt (35,5 Prozent), die niedrigste in Neukölln mit 21,6 Prozent, wie die Landeswahlleitung am Sonntag mitteilte.
Um die schärferen Klimaziele zu beschließen, muss eine Mehrheit der Wähler dafür stimmen, mindestens aber 25 Prozent der Wahlberechtigten. Nötig sind also rund 608.000 Ja-Stimmen.
Nach Angaben der Landeswahlleitung vom Samstag stellten die Wahlämter vorab rund 458.000 Abstimmungsscheine aus - für 18,8 Prozent der Menschen, die zur Teilnahme berechtigt sind. Die Scheine sind die Voraussetzung für eine Abstimmung per Brief.
Zu einer Kundgebung mit Konzerteinlagen versammelten sich Unterstützer des Volksentscheids am Samstag vor dem Brandenburger Tor. Die Organisatoren hatten rund 35.000 Menschen erwartet. Es blieben bei immer wieder einsetzenden Regenschauern deutlich weniger. Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer („Fridays For Future“) betonte am Rande der Veranstaltung die Bedeutung des Volksentscheids. „Diese Abstimmung ist einzigartig, und Berlin könnte die Stadt werden, in der richtig losgelegt wird“, sagte sie der dpa.
Klimaneutralität bedeutet, dass keine Treibhausgase emittiert werden, die über jene hinausgehen, die zum Beispiel durch die Natur aufgenommen werden. Dafür müssten die klimaschädlichen Emissionen etwa von Verbrennerautos, Flugzeugen, Heizungen, Kraftwerken oder Industriebetrieben um etwa 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.
Was Berlin bis 2023 erreichen will
Die Antwort auf die Frage, wie genau das bis 2030 in Berlin erreicht werden soll, überlässt die Initiative bewusst der Politik. Die wichtigsten Stellschrauben sind bekannt: energetische Sanierung von Gebäuden, fossilfreie Energie- und Wärmeerzeugung, Ausbau des ÖPNV und emissionsfreie Autos vor allem mit E-Antrieb. Nötig wären dafür allein in Berlin Investitionen in zwei- oder dreistelliger Milliardenhöhe - unabhängig vom Jahresziel der Klimaneutralität.
Zum Vergleich: Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Die EU will bis 2050 soweit sein. Entsprechend viel Skepsis herrscht bei der Frage vor, ob Berlin das bereits bis 2030 schaffen kann. Die Initiatoren des Volksentscheids und ihre Unterstützer bei Umweltorganisationen, dem Mieterverein, Initiativen und in der Kulturszene, aber zuletzt auch bei Grünen und Linken bejahen das.
Der nach der Wiederholungswahl noch amtierende rot-grün-rote Berliner Senat stufte das in einer Stellungnahme indes als unrealistisch ein. Berlin habe bereits eines der ehrgeizigsten Klimaschutzgesetze Deutschlands und gehöre etwa mit dem 2017 vollzogenen Ausstieg aus der Braunkohle zu den „klimapolitischen Vorreitern“. Von den Bundes- und EU-Zielen beim Klimaschutz könne sich Berlin aber nicht so weit entkoppeln, dass es im Alleingang 15 oder 20 Jahre früher klimaneutral werde.
Kanzler Olaf Scholz ist skeptisch
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht die Ziele skeptisch. „Ich bin fest davon überzeugt, dass das, was die Bundesregierung sich vorgenommen hat, genau der richtige Weg ist, nämlich dafür zu sorgen, dass wir unser Land technologisch modernisieren“, sagte Scholz in Potsdam. „Da helfen fiktive Daten, die man nicht einhalten kann, nichts.“
Die Abstimmung findet gerade einmal sechs Wochen nach der Wiederholung der Berliner Abgeordnetenhauswahl statt - und fällt mitten in die Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD. Beide Parteien wollen eine schwarz-rote Landesregierung bilden und kündigten bereits an, in den kommenden Jahren mindestens fünf Milliarden Euro für mehr Klimaschutz in der Stadt ausgeben zu wollen.